BGH, Beschluss vom 14.03.2024 – 2 StR 192/23: Datenfälschung bei Nutzung fremder eBay-Konten und Strafverteidigung in Frankfurt
Die Digitalisierung des Handels über Plattformen wie eBay oder eBay-Kleinanzeigen wirft seit Jahren komplexe strafrechtliche Fragen auf. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14.03.2024 (2 StR 192/23) befasst sich mit der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) im Zusammenhang mit der Nutzung fremder Nutzerkonten und konkretisiert, wann der Umgang mit Zugangsdaten strafbar sein kann. Zugleich zeigt die Entscheidung, wie eng Betrug und Datenfälschung bei Internetgeschäften miteinander verknüpft sind und welche Verteidigungsansätze sich in entsprechenden Strafverfahren eröffnen.
Im zugrunde liegenden Fall wurden über Online-Plattformen nicht existente Gegenstände zum Verkauf angeboten sowie Waren unter Vortäuschung von Zahlungsbereitschaft angekauft. Dabei nutzten die Täter fremde eBay-Konten, um ihre Identität zu verschleiern. Der BGH nutzte diese Konstellation, um die Voraussetzungen der Datenfälschung nach § 269 StGB im digitalen Kontext zu präzisieren und die Rolle von Benutzername und Passwort als „beweiserhebliche Daten“ zu klären.
Digitale Identität, Online-Plattformen und Strafbarkeit – das Grundproblem
Handel über Plattformen wie eBay, eBay-Kleinanzeigen oder ähnliche Marktplätze beruht auf Vertrauen in die digitale Identität der Handelspartner. Der Account wirkt dabei wie eine Art „digitale Visitenkarte“, über die der Plattformbetreiber und andere Nutzer die Person hinter dem Angebot identifizieren. Wird diese Identität manipuliert, stellt sich die Frage, ob neben einem klassischen Betrug oder Computerbetrug auch eine Fälschung beweiserheblicher Daten vorliegt.
Die Strafnorm des § 269 StGB ist als „elektronisches Gegenstück“ zur Urkundenfälschung (§ 267 StGB) konzipiert. Sie schützt die Zuverlässigkeit und Beweisfunktion elektronischer Daten, die im Rechtsverkehr an die Stelle körperlicher Urkunden treten. Dazu zählen insbesondere Zugangsdaten, Logins, digitale Transaktionsbelege oder andere gespeicherte Informationen, die später als Beweis für rechtlich relevante Erklärungen dienen können.
Für Beschuldigte ist wichtig zu wissen: In Konstellationen des Online-Handels stehen häufig mehrere Delikte nebeneinander – etwa Wirtschaftsstrafrecht und allgemeines Strafrecht, Computerkriminalität und Vermögensdelikte. Eine strukturierte Strafverteidigung muss diese Überschneidungen frühzeitig erfassen.
Rechtlicher Hintergrund: Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB)
Nach § 269 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder wer solche Daten gebraucht. Beweiserheblich sind Daten, wenn sie dazu bestimmt sind, im Rechtsverkehr Beweis über rechtlich relevante Tatsachen zu erbringen – etwa über die Identität des Handelnden oder das Zustandekommen eines Kaufvertrags.
Der BGH stellt nochmals klar, dass Zugangsdaten zu Mitgliedskonten – etwa Anmeldename und Passwort eines eBay-Accounts – Daten im Sinne von § 269 StGB darstellen. Sie sind beweiserheblich, weil sie in Verbindung mit Systemdaten (Zeitstempel, IP-Adresse, Kontoinformationen) den Zugriff auf das Nutzerkonto steuern und die digitalen Erklärungen dem Account-Inhaber zugeordnet werden können. „Aussteller“ dieser Daten ist nach der Verkehrsauffassung derjenige, der das Konto eingerichtet und mit seinen persönlichen Angaben verknüpft hat.
Wissenschaftlich betrachtet knüpft der BGH damit an die Vorstellung einer Datenurkunde an: Elektronische Informationen übernehmen die Beweisfunktion einer Urkunde, obwohl sie gerade nicht körperlich verkörpert sind. Entscheidend ist ihre Rolle im Rechtsverkehr und die Möglichkeit, aus ihnen Rückschlüsse auf Identität und Inhalt einer Erklärung zu ziehen.
Keine Strafbarkeit allein durch das Einloggen mit fremden Zugangsdaten
Eine bedeutende Klarstellung des Beschlusses: Die bloße Anmeldung mit einem bestehenden fremden Nutzerkonto erfüllt § 269 StGB noch nicht. Zwar wird mit der Eingabe von Nutzername und Passwort eine Gedankenerklärung abgegeben, die den Dritten als Kontoinhaber erkennen lässt. Es fehlt aber an der für § 269 StGB erforderlichen „Unechtheit“ oder „Verfälschung“ einer (hypothetischen) Urkunde.
Eine Urkunde ist unecht, wenn sie über den Aussteller täuscht, also wenn der tatsächliche Erklärende nicht mit der Person übereinstimmt, die als Aussteller erscheint. Eine echte Urkunde ist verfälscht, wenn ihr Inhalt nachträglich so geändert wird, dass er nicht mehr von demjenigen herrührt, der als Aussteller erkennbar ist. Bei einer bloßen Anmeldung wird jedoch in der Regel keine neue, eigenständige Datenurkunde geschaffen, sondern lediglich auf ein bereits bestehendes System der Identifizierung zurückgegriffen. Der BGH grenzt dies ausdrücklich von Fällen ab, in denen ein eBay-Konto unter falschen Personalien neu angelegt wird – dort kann eine Strafbarkeit nach § 269 StGB vorliegen.
Strafbarkeit bei Verkaufsangeboten unter fremdem Namen ohne Vertretungsmacht
Anders bewertet der BGH Konstellationen, in denen der Täter über das fremde Konto ein konkretes Verkaufs- oder Kaufangebot abgibt. Erklärt eine Person auf einer Plattform wie eBay unter fremdem Namen, aber ohne entsprechende Vertretungsmacht, den Abschluss eines Vertrages, kann eine Datenfälschung nach § 269 StGB in Tateinheit mit Betrug vorliegen. Die digitale Erklärung über den Vertragspartner ist dann beweiserheblich: Sie soll belegen, wer Vertragspartner ist und zu welchen Bedingungen das Geschäft zustande kommt.
Handelt eine Person hingegen wirksam als Vertreter – etwa mit ausdrücklicher Ermächtigung des Kontoinhabers –, scheidet eine Strafbarkeit wegen § 269 StGB bereits tatbestandlich aus, weil keine Täuschung über den Aussteller der Erklärung vorliegt. Die genaue Abgrenzung zwischen wirksamer Stellvertretung, formeller Kontoberechtigung und unbefugter Nutzung ist daher ein zentraler Ansatzpunkt der Verteidigung.
Wer mit strafrechtlichen Vorwürfen wegen Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) oder Betrug im Zusammenhang mit eBay- oder anderen Online-Plattformen konfrontiert ist, sollte frühzeitig unsere Strafverteidiger und Fachanwälte für Strafrecht in Frankfurt – mit besonderer Erfahrung im Wirtschaftsstrafrecht und in komplexen Fällen der Computerkriminalität – hinzuziehen.
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Die Kernaussagen des BGH-Beschlusses 2 StR 192/23 im Überblick
- Zugangsdaten zu eBay-Konten (Nutzername/Passwort) sind Daten im Sinne von § 269 StGB und können eine Datenurkunde begründen.
- Die Daten sind beweiserheblich, weil sie im Zusammenspiel mit Systemdaten den Rückschluss auf die Person des Erklärenden und den Inhalt seiner Erklärung ermöglichen.
- Die bloße Anmeldung mit fremden Zugangsdaten erfüllt den Tatbestand des § 269 StGB grundsätzlich nicht, solange keine neue, eigenständige Beweiserklärung erzeugt wird.
- Gibt der Nutzer über das fremde Konto ein konkretes Verkaufsangebot ohne Vertretungsmacht ab, kann eine unechte Datenurkunde vorliegen – mit Strafbarkeit nach § 269 StGB neben dem Betrugstatbestand.
- Bei wirksamer Stellvertretung (Handeln mit Vertretungsmacht) liegt keine Täuschung über den Aussteller vor; die Strafbarkeit nach § 269 StGB scheidet dann aus.
Diese Leitlinien sind nicht nur für die dogmatische Auslegung des Computerstrafrechts bedeutsam, sondern auch für laufende und zukünftige Ermittlungsverfahren, in denen Plattformzugänge, IP-Daten und Kontobewegungen ausgewertet werden. Sie beeinflussen, welche Handlungen als eigenständige Straftaten verfolgt werden und welche eher im Rahmen des Grunddelikts – typischerweise Betrug – aufgehen.
Praktische Bedeutung für Beschuldigte und Kontoinhaber
Für Beschuldigte, deren Fälle eine Nutzung fremder Online-Konten betreffen, ist die genaue dogmatische Einordnung entscheidend. Eine zusätzliche Verurteilung wegen § 269 StGB kann sich auf Strafrahmen, Strafzumessung und Einziehungsentscheidungen auswirken. Hier setzt eine spezialisierte Strafverteidigung an: Sie prüft, ob tatsächlich eine unechte oder verfälschte Datenurkunde vorliegt oder ob der Vorwurf auf einer zu weiten Auslegung des Tatbestands beruht.
Auch Kontoinhaber, deren Zugangsdaten missbraucht wurden, sind häufig in das Ermittlungsverfahren eingebunden – etwa als Zeugen oder (zunächst) als Beschuldigte. Fragen zu Akteneinsicht, Beschuldigtenvernehmung und Einziehungsrisiken spielen dabei eine zentrale Rolle.
Die Kanzlei Buchert Jacob Peter begleitet Betroffene in solchen Verfahren wissenschaftlich fundiert und praxisorientiert – von der ersten Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft bis zu Hauptverhandlung und Rechtsmittel, etwa Revision. Ziel ist eine möglichst frühzeitige Klärung der Vorwürfe und eine Verteidigungsstrategie, die den spezifischen technischen und rechtlichen Besonderheiten des Computerstrafrechts Rechnung trägt.
FAQ: Fälschung beweiserheblicher Daten und eBay-Nutzerkonten
Ist die bloße Nutzung fremder eBay-Zugangsdaten bereits eine Straftat nach § 269 StGB?
Nach der Rechtsprechung des BGH reicht die reine Anmeldung mit fremden Zugangsdaten grundsätzlich nicht aus, um den Tatbestand des § 269 StGB zu erfüllen. Strafbar kann es aber werden, wenn über das fremde Konto konkrete Angebote oder Erklärungen abgegeben werden, die den Eindruck erwecken, sie stammten vom Kontoinhaber, obwohl keine Vertretungsmacht besteht. Unabhängig davon können andere Delikte – etwa Computerbetrug oder Betrug – einschlägig sein.
Welche Rolle spielt der Vorwurf des Betrugs neben § 269 StGB?
In Fällen des Handels über Online-Plattformen steht regelmäßig Betrug (§ 263 StGB) im Vordergrund, wenn Waren nicht geliefert oder Zahlungen erschlichen werden. § 269 StGB tritt häufig tateinheitlich hinzu, wenn die Manipulation der Datenurkunde – also des Accounts oder digitaler Belege – ein eigenständiges Unrecht begründet. Für die Strafzumessung kann diese Tateinheit erhebliche Bedeutung haben.
Was sollte ich tun, wenn mir Datenfälschung im Zusammenhang mit einem Online-Konto vorgeworfen wird?
Wer als Beschuldigter mit Vorwürfen der Fälschung beweiserheblicher Daten, des Betrugs oder verwandter Delikte konfrontiert wird, sollte keine unüberlegten Aussagen machen und frühzeitig spezialisierte Strafverteidiger hinzuziehen. Erst nach Einsicht in die Ermittlungsakte lässt sich seriös beurteilen, ob tatsächlich eine unechte oder verfälschte Datenurkunde vorliegt und welche Verteidigungsstrategie – etwa zur Abgrenzung von Stellvertretung und unbefugter Nutzung – im konkreten Fall sinnvoll ist.
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