Auslieferungsverfahren – Extradition

Auslieferung nach deutschem Recht (IRG) – Grundlagen, Ablauf, Hindernisse & Besonderheiten | Strafverteidigung in Frankfurt & bundesweit

Auslieferung bedeutet die Überstellung einer Person an einen anderen Staat oder an einen internationalen Gerichtshof zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung. In Deutschland richtet sich das Verfahren maßgeblich nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sowie einschlägigen Abkommen. Wir von Buchert Jacob Peter vertreten Betroffene bundesweit – von der Festnahme über die Auslieferungshaft bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG). Dieser Beitrag erklärt verständlich die Grundlagen, den Ablauf, typische Hindernisse und Besonderheiten – stets mit Fokus auf die Strafverteidigung im Einzelfall sowie die Möglichkeiten, das Verfahren zu steuern.

Internationaler Rahmen: EuAlÜbk, Europäischer Haftbefehl & bilaterale Verträge

Europäisches Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk)

Das EuAlÜbk (Europarat, 1957) ist die Basis vieler klassischen Auslieferungen in Europa. Es regelt u. a. Durchlieferung und Herausgabe von Gegenständen und verlangt in der Regel die beiderseitige Strafbarkeit sowie bestimmte Mindeststrafmaße. Wichtig für Betroffene: Das OLG prüft nicht die volle Schuldfrage, sondern die formelle und materielle Auslieferungsfähigkeit des Tatvorwurfs. Näheres zur Struktur lesen Sie im Überblick zum Auslieferungsverfahren (Extradition).

Europäischer Haftbefehl (EHB)

Innerhalb der EU ist der Europäische Haftbefehl das zentrale Instrument: ein vereinfachtes, fristgebundenes Übergabeverfahren zwischen Justizbehörden. Für bestimmte Katalogtaten entfällt die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit; der Spezialitätsgrundsatz bleibt grundsätzlich bestehen. Auch hier gilt: Über die Zulässigkeit entscheidet das OLG – mit erhöhtem Tempo und engeren Fristen. Betroffene werden oft früh mit Haftbefehlen, Beschwerden und Übergabefristen konfrontiert; Verteidigung bedeutet, diese Fristen kontrolliert zu nutzen.

Bilaterale Abkommen

Neben EU-Instrumenten bestehen bilaterale Verträge (u. a. mit Schweiz, USA, Kanada, Australien). Je nach Vertragslage weichen Voraussetzungen, Hindernisse und Unterlagenerfordernisse ab. Für die Verteidigung entscheidend ist die passgenaue Einordnung des Einzelfalls – und die gezielte Nutzung vertraglicher Schutzklauseln.

IRG – Anwendungsbereich & Rangordnung

Das IRG bildet den Ausgangspunkt für eingehende und ausgehende Rechtshilfe. Es unterscheidet prozedural zwischen EU-Mitgliedstaaten (einschließlich Island/Norwegen) und sonstigen Staaten. Abkommen genießen Vorrang, soweit sie unmittelbar gelten; andernfalls füllt das IRG Lücken. Für Betroffene heißt das: Die konkrete Normkaskade entscheidet. Schon früh prüfen wir, ob Vorschriften des IRG oder vertragliche Bestimmungen günstiger sind – und wo Rechtsmittel greifen.

Rechtshilfevoraussetzungen & Auslieferungshindernisse – was gerichtlich zählt

  • Staatsbezogene Kriterien: Im vertraglosen Verkehr ist Gegenseitigkeit zentral. Klassische Ausnahmen betreffen politische, militärische oder fiskalische Delikte; die Reichweite variiert je Instrument.
  • Individualschutz (Grund- & Menschenrechte): Keine Auslieferung bei drohender Todesstrafe, politischer Verfolgung, unzumutbaren Haftbedingungen oder Abwesenheitsurteilen ohne rechtsstaatliche Garantien (ordre public, EU-Grundrechte). Haftbedingungen prüfen wir im Detail.
  • Doppelcharakter-Voraussetzungen: Beiderseitige Strafbarkeit (mit EHB-Ausnahmen), ausreichendes Strafmaß, ne bis in idem, Verjährung, Spezialitätsgrundsatz. Für deutsche Staatsangehörige gelten im EU-Kontext Sonderregeln; außerhalb der EU kann die Staatsangehörigkeit ein Hindernis sein.
  • Spezialität & Zusagen: Verfolgung nur wegen der bewilligten Tat. Zusagen des ersuchenden Staates müssen tragfähig sein – andernfalls drohen Souveränitäts- und Vollstreckungsrisiken.

Ablauf des Auslieferungsverfahrens – zweistufig bis zur Übergabe

Schritt 1: Gerichtliches Zulässigkeitsverfahren (OLG)

Zuständig ist das Oberlandesgericht. Es prüft die formellen und materiellen Voraussetzungen: liegt eine auslieferungsfähige Straftat vor, sind die Unterlagen vollständig, bestehen Hindernisse? Eine volle Tatprüfung findet nicht statt; bei Missbrauchsverdacht oder drohenden rechtsstaatswidrigen Verfahren sieht das OLG genau hin. Betroffene haben Akteneinsicht und rechtliches Gehör. Wir strukturieren die Einwendungen und belegen Auslieferungshindernisse – bis hin zu Anträgen auf Ablehnung.

Schritt 2: Bewilligungsverfahren (Bundesamt für Justiz)

Ist die Auslieferung zulässig, schließt sich die Bewilligungsentscheidung an – regelmäßig durch das Bundesamt für Justiz. Grundsatz: Bewilligung, es sei denn, Bewilligungshindernisse stehen entgegen. Die gerichtliche Kontrolle ist hier eingeschränkt; Verteidigung bedeutet, Zulässigkeits- und Bewilligungsebene früh zusammenzudenken und perspektivisch auch Rechtsmittel zu sichern.

Vorläufige Festnahme & Auslieferungshaft – was unmittelbar passiert

Nach internationalem Haftbefehl folgt die sofortige Vorführung vor das nächste Amtsgericht. Es belehrt über Rechte, prüft keine Schuldfragen und sichert den Status bis zur OLG-Entscheidung. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt regelmäßig vorläufige Auslieferungshaft. Nach OLG-Zulässigkeit kann förmliche Auslieferungshaft angeordnet werden; die Übergabe koordiniert die Staatsanwaltschaft. Gegen Entscheidungen sind Beschwerden möglich. Taktisch wichtig: früh die Aktenlage kennen, Haftalternativen belegen, Spezialität sichern.

Kerndetails nach EuAlÜbk – Unterlagen & Maßstäbe

Erforderlich ist ein schriftliches Ersuchen samt Urschrift/beglaubigter Abschrift eines Urteils, Haftbefehls oder gleichwertiger Urkunde; eine bloße Anklageschrift genügt nicht. Die Tatdarstellung (Ort, Zeit, rechtliche Würdigung) muss eine Subsumtion nach deutschem Recht ermöglichen. Materiell gilt: beiderseitige Strafbarkeit (abweichende Tatbezeichnungen unschädlich), Mindesthöchststrafen, kein eigener Tatverdachtstest als Regelfall – Ausnahmen bei Grundrechtsgefahren. Hindernisse betreffen u. a. politische/fiskalische Delikte, ne bis in idem, Verjährung, Todesstrafe, unzumutbare Strafen oder Abwesenheitsurteile ohne Garantien.

Besonderheiten des Europäischen Haftbefehls (EHB)

Der EHB arbeitet mit einem EU-Formblatt, strengen Fristen und reduzierten Prüfungen. Bei Katalogtaten (Höchstmaß ≥ 3 Jahre) entfällt die beiderseitige Strafbarkeit. Deutsche Staatsangehörige können grundsätzlich ausgeliefert werden, bedürfen jedoch einer Rücküberstellungsgarantie und einer besonders gründlichen Zulässigkeitskontrolle. Zwingende Versagungsgründe (u. a. ne bis in idem, fehlende Schuldfähigkeit, lebenslange Strafe ohne Überprüfungsperspektive, Verjährung, Abwesenheitsurteil ohne Garantien) sind zu beachten. Wir behalten – je nach Verfahren – auch die Wirtschaftsstrafkammer und spätere Rechtsmittel im Blick.

Vereinfachte Auslieferung & Verzicht auf Spezialität

Die vereinfachte Auslieferung beschleunigt das Verfahren, wenn ein Auslieferungshaftbefehl vorliegt und der Verfolgte nach Belehrung einwilligt. Dann genügt eine summarische Prüfung; in EU-Fällen entfällt teils die gerichtliche Bewilligungsprüfung. Vorsicht: Der Verzicht ist unwiderruflich und kann die Spezialität betreffen. Eine Zustimmung ist niemals ein Einverständnis mit unmenschlichen Haftbedingungen. Wir prüfen, ob Einwilligung, Beschwerde oder strikte Verteidigung im Regelfahren die bessere Option ist.

Recht auf Rechtsbeistand – warum frühe Verteidigung entscheidend ist

Aufgrund der Komplexität ist notwendige Verteidigung häufig angezeigt. Spätestens mit Antrag nach § 29 IRG und erst recht zur mündlichen OLG-Verhandlung sollte spezialisierte anwaltliche Vertretung bestehen. Wir koordinieren die Kommunikation mit Staatsanwaltschaft, strukturieren Unterlagen, sichern Garantien (z. B. Haftbedingungen, Rücküberstellung), nutzen Rechtsmittel und bereiten – wo nötig – die Hauptverhandlung im Zielstaat antizipierend vor.

Verteidigungsstrategie – Bausteine aus der Praxis

  • Dokumenten-Check: Vollständigkeit/Qualität der Unterlagen, konkrete Tatdarstellung, Spezialität, Garantien; Abgleich mit Ermittlungsakte.
  • Hindernisse belegen: Menschenrechte, Verjährung, ne bis in idem, Staatsangehörigkeit; Darstellung unzumutbarer Haftbedingungen.
  • Haftalternativen: Meldeauflagen, Kaution, Passabgabe – Haft vermeiden oder verkürzen; Angriff auf Haftbefehl.
  • Taktik im Zeitregime: Fristenkontrolle im EHB, gezielte Anträge; ggf. Beschwerden zur Korrektur.
  • Nach der Übergabe denken: Auswirkungen auf Urteil, Rechtskraft und mögliche Wiederaufnahme im Zielstaat.

FAQ – Auslieferung nach IRG: Kurz & klar

Was ist der Unterschied zwischen Zulässigkeit und Bewilligung?

Das OLG entscheidet über die Zulässigkeit (Rechtmäßigkeit) der Auslieferung. Die Bewilligung ist eine nachgelagerte, teilweise politische Entscheidung – regelmäßig durch das Bundesamt für Justiz.

Welche Unterlagen verlangt das EuAlÜbk?

Ein schriftliches Ersuchen plus Urteil/Haftbefehl (Original/beglaubigt) und eine konkrete Tatdarstellung (Ort, Zeit, Würdigung), sodass die Subsumtion nach deutschem Recht möglich ist.

Gilt immer beiderseitige Strafbarkeit?

Im EuAlÜbk grundsätzlich ja. Beim EHB entfällt die Prüfung für Katalogtaten. Der Spezialitätsgrundsatz gilt fort – Abweichungen nur mit Garantien.

Wann ist Auslieferung unzulässig?

Bei Todesstrafe, politischer Verfolgung, unzumutbaren Haftbedingungen, ne bis in idem, Verjährung, fehlender Mindeststrafe oder Verstoß gegen Spezialität/ordre public. Wir prüfen und belegen diese Hindernisse.

Dürfen deutsche Staatsangehörige ausgeliefert werden?

In der EU: ja, unter strengen Voraussetzungen (z. B. Rücküberstellungsgarantie). Außerhalb der EU ist die Staatsangehörigkeit oft ein Hindernis – Einzelfallprüfung.

Was bedeutet „vereinfachte Auslieferung“?

Beschleunigtes Verfahren, wenn der Verfolgte nach richterlicher Belehrung einwilligt. Vorsicht: Einwilligung ist unwiderruflich; Spezialitätsverzicht möglich.

Wie kann ich mich in der Auslieferungshaft verhalten?

Bewahren Sie Ruhe, sprechen Sie zunächst nicht zur Sache. Kontaktieren Sie umgehend Verteidiger. Wir prüfen Haftalternativen, legen Beschwerde ein und strukturieren die Argumentation.

Call-to-Action: Diskret sprechen, zielgerichtet handeln

Sie sind von einer Auslieferung betroffen oder erwarten einen europäischen Haftbefehl? Wir sichern Rechte, prüfen Hindernisse und steuern Fristen – in Frankfurt und bundesweit. Aktuelle Hinweise veröffentlichen wir unter Aktuelles und vertiefende Begriffe im Rechtslexikon.

Kontaktieren Sie uns – Ihre Fachanwälte und Anwälte für Strafrecht in Frankfurt am Main und bundesweit

Rechtsanwalt Frank M. Peter, Fachanwalt für Strafrecht
Rechtsanwältin Dr. Caroline Jacob, Fachanwältin für Strafrecht
Als Of Counsel: Prof. Dr. Frank Peter Schuster
Als Kooperationspartner: Steuerberater und ehemaliger Steuerfahnder Frank Wehrheim

Unsere Rechtsanwaltskanzlei Buchert Jacob Peter arbeitet seit über 25 Jahren in Frankfurt am Main mit erfahrenen Anwälten in der Strafverteidigung. Wir vertreten unsere Mandantschaft bundesweit.

Telefon: 069 710 33 330 · E-Mail: kanzlei@dr-buchert.de

Mehr dazu: Steuerstrafrecht, Strafverteidigung, Wirtschaftsstrafrecht, Anwälte

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