BGH, Beschluss vom 30.04.2025 – 1 StR 39/25: Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe von Feststellungs- und Einkommensteuererklärungen

BGH, Beschluss vom 30.04.2025 – 1 StR 39/25: Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe von Feststellungs- und Einkommensteuererklärungen – Strafverteidigung in Frankfurt und bundesweit

Mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (1. Strafsenat) vom 30.04.2025 – 1 StR 39/25 konkretisiert der BGH erneut die Grenzen und Strukturen der Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Nichtabgabe bzw. unrichtige Abgabe von Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und von Einkommensteuererklärungen konkurrenzrechtlich zu bewerten ist. Für Beschuldigte im Steuerstrafrecht, für Unternehmer mit Mitunternehmerschaften sowie für Steuerberater als mittelbare Täter hat die Entscheidung erhebliche praktische Bedeutung.

Die Strafverteidiger von Buchert Jacob Peter in Frankfurt begleiten seit vielen Jahren Mandantinnen und Mandanten bundesweit in komplexen Verfahren wegen Steuerhinterziehung, insbesondere wenn mehrere Besteuerungszeiträume, verschiedene Steuerarten und Feststellungsbescheide zusammenkommen. Die aktuelle Entscheidung des BGH verdeutlicht, wie wichtig eine frühzeitige, spezialisierte Strafverteidigung ist, um die Zahl der Taten, den Schuldumfang und die Strafzumessung aktiv zu beeinflussen.

Hintergrund der Entscheidung 1 StR 39/25 und Sachverhalt

Dem Beschluss lag ein Verfahren vor dem Landgericht Cottbus zugrunde. Der Angeklagte betrieb eine SB-Autowaschanlage und später zusätzlich einen Altpapierhandel. Er gab für mehrere Jahre unrichtige Steuererklärungen ab und unterließ anschließend vollständig die Abgabe von Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen. Zudem erzielte er Einkünfte aus einer Innengesellschaft mit einem Logistikunternehmer, bei der gemeinsam Altpapier verwertet wurde. Die damit verbundenen Gewinne wurden weder in Einkommensteuererklärungen noch in Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung erklärt.

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen einer Vielzahl von Fällen der Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung verurteilt. In der Revision ging es insbesondere um zwei Kernfragen: zum einen um die Reichweite der Anklage (Erfassung der unterlassenen Feststellungserklärungen), zum anderen um die Konkurrenzregeln bei Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft über einen Steuerberater.

Der BGH stellte einzelne Teile der Verurteilung ein, passte den Schuldspruch an und nutzte die Gelegenheit, die dogmatische Einordnung der verschiedenen Erklärungspflichten und ihrer Konkurrenzverhältnisse grundlegend zu klären.

Eigenständige Taten: Feststellungserklärung und Einkommensteuererklärung

Der zentrale dogmatische Beitrag der Entscheidung betrifft das Verhältnis zwischen der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§§ 180, 181 AO) und der Einkommensteuererklärung (§ 25 EStG, § 56 EStDV) desselben Veranlagungszeitraums. Der BGH stellt klar, dass es sich – sowohl materiell-rechtlich als auch prozessual – um eigenständige Taten der Steuerhinterziehung handelt.

  • Unrichtige oder pflichtwidrig unterlassene Feststellungserklärungen sind eigene Taten nach § 370 AO.
  • Unrichtige oder unterlassene Einkommensteuererklärungen für denselben Zeitraum sind ebenfalls eigenständige Taten.
  • Dies gilt auch, wenn beide Erklärungen dieselben Besteuerungsgrundlagen betreffen und der Feststellungsbescheid nach § 182 AO Bindungswirkung für den Einkommensteuerbescheid entfaltet.

Damit verabschiedet sich der BGH ausdrücklich von einer früher teilweise angenommenen Bewertungseinheit, bei der Feststellungs- und Einkommensteuererklärung zu einer einheitlichen Tat verschmolzen wurden. Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids führt zwar zu einer besonderen Gefährdung des Steueranspruchs, macht aber die beiden Erklärungspflichten nicht zu einer rechtlichen Einheit.

Für Beschuldigte bedeutet dies, dass in Fällen mit Mitunternehmerschaften oder Personengesellschaften mehrere selbstständige Taten vorliegen können – mit unmittelbaren Folgen für die Zahl der Tatvorwürfe, die möglichen Einzelstrafen und die Strafzumessung.

Pflicht zur vollständigen Offenlegung und Bedeutung für das Steuerstrafverfahren

Der BGH betont, dass die Pflicht zur Abgabe vollständiger und wahrheitsgemäßer Feststellungs- und Einkommensteuererklärungen nebeneinander besteht. Wer in einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist, muss in seiner Einkommensteuererklärung auf entsprechende Beteiligungen hinweisen, selbst wenn noch kein Feststellungsbescheid vorliegt. Andernfalls riskiert er eine weitere Tat der Steuerhinterziehung.

Diese parallelen Pflichten wirken sich auf das gesamte Ermittlungsverfahren, auf die Arbeit der Steuerfahndung und auf die strategische Verteidigung aus. Die Frage, ob und in welchem Umfang Erklärungen nachgereicht, korrigiert oder in einer Selbstanzeige gebündelt werden können, ist stets vor dem Hintergrund möglicher Mehrfachtaten zu prüfen.

Gleichzeitig stellt der BGH klar, dass Doppelbestrafungen zu vermeiden sind: Wiederholt ein Steuerpflichtiger in einer Einkommensteuererklärung lediglich dieselben falschen Angaben wie in der Feststellungserklärung, kann dies als mitbestrafte Vor- oder Nachtat behandelt werden. Wo darüber hinausgehende Unrichtigkeiten vorliegen, können zusätzliche Taten anzunehmen sein – ein Bereich, in dem eine sorgfältige Analyse der Ermittlungsakte und der Steuerakten zentral ist.

Wer mit Vorwürfen wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen, unrichtiger Feststellungserklärungen oder komplexer Steuerhinterziehung konfrontiert ist, sollte frühzeitig unsere Strafverteidiger und Fachanwälte für Strafrecht in Frankfurt – mit besonderer Erfahrung im Wirtschaftsstrafrecht und im Steuerstrafrecht – hinzuziehen.

Für eine diskrete Ersteinschätzung Ihrer Situation und die Entwicklung einer passgenauen Verteidigungsstrategie erreichen Sie uns unter 069 710 33 330 oder per E-Mail an kanzlei@dr-buchert.de.

Mittelbare Täterschaft und Konkurrenzfragen: Steuerberater im Fokus

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Aussage des BGH zur mittelbaren Täterschaft des Angeklagten, der seinen – selbst undolosen – Steuerberater mit der Abgabe unrichtiger Erklärungen beauftragt hatte. Der BGH knüpft an seine ständige Rechtsprechung an: Für die Beurteilung der Konkurrenzen beim mittelbaren Täter ist nicht die Anzahl der vom Tatmittler vorgenommenen Handlungen maßgeblich, sondern der einheitliche Tatbeitrag des Hintermanns.

Erbringt der mittelbare Täter – etwa ein Unternehmer – seine steuerstrafrechtlich relevante Mitwirkung bereits im Vorfeld durch ein einheitliches Handeln, können mehrere Erklärungen des Steuerberaters in seiner Person tateinheitlich zusammenfallen. Dies gilt, so der BGH ausdrücklich, nicht nur für verschiedene Steuerarten, sondern auch für mehrere Besteuerungszeiträume. Die Entscheidung ist daher auch für Steuerberater als Beschuldigte im Steuerstrafverfahren und für deren Mandanten von erheblicher Relevanz.

Diese Erwägungen wirken sich direkt auf die Anzahl der Einzelfälle, auf die Strafzumessung und auf strategische Überlegungen im Strafverfahren aus. Die genaue Abgrenzung von Tatmehrheit und Tateinheit ist ein klassischer Ansatzpunkt der Verteidigung, insbesondere in der Revision.

Praktische Konsequenzen für Beschuldigte im Steuerstrafrecht
Die Entscheidung 1 StR 39/25 zeigt, dass bei länger andauernder Nichtabgabe von Steuererklärungen und bei Mitunternehmerschaften schnell eine große Zahl selbstständiger Taten entstehen kann. Jede Pflichtverletzung – Feststellungserklärung, Einkommensteuererklärung, Umsatzsteuerjahreserklärung oder Umsatzsteuervoranmeldung – kann eine eigenständige strafbare Handlung darstellen.


Für Beschuldigte ist daher wichtig:
Frühzeitig spezialisierte Strafverteidigung im Steuerstrafrecht hinzuziehen.
Die tatsächliche Zahl der selbstständigen Taten kritisch zu hinterfragen.
Verjährungsfragen, Schätzungen nach § 162 AO und mögliche Verfahrensbeschränkungen oder -einstellungen auszuloten.
Eine fundierte Verteidigungsstrategie erfordert eine genaue Analyse der Steuerakten, Feststellungsbescheide und der Verfahrensgeschichte – von etwaigen Vorfeldermittlungen über die Akteneinsicht und das Steuergeheimnis bis hin zur Frage, ob und in welchem Umfang eine Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153a StPO in Betracht kommt.


FAQ zur Entscheidung 1 StR 39/25 und zur Steuerhinterziehung


Was hat der BGH im Beschluss 1 StR 39/25 im Kern entschieden?
Der BGH stellt klar, dass unrichtige oder nicht abgegebene Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und unrichtige oder nicht abgegebene Einkommensteuererklärungen eigenständige Taten der Steuerhinterziehung sind. Eine automatische Zusammenfassung zu einer einheitlichen Tat findet nicht mehr statt.
Welche Bedeutung hat die Entscheidung für Beschuldigte im Steuerstrafverfahren?
Die Zahl der Tatvorwürfe kann sich erhöhen, weil mehrere Pflichten (Feststellungserklärung, Einkommensteuer, Umsatzsteuer) getrennt betrachtet werden. Zugleich eröffnet die klare Trennung Ansatzpunkte, um Konkurrenzfragen, Verjährung, Schätzungen und mögliche Beschränkungen des Verfahrens zugunsten des Beschuldigten gezielt zu prüfen – etwa im Rahmen unserer auf Steuerstrafrecht spezialisierten Strafverteidigung.
Wann sollte ich einen Fachanwalt für Strafrecht einschalten?
Spätestens mit einer Vorladung als Beschuldigter, der Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens oder einer Durchsuchung durch Steuerfahndung oder Staatsanwaltschaft sollten Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Unsere Kanzlei in Frankfurt bietet bundesweit Unterstützung – von der ersten Akteneinsicht über Verhandlungen mit der Finanzverwaltung bis zur Verteidigung in der Hauptverhandlung.


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Rechtsanwalt Frank M. Peter, Fachanwalt für Strafrecht
Rechtsanwältin Dr. Caroline Jacob, Fachanwältin für Strafrecht
Als Of Counsel: Prof. Dr. Frank Peter Schuster
Als Kooperationspartner: Steuerberater und ehemaliger Steuerfahnder Frank Wehrheim

Unsere Rechtsanwaltskanzlei Buchert Jacob Peter arbeitet seit über 25 Jahren in Frankfurt am Main mit erfahrenen Anwälten in der Strafverteidigung. Wir vertreten unsere Mandantschaft bundesweit.
Kontakt: Telefon 069 710 33 330 · E-Mail kanzlei@dr-buchert.de

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