Landgericht Hamburg – Durchsuchung von Kanzleiräumen, Verhältnismäßigkeit und Beschlagnahme eines Mobiltelefons

LG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2025 (608 KLs 5/25) – Durchsuchung von Kanzleiräumen, Verhältnismäßigkeit und Beschlagnahme eines Mobiltelefons

Das Landgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 28. Juli 2025 (608 KLs 5/25) zentrale Maßstäbe für die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei herausgearbeitet. Im Fokus stehen die Voraussetzungen einer Durchsuchung bei Nichtbeschuldigten nach § 103 StPO, die Individualisierung des Beweismittels (hier: ein Mobiltelefon des Angeklagten) sowie das Verhältnis zur Beschlagnahme und den Beschlagnahmeverboten des § 97 StPO. Das Gericht betont: Bei konkreter Auffindevermutung und hinreichend bestimmter Bezeichnung des gesuchten Gegenstands kann eine Durchsuchung auch in sensiblen Räumen – wie den Kanzleiräumen der Verteidigung – zulässig sein. Gleichzeitig sind die strengen Grenzen der Durchsuchung und die besondere Schutzbedürftigkeit des Mandats zu beachten.

Problem: Durchsuchung bei Nichtbeschuldigten und Schutz des Mandats

Durchsuchungen in Kanzleien betreffen nicht nur die Ermittlungsverfahren, sondern auch das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidigung und Mandant. Der Beschluss des LG Hamburg prüft die Durchsuchung einer Verteidigerkanzlei, um ein konkret bezeichnetes Mobiltelefon eines Angeklagten sicherzustellen. Das Gericht erinnert daran, dass § 103 StPO eine höhere Hürde setzt als § 102 StPO: Bei Nichtbeschuldigten müssen die gesuchten bestimmten Beweismittel so konkretisiert sein, dass weder Betroffene noch Vollzugsbeamte Zweifel haben. Das Gericht knüpft daran eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, die die besondere Schutzwürdigkeit des Mandats (Berufsgeheimnisträger) mit einbezieht.

Besonderes Augenmerk gilt dem Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO. Das LG stellt klar, dass ein Beschlagnahmeverbot ausscheidet, wenn der Gegenstand als Tatmittel diente (§ 97 Abs. 2 S. 2 StPO). Im Fall des Mobiltelefons bejahte das Gericht aufgrund der Kommunikations- und Abstimmungsfunktion im Zusammenhang mit den vorgeworfenen Taten die Einordnung als Tatmittel. Damit waren weder die Verteidigungsgeheimnisse noch die Mandatskommunikation per se Freibrief gegen jede Beschlagnahme – entscheidend bleibt die konkrete Zweckbestimmung des Gegenstands im Tatgeschehen.

Lösung des LG Hamburg: Konkrete Auffindevermutung, klare Bezeichnung, strenge Verhältnismäßigkeit

Nach den Feststellungen lagen tatsachenbasierte Anhaltspunkte dafür vor, dass sich das Mobiltelefon des Angeklagten in den Kanzleiräumen befand (Zeitablauf, Angaben in der Hauptverhandlung, Vorlage eines „Handybilds“, Mitteilung von Telefonnummern). Die Durchsuchungsanordnung war hinreichend konkret gefasst: Gesucht war das Mobiltelefon des Angeklagten – eine Bezeichnung, die die Abgrenzung zu etwaigen Geräten des Verteidigers ermöglicht. Damit erfüllt der Beschluss die Anforderung, Beweismittel der Gattung nach zu bestimmen und zugleich den zu sichernden Gegenstand konkret einer Person zuzuordnen.

Zur Verhältnismäßigkeit differenziert das Gericht: Die Maßnahme war geeignet (konkrete Auffindevermutung), erforderlich (kein gleich wirksames milderes Mittel ersichtlich) und angemessen (Gewicht der Tatvorwürfe, mutmaßliche Beweisbedeutung der auf dem Telefon gespeicherten Kommunikationsdaten). Zugleich hebt das LG hervor, dass die Durchsuchung bei Nichtbeschuldigten – insbesondere in Kanzleiräumen – besondere Zurückhaltung verlangt und regelmäßig zuvor die freiwillige Herausgabe zu ermöglichen ist. Das schließt eine kurzfristige, unangekündigte Vollstreckung nicht aus, verlangt aber eine sauber dokumentierte Abwägung.

Vorgehen für Betroffene und Kanzleien: Was jetzt wichtig ist

  • Rechtsgrundlagen prüfen: Liegen Durchsuchung, Zielgegenstand und Individualisierung klar vor? Ist die Maßnahme auf bestimmte Beweismittel gerichtet?
  • Beschlagnahme & Verbote: Trifft ein Beschlagnahmeverbot zu oder ist der Gegenstand als Tatmittel ausgenommen (§ 97 Abs. 2 S. 2 StPO)?
  • Verhältnismäßigkeit sichern: Dokumentieren Sie Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit; bieten Sie – wo möglich – die freiwillige Herausgabe an.
  • Kommunikation steuern: Kontakt zur Staatsanwaltschaft bündeln; keine übereilten Einlassungen ohne Strafverteidigung.
  • Rechtsmittel wahren: Optionen wie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel prüfen; Akteneinsicht beantragen.

Für Beschuldigte und Kanzleien gilt: Ruhe bewahren, Vollzugsdetails protokollieren (Zeit, Räume, beteiligte Personen, gesuchte Gegenstände). Vor Aussagen oder Erklärungen – sei es in der Hauptverhandlung oder im frühen Stadium – stets rechtlichen Rat einholen. Ein strukturiertes Vorgehen verbessert die Ausgangslage im Strafverfahren erheblich.

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Kurzes FAQ

Wann ist die Durchsuchung einer Kanzlei zulässig?
Bei konkreter Auffindevermutung und klar bezeichneter Zielsuche nach bestimmten Beweismitteln; zusätzlich strenge Verhältnismäßigkeit.

Greift ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO?
Nicht, wenn der Gegenstand – etwa ein Handy – als Tatmittel diente. Dann ist eine Beschlagnahme möglich.

Muss vorab um freiwillige Herausgabe gebeten werden?
Bei Nichtbeschuldigten ist regelmäßig Gelegenheit zur Herausgabe zu geben; dies fließt in die Angemessenheit ein.

Was sollte ich unmittelbar tun?
Keine vorschnellen Aussagen, Akteneinsicht und Rechtsbehelfe prüfen, sofort Strafverteidigung einschalten.

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