BFH-Urteil zu Cum-Cum-Gestaltung: Wirtschaftliches Eigentum beim Sicherungsnehmer

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Urteil vom 13.11.2024 (Az. I R 3/21) zu einer Cum-Cum-Gestaltung entschieden, dass Aktien, die zur Sicherheit übertragen werden, dem Sicherungsnehmer zuzurechnen sind – wenn er über wesentliche Rechte wie Veräußerung und Stimmrecht verfügt. Entscheidend sei die rechtliche Möglichkeit der Ausübung dieser Rechte, nicht die tatsächliche Ausübung oder subjektive Absicht.


Sachverhalt: Aktien als Sicherheit für Wertpapierdarlehen

Im konkreten Fall hatte eine AG (A) britische Aktien zur Sicherung von Wertpapiergeschäften erhalten. Diese wurden vor dem Dividendenstichtag von der Bank (B) auf A übertragen. A vereinnahmte die Dividenden und leistete zeitgleich eine Kompensationszahlung an B, wodurch die Dividenden faktisch weitergeleitet wurden. A erkannte 95 % der Dividenden als steuerfrei nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG an und machte die Kompensationszahlungen in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend.

Das Finanzamt erkannte die Gestaltung nicht an und erhöhte das zu versteuernde Einkommen entsprechend. Während die Vorinstanz die Klage abwies, hatte A vor dem BFH Erfolg.


Zurechnung nach § 39 AO: BFH erkennt wirtschaftliches Eigentum bei A

Der BFH stellte klar: A war wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien, weil ihr die wesentlichen Rechte zustanden:

  • Veräußerungsbefugnis: A durfte die Aktien jederzeit verkaufen.
  • Stimmrecht: Rechtlich bestand die Möglichkeit zur Ausübung der Stimmrechte.

Die faktische Nichtausübung dieser Rechte sei irrelevant. Entscheidend sei allein, ob A diese Rechte rechtlich zustehen und ausüben konnte.


Kein typisches Sicherungseigentum – wirtschaftliches Eigentum bei A

Obwohl die Aktien „zur Sicherheit“ übertragen wurden, sah der BFH kein typisches Sicherungseigentum. A durfte über die Aktien frei verfügen – selbst ohne Eintritt eines Sicherungsfalls. Die Gestaltung ähnele einem Wertpapierdarlehen mit vollständiger Übertragung von Kursrisiken und -chancen sowie Verwaltungsrechten.


Gewinnbezugsrecht blieb bei B – dennoch wirtschaftliches Eigentum bei A?

Ein wesentlicher Punkt war, dass die Dividenden wirtschaftlich vollständig bei B verblieben. Dennoch urteilte der BFH, dass die Stellung als wirtschaftliche Eigentümerin nicht allein am Gewinnbezugsrecht hängt. Vielmehr seien Veräußerung und Stimmrecht vorrangige Indikatoren.


Streitpunkt: Stimmrecht und Record-Date-Prinzip

Der BFH bewertete das Stimmrecht nach zivilrechtlichem Inhaberstatus. Kritisch ist jedoch, dass laut § 123 AktG für deutsche Aktiengesellschaften seit 2005 das Record-Date-Prinzip gilt. Danach zählen für die Teilnahme an Hauptversammlungen und zur Ausübung des Stimmrechts nur diejenigen Aktionäre, die am festgelegten Nachweisstichtag im Aktienregister stehen. Bei den britischen Aktien im Streitfall ist unklar, ob A überhaupt jemals stimmberechtigt war, da die Haltedauer extrem kurz war.


Cum-Cum-Gestaltung als möglicher Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO)

Der BFH verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, um zu prüfen, ob außersteuerliche Gründe für die Sicherheitenstellung vorlagen. Fehlen solche Gründe (z. B. aufsichtsrechtliche Erfordernisse), liegt ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor. Dies bleibt entscheidend für die steuerliche Anerkennung.


BFH setzt neue Schwerpunkte für wirtschaftliches Eigentum

Anders als in früheren Urteilen (z. B. BFH I R 22/20), in denen das Gewinnbezugsrecht (Dividendenrecht) als zentrales Indiz für wirtschaftliches Eigentum galt, verschiebt der BFH die Gewichtung:

  • Veräußerungsrecht und Stimmrecht gelten nun als „wesentliche Rechte“.
  • Das Gewinnbezugsrecht wird relativiert, obwohl es im Kontext von Cum-Cum-Gestaltungen besonders relevant wäre.

BFH schafft neue Klarheit – aber auch neue Unsicherheit

Der BFH bringt mit dieser Entscheidung mehr Klarheit für die steuerliche Beurteilung von Cum-Cum-Gestaltungen – vor allem hinsichtlich des wirtschaftlichen Eigentums. Zugleich entstehen neue Unsicherheiten: etwa durch die veränderte Gewichtung der Rechte, das Ignorieren des Record-Date-Prinzips und die schwache Berücksichtigung tatsächlicher ökonomischer Risiken.

Für steuerliche und steuerstrafrechtliche Bewertungen von Cum-Cum-Modellen bleibt das Urteil ein zentraler Bezugspunkt.

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