Das Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO
Das Selbstleseverfahren, festgelegt in § 249 Abs. 2 StPO, bietet eine Alternative zum Verlesen von Urkunden, einschließlich elektronischer Dokumente. Zweck dieses Verfahrens ist in erster Linie die Vereinfachung der Beweisaufnahme, besonders wenn umfangreiche Urkunden vorliegen. Es ist jedoch zu beachten, dass die Regelungen des Selbstleseverfahrens nicht auf die Verlesung des Anklagesatzes anwendbar sind.
Anwendungsbereich des Selbstleseverfahrens
Die Durchführung des Verfahrens wird vom Vorsitzenden im Rahmen der Prozessleitung gemäß § 238 Abs. 1 StPO angeordnet. Bei Widerspruch eines Beteiligten entscheidet das Gericht nach eigenem Ermessen durch einen unanfechtbaren Beschluss (§ 305 StPO).
Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten
Es besteht keine Rangfolge zwischen dem Verlesen von Urkunden und dem Selbstleseverfahren. Das Einführen von Urkunden durch das Selbstleseverfahren ist weder im Hinblick auf die Beweisaufnahme noch in Bezug auf die Rechte der Beteiligten nachteilig. Wenn der Angeklagte nicht lesen kann und auf die Kenntnisnahme der Urkunde nicht verzichtet, muss das Gericht sicherstellen, dass ihm der Inhalt der Urkunde zur Kenntnis gebracht wird.
Protokollierung und Bekanntgabe
Die Anordnung des Selbstleseverfahrens muss gemäß § 249 Abs. 2 S. 3 StPO protokolliert werden. Über die Urkunde, die in das Selbstleseverfahren einbezogen wird, muss im Protokoll eine klare Bezeichnung erfolgen. Der Vorsitzende hat zu bestätigen, dass alle Mitglieder des Gerichts, einschließlich der Schöffen, den Inhalt der Urkunde zur Kenntnis genommen haben, und dass den übrigen Beteiligten die Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben wurde. Die tatsächliche Lesebestätigung muss zwar nicht überprüft werden, doch bei Zweifeln muss die Urkunde verlesen werden.
Chancen und Risiken
Das Selbstleseverfahren bietet der Verteidigung zahlreiche Vorteile, insbesondere durch die Senkung der Verfahrenskosten, da es separate Hauptverhandlungstage mit umfangreichen Verlesungen überflüssig macht. Allerdings gibt es auch bedeutende Bedenken, da wesentliche Beweismittel häufig im Gegensatz zum Öffentlichkeitsgrundsatz nicht während der Hauptverhandlung behandelt werden.
Ein wesentlicher Nachteil des Selbstleseverfahrens ist, dass es nicht gestattet, direkt nach der Verlesung einer Urkunde eine Erklärung gemäß § 257 StPO abzugeben. Praktisch ergeben sich jedoch auch nach der Selbstlesung oft Möglichkeiten, die Urkunde sowie deren Kontext und Entstehung zu diskutieren.
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