Steuerhinterziehung und Glücksspielautomaten

Steuerhinterziehung und Glücksspielautomaten

Betreiber von Geldspielautomaten bewegen sich in einem steuerlich besonders sensiblen Bereich. Die Kombination aus Bargeldverkehr, digitaler Kassentechnik und mangelnder externer Kontrollmöglichkeit macht diese Branche zu einem bevorzugten Zielgebiet der Finanzverwaltung. Im Zentrum möglicher Beanstandungen stehen regelmäßig zwei Begriffe: Saldo 1 und Kurzstreifen. Beide sind zentrale Elemente der steuerlichen Dokumentation – und potenzielle Einfallstore für den Vorwurf der Steuerhinterziehung.

Was ist der Saldo 1?

Der sogenannte Saldo 1 ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Geldeinwurf und der Gewinnauszahlung eines Geldspielautomaten innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Dieser Wert bildet die Grundlage für die Ermittlung der steuerpflichtigen Umsätze – sowohl für die Ertragsteuer als auch die Umsatzsteuer. Beispiel:
  1. Geldeinwurf: 10.000 €
  2. Gewinnauszahlung: 7.000 €
  3. Saldo 1: 3.000 €
Dieser Saldo entspricht dem Rohertrag, der als Bruttoumsatz zu versteuern ist.

Was sind Kurzstreifen?

Kurzstreifen sind Ausdrucke der Zählwerke von Geldspielautomaten. Sie geben eine komprimierte Übersicht über zentrale Kenngrößen eines Abrechnungszeitraums, z. B.:
  • Einwurf und Auszahlung
  • Kassenbestand
  • Nachfüllungen und Entnahmen
Sie gelten als Buchungsbelege im Sinne des § 147 AO, ersetzen jedoch nicht die vollständige Dokumentation der Spielverläufe oder aller steuerlich relevanten Vorgänge.

Warum genügen Kurzstreifen allein nicht?

Viele Betreiber verlassen sich ausschließlich auf die Kurzstreifen. Das ist riskant:
  • Sie enthalten keine detaillierten Informationen zu Spielvorgängen, Türöffnungen oder Wartungsvorgängen.
  • Der genaue Ursprung des Saldos ist nicht nachvollziehbar.
  • Ohne ergänzende Langstreifen (Statistikstreifen) oder digitale Originaldaten ist die Buchführung nicht GoBD-konform.
Das Fehlen dieser Daten stellt einen formellen und oft auch materiellen Mangel der Buchführung dar.

Steuerhinterziehung durch mangelhafte Aufzeichnungen

Typische Anlässe für Ermittlungen:
  • Keine oder lückenhafte Speicherung der Gerätedaten
  • Nur Vorlage von Kurzstreifen, keine Langstreifen oder Sicherungsdateien
  • Abweichungen zwischen Vergnügungssteuer und dokumentierten Umsätzen
  • Hinweise auf nachträgliche Manipulation oder gefälschte Ausdrucke
Beispiel aus der Praxis: Ein Betreiber reicht über Monate hinweg Kurzstreifen mit konstantem Saldo 1 ein. Bei einer späteren Betriebsprüfung stellt sich heraus, dass die digitalen Rohdaten gelöscht und keine Langstreifen archiviert wurden. Das Finanzamt wertet dies als Verschleierung – mit der Folge von Hinzu­schätzungen und strafrechtlichen Ermittlungen.

Rechtsprechung und Verwaltungspraxis

Die Finanzgerichte – z. B. FG Niedersachsen (6 K 961/99) – und der BFH stellen klar: Langstreifen und digitale Originaldaten sind zwingend aufzubewahren. Ihr Fehlen führt in der Regel zur Annahme einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung – was die Finanzverwaltung zur Schätzung nach § 162 AO berechtigt. Manche Finanzämter interpretieren das Fehlen dieser Unterlagen sogar als Indiz für vorsätzliches Verhalten, was direkt in den Bereich der Steuerhinterziehung nach § 370 AO führt.

Pflichten der Automatenbetreiber

Zur rechtssicheren Dokumentation müssen Betreiber:
  • Kurz- und Langstreifen vollständig und chronologisch aufbewahren
  • Die digitalen Originaldaten maschinell auswertbar sichern
  • Das Verfahren zur Datensicherung und -auslese dokumentieren
  • Die Daten für mindestens 10 Jahre revisionssicher archivieren
  • Unveränderte Rohdaten bereitstellen – keine nachträgliche Bearbeitung

Typische Ursachen für den Vorwurf der Steuerhinterziehung

1. Unvollständige oder fehlerhafte Buchführung

Spielgeräte erzeugen täglich tausende Einzeltransaktionen. Nach § 146 AO gelten diese als eigenständige Geschäftsvorfälle und sind entsprechend zu dokumentieren. Bei Abweichungen zwischen Kurzstreifen, Langstreifen und eingereichten Steuererklärungen liegt formell fehlerhafte Buchführung vor.

2. Löschung oder Nichtvorlage digitaler Daten

Das gezielte Löschen von Gerätedaten ohne vorherige Sicherung wird von Finanzbehörden regelmäßig als manipulativer Eingriff gewertet – und kann strafrechtlich relevant sein.

Rechtliche Grundlage für Schätzungen: § 162 AO

Fehlt eine ordnungsgemäße Buchführung, ist die Finanzverwaltung zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt. Voraussetzung:
  • Mängel in der Buchführung oder keine plausiblen Erklärungen
  • Daten sind nicht prüfbar oder nicht vorhanden
Die Schätzung muss dabei realitätsnah und nachvollziehbar erfolgen – Willkür ist unzulässig, aber pauschale Erfahrungswerte dürfen verwendet werden.

Schätzungsmethoden bei Geldspielautomaten

1. Vergleich mit Richtsätzen

  • Verwendung der amtlichen Richtsatzsammlung für Spielstätten
  • Basis: Durchschnittswerte pro Gerät/Monat
  • Gefahr: Individuelle Abweichungen (z. B. Standort, Gästezahl) bleiben unberücksichtigt

2. Rückrechnung aus der Vergnügungssteuer

  • Saldo 2 (Grundlage für die Vergnügungssteuer) wird als Ausgangspunkt genommen
  • Rückrechnung auf Saldo 1 anhand von Erfahrungswerten

3. Vergleichsbetriebe

  • Vergleich mit anderen Aufstellunternehmen ähnlicher Größe und Lage

4. Plausibilitätsprüfung

  • Analyse von Türöffnungen, Nachfüllungen, Entnahmen
  • Auffällige Regelmäßigkeiten (z. B. identischer Monatsumsatz) führen zu Misstrauen

Steuerliche und strafrechtliche Konsequenzen

1. Finanzielle Auswirkungen

  • Nachzahlungen bei ESt/KSt, GewSt und USt
  • Zinsen gem. § 233a AO
  • Hinterziehungszuschläge (§ 370a AO) und ggf. Verspätungszuschläge

2. Strafrechtliche Folgen

  • Vorsätzliche Steuerhinterziehung (§ 370 AO)
  • Strafmaß: Geldstrafe bis Freiheitsstrafe (i.d.R. bis zu 5 Jahren, in schweren Fällen bis zu 10 Jahren)

3. Persönliche Haftung

Auch Geschäftsführer, Mitgesellschafter oder Gastwirte (z. B. bei Umsatzbeteiligung) können zur Verantwortung gezogen werden.

Verteidigungsmöglichkeiten in der Praxis

1. Dokumentation optimieren

  • Verfahrensdokumentation gemäß GoBD
  • Vollständige Sicherung aller Auslesedaten
  • Testausdrucke und Abgleich mit Steuererklärungen

2. Plausibilitätsargumente vortragen

  • Umsatzrückgänge nachvollziehbar erklären (z. B. Corona, Standortwechsel)
  • Vergleich mit Vorjahren oder ähnlichen Betrieben

3. Steuerstrafrechtliche Abwehr

  • Frühzeitige Einschaltung eines Verteidigers
  • Selbstanzeige nach § 371 AO bei noch nicht aufgedeckter Hinterziehung
 

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