BGH, Urt. v. 27.11.2024 (1 StR 473/23) – Einziehung von Arbeitslohn & Sperrwirkung für Geldstrafe neben Freiheitsstrafe
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 27. November 2024 (1 StR 473/23) zwei praxisrelevante Leitlinien zur Vermögensabschöpfung und zur Kumulation von Freiheits- und Geldstrafe geschärft: (1) Beim „Erlangten“ im Sinne des § 73 StGB ist Arbeitslohn einschließlich einbehaltener Lohnsteuer (Brutto) grundsätzlich einziehungsfähig. (2) Die Einziehung des Tatertrags steht der Anordnung einer Geldstrafe nach § 41 StGB neben einer Freiheitsstrafe regelmäßig entgegen („Sperrwirkung“). Hintergrund war u.a. ein Cum/Ex-Komplex, in dem Bonuszahlungen als Tatlohn bewertet wurden. Das Urteil hat unmittelbare Bedeutung für Verteidigung, Unternehmen und Compliance – insbesondere in Verfahren wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und Wirtschaftsstrafrecht.
Problem: Was gilt als „erlangt“ – und wann sperrt die Einziehung die Geldstrafe?
Der BGH knüpft an seine Linie zur Einziehung des Wertes von Taterträgen an: Boni, die „für die Tat“ gewährt werden, sind Taterträge und unterfallen der Einziehung. Entscheidend ist der synallagmatische Zusammenhang zwischen rechtswidriger Handlung und Entgelt. Für die Praxis besonders bedeutsam: Bruttolohn ist maßgeblich – der Arbeitgeberabzug von Lohnsteuer mindert den Wert des Erlangten nicht. Das Steuerrecht kennt den Zufluss bereits mit der wirtschaftlichen Verfügungsmacht; der steuerliche Abzug erfolgt „für Rechnung“ des Arbeitnehmers und steht einer Einziehung des Bruttobetrags nicht entgegen. Härten werden – so der BGH – im Steuer- und Vollstreckungsrecht kompensiert.
Parallel präzisiert der Senat die Sperrwirkung gegenüber § 41 StGB: Wird der Tatertrag nach §§ 73 ff. StGB abgeschöpft, ist für eine zusätzliche Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe regelmäßig kein Raum. Das Gericht fordert, kumulative Sanktionen nur ausnahmsweise und tragfähig begründet zu verhängen. Damit stärkt der BGH die Systemtrennung zwischen Strafe und Abschöpfung, vermeidet Doppelbelastungen und erhöht die Anforderungen an die Strafzumessung.
Lösung des BGH: Bruttoeinziehung & strenge Maßstäbe für § 41 StGB
Der BGH stellt klar: Einbehaltene Lohnsteuer ist keine abzugsfähige „Aufwendung für das Erlangte“ (§ 73d Abs. 1 S. 2 StGB). Die Einziehung erfasst daher den Bruttobetrag des Arbeitslohns bzw. der Boni. Steuerliche Doppelbelastungen sind im Wege der sog. steuerrechtlichen Lösung abzufedern (u.a. Anrechnung, Werbungskostenabzug, Verlustvor-/-rücktrag). Für § 41 StGB gilt: Die kumulative Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe bedarf einer besonderen, am Einzelfall ausgerichteten Begründung; die bloße Vermögensbelastung durch Einziehung ist zu berücksichtigen. In der Konsequenz können unzureichend begründete Geldstrafen neben Freiheitsstrafen aufgehoben werden – mit Wirkung auf den gesamten Strafverfahrens- und Revisionsverlauf.
Auswirkungen für Unternehmen, Führungskräfte und Verteidigung
- Compliance & Bonusmodelle: Variable Vergütungen mit Tatbezug können voll als Tatertrag eingezogen werden – Wirtschaftsstrafrecht & HR sollten Kriterien und Clawback-Regeln prüfen.
- Steuer- & Verteidigungsstrategie: Einziehungsrisiken frühzeitig mit Finanzamt-/Steuerstrafrecht und Steuerfahndung denken; Steuerstrafrecht einbinden.
- Prozessökonomie: Bei angeordneter Einziehung kritisch prüfen, ob eine zusätzliche Geldstrafe nach § 41 StGB tragfähig begründet ist.
- Dokumentation & Beweislage: Bonusvereinbarungen, Zielkriterien, Kommunikationsketten (z.B. Cum/Ex) forensisch sichern; frühzeitig Akteneinsicht beantragen.
- Rechtsmittel: Fehlerhafte Abzüge/Begründungen konsequent über Rechtsbehelfe und Revision angreifen.
Vorgehen in der Praxis: Schritt für Schritt zur optimalen Position
1. Frühwarnsystem etablieren: Interne Ermittlungen und Compliance-Strukturen so ausrichten, dass mögliche Taterträge (z.B. Bonusanteile) identifizierbar und trennbar dokumentiert sind. Bei drohender Einziehung sofortige Abstimmung zwischen Strafverteidigung, Steuer- und Finanzabteilung.
2. Einziehungsrisiken bewerten: Prüfen, ob Zahlungen „für die Tat“ gewährt wurden, ob Einziehung Bruttobeträge betrifft und welche steuerlichen Kompensationsmöglichkeiten bestehen. Parallel Vermögensarreste und Liquidität planen.
3. Strafzumessung strategisch begleiten: Wird die Einziehung angeordnet, die Begründung einer zusätzlichen Geldstrafe nach § 41 StGB kritisch prüfen. Unzureichende Begründungen eröffnen Angriffspunkte im Revisionsverfahren.
4. Kommunikation steuern: Einheitliche Linie gegenüber Staatsanwaltschaft und Behörden; keine vorschnellen Einlassungen ohne Beratung. In komplexen Konstellationen (z.B. Cum/Ex) ist die frühe Koordination entscheidend.
Ihr Vorteil mit Buchert Jacob Peter – spezialisiert, diskret, bundesweit
Als Kanzlei Buchert Jacob Peter begleiten wir Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter in komplexen Wirtschaftsstraf– und Steuerstrafverfahren von Beginn an – von der Risikoanalyse über die Verteidigungsstrategie bis zur Prozessführung. Wir bewerten die Einziehungs- und Strafzumessungsrisiken, verhandeln mit Behörden und sichern Ihre Position im Strafverfahren – effizient, vertraulich und mit klarem Fokus auf Ihr Ergebnis.
Call-to-Action
Stehen Einziehung, Vermögensarrest oder eine Geldstrafe nach § 41 StGB im Raum? Sprechen Sie frühzeitig mit unserer Strafverteidigung. Wir reagieren kurzfristig, strukturieren Ihre Verteidigung und vertreten Sie bundesweit.
Kurzes FAQ
Wird Arbeitslohn brutto oder netto eingezogen?
Nach dem BGH ist Bruttolohn maßgeblich; der Arbeitgeberabzug von Lohnsteuer mindert das „Erlangte“ nicht.
Sperrt die Einziehung eine zusätzliche Geldstrafe?
Regelmäßig ja: Neben der Einziehung bleibt für eine Geldstrafe nach § 41 StGB meist kein Raum – Ausnahmen bedürfen besonderer Begründung.
Was kann ich sofort tun?
Einziehungsrisiken und Rechtsmittel prüfen, Akteneinsicht beantragen, Verteidigungsstrategie mit Blick auf Revision vorbereiten.
Kontaktieren Sie uns – Ihre Fachanwälte und Anwälte für Strafrecht in Frankfurt am Main und bundesweit
- Rechtsanwalt Frank M. Peter, Fachanwalt für Strafrecht
- Rechtsanwältin Dr. Caroline Jacob, Fachanwältin für Strafrecht
- Als Of Counsel: Prof. Dr. Frank Peter Schuster
- Als Kooperationspartner: Steuerberater und ehemaliger Steuerfahnder Frank Wehrheim
Unsere Rechtsanwaltskanzlei Buchert Jacob Peter arbeitet seit über 25 Jahren in Frankfurt am Main mit erfahrenen Anwälten in der Strafverteidigung. Wir vertreten unsere Mandantschaft bundesweit.
Telefon: 069 710 33 330 · E-Mail: kanzlei@dr-buchert.de
Mehr dazu: Steuerstrafrecht, Strafverteidigung, Wirtschaftsstrafrecht, Anwälte
Benötigen Sie eine Rechtsberatung?
                        Wir beraten und vertreten Privatpersonen und Unternehmen in Ermittlungsverfahren und Strafverfahren bundesweit und vor allen Gerichten. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung und unserer Kompetenz in Sachen Strafverteidigung.
                    
