Fluchtgefahr

Der Haftgrund der Fluchtgefahr

Der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO liegt vor, wenn die Würdigung der Umstände im Einzelfall darauf hindeutet, dass mit höherer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren entziehen, als dass er am Verfahren teilnehmen wird. Diese Gefahr muss sich aus bestimmten Tatsachen ableiten lassen, auch wenn dies nicht zwingend notwendig ist.

Äußere Bedingungen und Fluchtverdacht

Der Fluchtverdacht kann nicht allein auf der Basis günstiger äußerer Bedingungen für eine Flucht bejaht werden. Entscheidend ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte tatsächlich von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen wird. Die Beurteilung muss im Kontext des relevanten Verfahrens erfolgen, sodass es unerheblich ist, wenn der Beschuldigte in anderen Angelegenheiten in Strafhaft ist. Weitere laufende Ermittlungsverfahren können jedoch zur Annahme einer Fluchtgefahr beitragen.

Einfluss der Straferwartung

Die zu erwartenden Rechtsfolgen im Strafverfahren sind entscheidend bei der Prüfung der Fluchtgefahr. Eine hohe Straferwartung allein reicht nicht aus, um die Fluchtgefahr zu begründen; es ist eine Gesamtabwägung der Umstände erforderlich. Diese Abwägung macht besonders deutlich, dass die Aussicht auf eine hohe Strafe in Verbindung mit weiteren Umständen ein signifikantes Fluchtrisiko darstellen kann.

Zusätzliche Faktoren der Fluchtgefahr

Die Anforderungen an zusätzliche Faktoren zur Begründung einer Fluchtgefahr sind niedriger, je höher die erwartete Strafe ist. Besonders in Fällen, in denen eine hohe Freiheitsstrafe droht, kann eine indizierte Fluchtgefahr von Interesse sein.

Finanzielle und persönliche Bindungen

Es ist auch zu berücksichtigen, dass drohende finanzielle Konsequenzen die Fluchtgefahr erhöhen können, selbst wenn familiäre Bindungen und die soziale Verwurzelung eines Beschuldigten zunächst gegen eine Flucht sprechen. Hierbei ist besondere Sorgfalt erforderlich, insbesondere bei Beschuldigten, die bereits bei vorherigen Gerichtsterminen zuverlässig erschienen sind, während sie gleichzeitig wissen, dass eine höhere, nicht mehr aussetzungsfähige Freiheitsstrafe angestrebt wird.

Feststellung eines Wohnsitzes

Der Umstand, dass ein Beschuldigter keinen festen Wohnsitz im Inland hat, gilt als starkes Indiz für Fluchtgefahr. Dieser Umstand ist relevant, wird jedoch differenziert betrachtet, wenn der Beschuldigte im grenznahen Ausland wohnt und regelmäßig zur Arbeit nach Deutschland pendelt.

Wechsel des Wohnsitzes

Ein weiteres Indiz für Fluchtgefahr ist, wenn der Beschuldigte häufig ohne polizeiliche Ummeldung die Wohnung wechselt. Es reicht jedoch nicht aus, dass der Beschuldigte über einen festen Wohnsitz verfügt, um Fluchtgefahr auszuschließen.

Bedeutung von Informationen über Ermittlungen

Hat der Beschuldigte seit längerer Zeit Kenntnis über ein gegen ihn geführtes Ermittlungsverfahren, das ihm eine Durchsuchung einbrachte, führt dies nicht automatisch zu Fluchtbemühungen.

Besondere Überlegungen bei Wohnsitz im EU-Ausland

Kriterien bei der Beurteilung der Fluchtgefahr sind auch, ob der Beschuldigte über einen festen Wohnsitz im EU-Ausland verfügt. Auch Familienverhältnisse, etwa eine Verlobte und ein Kind, sind mögliche Faktoren. Haben solche soziale Bindungen den Beschuldigten nicht davon abgehalten, die ihm vorgeworfene Straftat zu begehen, kann dies die Beurteilung zur Fluchtgefahr beeinflussen.

Fluchtgefahr bei Ausländern und Auslandskontakten

Die Tatsache, dass ein Angeklagter ein ausländischer Staatsangehöriger ist und sich in der Vergangenheit in seinem Heimatland aufgehalten hat, reicht nicht aus, um Fluchtgefahr zu begründen. Selbst einem Ausländer mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands kann nicht automatisch Fluchtgefahr zugesprochen werden, selbst wenn eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr droht. Fluchtgefahr könnte jedoch dann vorliegen, wenn eine Gesamtfreiheitsstrafe nicht im unteren Bereich des Strafrahmens zu erwarten ist und der Beschuldigte ledig, arbeitslos und ohne feste Bindungen ist.

Fluchtgefahr und hohe Strafe/Straferwartung

Die Erwartung einer hohen Strafe an sich kann nicht Fluchtgefahr begründen. Vielmehr ist auch hier eine individuelle Gesamtabwägung aller Umstände erforderlich. Diese Abwägung wird besonders relevant, wenn sich ein Beschuldigter, der über die Möglichkeit einer nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafe informiert ist, dem Verfahren stellt und regelmäßig zu den Hauptverhandlungsterminen erscheint.

Bindungen als Gegenargument zur Fluchtgefahr

In Fällen, in denen ein hohes Fluchtanreizsystem gegeben ist, müssen greifbare Bindungen bestehen, die eine Flucht unwahrscheinlich machen. Deren Fehlen, zum Beispiel in einer Situation, in der der Beschuldigte und seine Familie bereits eine distanzierte Beziehung pflegen, spricht eher gegen die Annahme der Fluchtgefahr.

BGH zur Fluchtgefahr

In einem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass die hypothetische Erwartung einer Verurteilung und einer daraus resultierenden Inhaftierung von gut zwei Jahren als Fluchtanreiz angesehen werden kann.

Fluchtanreiz und strafrechtliche Vorwürfe

Ein klarer Fluchtanreiz entsteht besonders dann, wenn dem Beschuldigten mehrere gravierende Straftaten zur Last gelegt werden, wie das Handeltreiben mit erheblichen Mengen an Betäubungsmitteln. Bei der Prüfung der Fluchtgefahr muss auch berücksichtigt werden, ob Umstände gegen die Fluchtgefahr sprechen.

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