Cum-Cum und die Nacherklärungspflichten nach § 153 AO in der Rechtsprechung

Problem: Neue Entscheidungen erhöhen den Druck – was bedeutet das für Banken und Institute?

Cum-Cum-Sachverhalte rücken erneut in den Fokus von Finanzverwaltung und Strafverfolgung. Mit Beschluss vom 10.12.2024 (OLG Frankfurt, 3 Ws 231/24) wurde eine Anklage wegen Cum-Cum-Geschäften zur Hauptverhandlung zugelassen. Bereits zuvor hatte das BMF in seinem Schreiben vom 9.7.2021 klargestellt: Bei Cum-Cum-Konstellationen besteht eine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO, sofern Erklärungen objektiv unrichtig oder unvollständig waren und eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder droht. Am 13.11.2024 hat der BFH (I R 3/21) zudem betont, dass es für die steuerliche Zurechnung nicht darauf ankommt, ob der Inhaber übertragener Rechte diese subjektiv ausüben möchte. Für betroffene Institute stellt sich damit die zentrale Frage: Wann ist eine Berichtigung zwingend – und wen trifft sie?

Für die praxisnahe Einordnung braucht es spezialisiertes Know-how an der Schnittstelle von Steuerrecht, Kapitalmarkt und Steuerstrafrecht. Unsere Strafverteidigung in Frankfurt begleitet Sie bundesweit – von der risikoorientierten Prüfung bis zur Verteidigung gegenüber Finanzbehörden und Ermittlungsstellen. Aktuelle Entwicklungen bereiten wir fortlaufend auf unter Aktuelles.

Cum-Ex vs. Cum-Cum: Worin liegt der Unterschied?

Beide Strukturen werden häufig in einem Atemzug genannt, unterscheiden sich aber wesentlich:

  • Cum-Ex zielte auf Mehrfacherstattungen einmal einbehaltener Kapitalertragsteuer (double dip).
  • Cum-Cum ist eine (steuer-)gestaltende Struktur rund um Dividendenrückbehalte, die auf Vermeidung von Belastungen bei beschränkt/unbeschränkt Steuerpflichtigen setzt.

Die bloße Steuerersparnis macht eine Gestaltung nicht automatisch rechtswidrig. Der BFH hat wiederholt betont, dass Steuerpflichtige ihre Verhältnisse grundsätzlich so gestalten dürfen, dass möglichst geringe Steuern anfallen (vgl. BFH VIII R 32/16). Ob ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vorliegt, bleibt eine Einzelfallfrage – mit hoher Relevanz für das Wirtschaftsstrafrecht.

Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO): Was sagen OLG/BFH?

Die Attraktivität von Cum-Cum resultiert aus der unterschiedlichen Dividendenbesteuerung. Der BFH (VIII R 15/19) hat betont, dass tarifliche Unterschiede der Schedulenbesteuerung immanent sind und deren Nutzung nicht per se missbräuchlich ist. Der BFH (I R 3/21) hat für den weiteren Rechtsgang angeregt, außersteuerliche Gründe der Aktienübertragung zu prüfen: Fehlen solche Gründe völlig, kann dies ein gewichtiges Indiz für einen Missbrauch sein.

Mit dem OLG Frankfurt-Beschluss (3 Ws 231/24) ist keineswegs „alles entschieden“. Er zeigt jedoch, dass Gerichte ein strengeres Offenlegungs- und Dokumentationsverständnis entwickeln. Für die Praxis heißt das: Transaktionsdesign, wirtschaftlicher Zweck, Risikoverteilung und tatsächliche Verfügungsmacht müssen konsistent und vollständig offengelegt werden – spätestens dann, wenn Berichtigungspflichten geprüft werden.

Kernfrage der Praxis: Unrichtigkeit/Unvollständigkeit und § 153 AO

§ 153 Abs. 1 S. 1 AO verpflichtet zur unverzüglichen Anzeige und Richtigstellung, wenn der Steuerpflichtige nachträglich erkennt, dass eine abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig war und hierdurch Steuern verkürzt wurden oder werden konnten. Maßgeblich ist, ob die Erklärungen zum Zeitpunkt der Abgabe objektiv mangelhaft waren.

Das OLG Frankfurt moniert in 3 Ws 231/24 „sehr spärliche Angaben“ zu Dividenden aus als Sicherheiten hereingenommenen Aktien sowie das vollständige Fehlen von Hinweisen auf die Einbettung in ein umfassendes Vermeidungsmodell. Das BMF-Schreiben vom 9.7.2021 ist hier deutlich: Bei Cum-Cum greift eine Anzeige- und Berichtigungspflicht, wenn objektive Unrichtigkeit/Unvollständigkeit vorliegt. In der Sache bedeutet das: Wurden Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer geltend gemacht, ohne dass der Empfänger steuerlicher Anteilseigner i.S.d. § 20 Abs. 5 EStG war, sind Anrechnung/Erstattung zu versagen; ggf. ist nachzuzahlen.

Wichtig für die Verteidigung: Eine spätere Rechtsprechungsänderung macht eine frühere Erklärung nicht automatisch „nachträglich unrichtig“. Entscheidend bleibt, ob damals objektiv unrichtige oder unvollständige Angaben vorlagen – etwa weil wesentliche Strukturmerkmale verschwiegen wurden. Hier setzt fundierte Strafverteidigung an.

„Erkennen“ vs. „Erkennenkönnen“: Keine Pflicht zur verdachtslosen Nachforschung

§ 153 AO verlangt Erkennen – nicht bloß Erkennenkönnen oder Erkennenmüssen. Nach ständiger Rechtsprechung entstehen Pflichten erst, wenn die Unrichtigkeit tatsächlich erkannt wird (BGH 1 StR 479/08). Einzelne finanzgerichtliche Stimmen, die schon die Möglichkeit des Erkennens genügen lassen wollten, überzeugen angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht. Eine generelle Pflicht zur proaktiven, verdachtsunabhängigen Nachforschung besteht daher nicht.

Gleichwohl: Wenn sich Indizienlage und Dokumente so verdichten, dass ein objektiver Dritter zu Gewissheit gelangt, wird aus Risiko- Compliance- Sicht regelmäßig zur Berichtigung zu raten sein. Das gilt umso mehr, wenn sich Versagungsgründe für Anrechnung/Erstattung der Kapitalertragsteuer konkret abzeichnen.

Wer ist zur Berichtigung verpflichtet? Organverantwortung nach §§ 34, 35 AO

Die Pflicht trifft den Steuerpflichtigen und – ausdrücklich – die nach §§ 34, 35 AO Verantwortlichen (§ 153 Abs. 1 S. 2 AO). Praktisch bedeutet das: Bei Banken/Instituten sind Organe (z. B. Geschäftsführer, Vorstände) persönlich einbezogen. Auch Nachfolgerorgane können berichtigungspflichtig sein, selbst wenn die Gesellschaft durch den Vorgänger bereits „wissensbelastet“ war (BFH I B 99/06). Entscheidend ist, wer die Unrichtigkeit wann erkannt hat.

Für die persönliche Strafbarkeit kommt neben § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Unterlassen) auch eine Verantwortlichkeit nach Ordnungswidrigkeitenrecht in Betracht. Die genaue Zurechnung verlangt Erfahrung an der Schnittstelle von Steuerrecht, Organisationspflichten und straf-/ordnungswidrigkeitenrechtlichen Maßstäben des Wirtschaftsstrafrechts.

Vorgehen: So strukturieren Institute jetzt die Prüfung

  1. Bestandsaufnahme Cum-Cum-Exposure ab Dividendenstichtagen 2015 ff. (Zäsur durch BFH I R 88/13; fortentwickelt u. a. 2021/2024).
  2. Dokumenten- und Offenlegungscheck: Wurden Transaktionsdesign, wirtschaftlicher Zweck, Risiko-/Chancenallokation und Verfügungsmacht vollständig erklärt?
  3. Rechtliche Einordnung: Anteilseigner i.S.d. § 20 Abs. 5 EStG? Voraussetzungen der Anrechnung/Erstattung erfüllt? Indizien für § 42 AO?
  4. § 153 AO-Triage: Liegt objektive Unrichtigkeit/Unvollständigkeit noch nicht verjährter Jahre vor? Gibt es ein Erkennen im Sinne des Gesetzes?
  5. Strategie & Kommunikation: Entscheidung über Berichtigung, Begleitkommunikation gegenüber Finanzbehörde, ggf. abgestimmte Schritte mit Strafverteidigung und Forensic.
  6. Compliance stärken: Richtlinien zu Dividendenstichtag-Transaktionen, Offenlegungsstandards, Vier-Augen-Prinzip, Dokumentation. Regelmäßiges Monitoring – Updates in Aktuelles.

Vorteile mit Buchert Jacob Peter

  • Spezialisierte Expertise im Finanz- und Steuerstrafrecht: Cum-Cum/Cum-Ex, Kapitalertragsteuer, Zurechnungsfragen, § 42 AO, § 153 AO.
  • Prozess- und Verteidigungsstärke: Risiko-Assessment, Akten- und Datenanalyse, Verteidigung in Ermittlungs- und Hauptverfahren.
  • Bundesweit tätig – Standort Frankfurt: unmittelbare Nähe zu Finanzverwaltung, Gerichten und Ermittlungsstellen.
    Call-to-Action: Lassen Sie Ihre Cum-Cum-Exposure jetzt rechtlich prüfen – diskret, effizient und strategisch belastbar.

FAQ

Sind Cum-Cum-Gestaltungen per se strafbar?
Nein. Die Nutzung steuerlicher Unterschiede ist nicht automatisch missbräuchlich. Entscheidend sind Struktur, wirtschaftlicher Zweck und Offenlegung.

Was löst § 153 AO konkret aus?
Ein Erkennen nachträglicher Unrichtigkeit/Unvollständigkeit einer Erklärung, die eine Steuerverkürzung bewirkt hat oder bewirken konnte. Dann: unverzügliche Anzeige und Richtigstellung.

Reicht „Erkennenkönnen“?
Nein. Der Gesetzeswortlaut verlangt tatsächliche Kenntnis. Eine allgemeine Pflicht zur verdachtslosen Nachforschung besteht nicht.

Was bedeutet der OLG-Frankfurt-Beschluss (3 Ws 231/24)?
Er unterstreicht strenge Offenlegungsanforderungen in Cum-Cum-Fällen und zeigt, dass Anklagen zugelassen werden können, wenn Erklärungen „spärlich“ waren.

Ist die spätere Rechtsprechung maßgeblich für alte Erklärungen?
Sie macht eine Erklärung nicht automatisch „nachträglich unrichtig“. Maßgeblich ist die objektive Richtigkeit/ Vollständigkeit zum Abgabezeitpunkt – gleichwohl können spätere Urteile Indizwirkung entfalten.

Wer muss berichtigen – die Bank oder die Organe?
Beide: der Steuerpflichtige und die nach §§ 34, 35 AO Verantwortlichen (§ 153 Abs. 1 S. 2 AO). Auch Nachfolgerorgane können verpflichtet sein.

Wie gehe ich vor, wenn Indizien sich verdichten?
Strukturiert prüfen (Rechts- und Sachlage), Dokumentation sichern, Berichtigungsstrategie entwickeln – begleitet durch spezialisierte Strafverteidigung.


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Rechtsanwalt Frank M. Peter, Fachanwalt für Strafrecht
Rechtsanwältin Dr. Caroline Jacob, Fachanwältin für Strafrecht

Rechtsanwalt Dr. Sven Henseler, Diplom-Finanzwirt (FH)
Als Of Counsel: Prof. Dr. Frank Peter Schuster
Als Kooperationspartner: Steuerberater und ehemaliger Steuerfahnder Frank Wehrheim
Unsere Rechtsanwaltskanzlei Buchert Jacob Peter arbeitet seit über 25 Jahren in Frankfurt am Main mit erfahrenen Anwälten in der Strafverteidigung. Wir vertreten unsere Mandantschaft bundesweit.
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