Landgericht Nürnberg-Fürth -Durchsuchung bei unverdächtigem Notar, § 97/§ 103 StPO & Verhältnismäßigkeit

LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 22.11.2024 (18 Qs 17/24) – Durchsuchung bei unverdächtigem Notar, § 97/§ 103 StPO & Verhältnismäßigkeit

Mit seinem Beschluss vom 22. November 2024 (18 Qs 17/24) hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Maßstäbe zur Durchsuchung bei unverdächtigen Berufsgeheimnisträgern – hier: einem Notar – geschärft. Im Zentrum stehen die Abgrenzung des Beschlagnahmeverbots nach § 97 StPO, die Anforderungen des § 103 StPO an die Durchsuchung bei Dritten sowie die strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der Beschluss setzt wichtige Leitplanken für die Praxis und verdeutlicht zugleich: Vor einer Zwangsmaßnahme ist regelmäßig die freiwillige Herausgabe in Betracht zu ziehen.

Problem: Schutzbereich des § 97 StPO und Durchsuchung bei Dritten

Das Gericht stellt klar, dass sich das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 StPO primär auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten bezieht. Berät ein Berufsgeheimnisträger – wie der Notar – (nur) eine juristische Person, greift der Schutz nicht automatisch. Zeichnet sich allerdings ab, dass die juristische Person als Einziehungsbeteiligte (§ 424 StPO) oder Adressatin einer Geldbuße (§ 30 OWiG) in Betracht kommt, kann ihr eine beschuldigtenähnliche Stellung zukommen; dann sind Verteidigungsunterlagen beschlagnahmefrei. Für die Durchsuchung bei Dritten verlangt § 103 StPO stets eine hinreichend konkretisierte Zielsuche nach bestimmten Beweismitteln sowie eine dokumentierte Auffindevermutung.

Das LG differenziert zudem bei Urkunden: Täuscht ein Urkundsbeteiligter den Notar und führt dies zu einer falschen Beurkundung i.S.v. § 271 StGB, sind Urschrift, Abschriften und Ausfertigungen sowie vom Notar gefertigte Kopien gefälschter Dokumente nicht beschlagnahmefrei (§ 97 Abs. 2 S. 2 StPO). Damit unterstreicht die Entscheidung die Grenzen notariellen Geheimnisschutzes im Ermittlungsverfahren.

Lösung des Gerichts: Spezialität des § 97 StPO & Vorrang milderer Mittel

Wesentlich ist der Hinweis auf die Spezialität des § 97 StPO gegenüber § 160a StPO: Die Zulässigkeit von Beschlagnahmen bei Berufsgeheimnisträgern bemisst sich grundsätzlich allein nach § 97 StPO. Zugleich betont das Gericht die Verhältnismäßigkeit als leitendes Kriterium: Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme sind streng zu belegen; bei Nichtbeschuldigten ist regelmäßig zuvor die freiwillige Herausgabe der konkret bezeichneten Beweismittel zu ermöglichen. Das korrespondiert mit der Praxis, vor einer Vollstreckung – wo möglich – ein Herausgabeverlangen nach § 95 StPO in Erwägung zu ziehen und so Eingriffsintensität zu reduzieren.

Für die Praxis bedeutet dies: Ermittlungsbehörden müssen den Zweck der Durchsuchung (z.B. Sicherstellung bestimmter Urkunden oder Datenträger) genau bezeichnen und die Auffindevermutung aus dem Aktenbild herleiten. Betroffene Notariate sollten umgekehrt prüfen, ob die begehrten Gegenstände tatsächlich tatbezogen sind oder dem Schutz des § 97 unterfallen – und in jedem Fall die Möglichkeit der kooperativen Herausgabe gegen dokumentierte Sicherungsauflagen (z.B. Versiegelung bis zur richterlichen Entscheidung) ausloten.

Praktische Auswirkungen für Notare, Unternehmen und Betroffene

Die Entscheidung stärkt die rechtsstaatliche Balance zwischen effektiver Strafverfolgung und Geheimnisschutz. Sie macht aber auch deutlich: Durchsuchungen in Kanzleien oder Notariaten sind kein Tabu, wenn bestimmte Beweismittel – etwa Urkunden zu mutmaßlichen Urkundsdelikten – gesucht werden und keine gleich geeigneten milderen Mittel bestehen. Im Unternehmen kann die Qualifikation als Einziehungsbeteiligte die Reichweite des Schutzes verändern; hier ist eine frühzeitige Strafverteidigung mit Blick auf Einziehungs– und Vermögensfragen zentral.

Betroffene sollten – auch zur Wahrung späterer Rechtsbehelfe – den Vollzug dokumentieren (Zeit, Räume, beteiligte Personen, gesuchte Gegenstände), auf die konkrete Bezeichnung der Zielobjekte dringen und keine Einlassungen ohne Beratung abgeben. Frühzeitige Akteneinsicht und eine strukturierte Strategie für das Strafverfahren entscheiden häufig über die weitere Dynamik des Falls.

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Konkrete Empfehlungen nach einer Durchsuchung

Bewahren Sie Ruhe. Verlangen Sie die vollständige Bezeichnung der gesuchten Gegenstände und die hinreichende Konkretisierung im Beschluss. Protokollieren Sie den Vollzug und bringen Sie – soweit möglich – die freiwillige Herausgabe als milderes Mittel ein. Machen Sie ohne Beratung keine Angaben; prüfen Sie mit uns Optionen wie Beschwerde, Beanstandungen der Vollzugsart oder eine gerichtliche Überprüfung. Unser Team begleitet Sie vom ersten Anruf bis zur Hauptverhandlung – zielorientiert und diskret.

Call-to-Action

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Kurzes FAQ

Greift § 97 StPO bei Notaren immer?
Nein. Geschützt ist primär das Verhältnis Beschuldigter – Berufsgeheimnisträger. Bei Beratung nur einer juristischen Person greift § 97 nicht automatisch.

Müssen Behörden zuerst um Herausgabe bitten?
Bei Nichtbeschuldigten ist regelmäßig Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe zu geben – dies gehört zur Verhältnismäßigkeit.

Sind notarielle Urkunden beschlagnahmefrei?
Nicht, wenn sie tatbezogen sind, etwa bei falscher Beurkundung (§ 271 StGB) oder Kopien gefälschter Ausweise (§ 97 Abs. 2 S. 2 StPO).

Was sollte ich unmittelbar tun?
Vollzug dokumentieren, keine spontanen Aussagen, Akteneinsicht beantragen, Verteidigung einschalten.

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