BFH, Beschl. v. 23.4.2025 (I B 51/22) – Verwertungsverbot für von der Staatsanwaltschaft sichergestellte Festplatte im Besteuerungsverfahren (§ 393 AO/§ 110 StPO)
Der Bundesfinanzhof setzt mit seinem Beschluss vom 23. April 2025 ein deutliches Zeichen für den Datenschutz im Ermittlungsverfahren und die Grenzen behördlichen Datenzugriffs: Erkenntnisse (hier: E-Mail-Verkehr) aus einer von der Staatsanwaltschaft sichergestellten Festplatte unterliegen im Besteuerungsverfahren einem qualifizierten Verwertungsverbot, wenn das Speichermedium ohne vorherige Durchsicht nach § 110 StPO ungefiltert an den Außenprüfer überlassen wurde. Für Unternehmen, Organe und Berater in Steuerstraf– und Wirtschaftsstrafverfahren ist die Entscheidung hochrelevant – sie präzisiert die Spielräume der Finanzverwaltung und stärkt die informationelle Selbstbestimmung.
Problem: Daten aus Strafverfahren im Steuerverfahren – wo endet die Nutzung?
Ausgangspunkt war ein strafrechtliches Verfahren wegen Nichtsteuerstraftaten. Im Zuge einer Durchsuchung wurden Datenträger gesichert und später – ohne vorherige Selektion – an den steuerlichen Außenprüfer weitergegeben. Zwar erlaubt § 393 Abs. 3 AO grundsätzlich die Verwendung rechtmäßig erlangter Erkenntnisse im Steuerverfahren. Doch der BFH betont: Ohne die Durchsicht nach § 110 StPO (Trennung verfahrensrelevanter von irrelevanten Daten) führt die ungefilterte Überlassung zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in Grundrechte. Damit ist die Auswertung durch die Finanzbehörde gesperrt – selbst wenn es um Fragen der Steuererhebung durch das Finanzamt geht.
Wichtig ist die Abgrenzung: Eine bloße Beschlagnahme „von Computern oder Speichermedien“ ersetzt keine konkrete Beschlagnahmeanordnung zu einzelnen Dateien; bis zum Abschluss der Durchsicht bleibt es beim Stadium der Durchsuchung. Ohne Filtersichtung bewirkt die Weitergabe an die Außenprüfung faktisch einen unzulässigen Vollzugriff auf Bereiche, die außerhalb des gesetzlichen Datenzugriffs liegen (vgl. Grenzen des Prüfungszugriffs, Akteneinsicht, Ermittlungsakte).
Lösung des BFH: Qualifiziertes Verwertungsverbot – inklusive Fernwirkung
Der BFH nimmt ein qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot an: Die aus der ungefilterten Festplatte gewonnenen Daten dürfen im Besteuerungsverfahren schlechthin nicht verwertet werden. Bemerkenswert: Das Verbot erfasst auch Folgerkenntnisse („Fernwirkung“), die ohne den Primärzugriff mutmaßlich nicht aufgeklärt worden wären. Zugleich hebt der BFH hervor, dass die Rechte des Betroffenen nicht dadurch entfallen, dass im Strafverfahren kein Antrag auf richterliche Kontrolle der Durchsicht gestellt wurde. Die Entscheidung konkretisiert damit die Schranken staatlicher Datennutzung zwischen Straf- und Steuerverfahren – und stärkt Verteidigungspositionen in Strafverteidigung und Steuerstreit.
Vorgehen: So sichern wir Ihre Rechte im Daten- und Steuerverfahren
- Sofortprüfung des Datenzugriffs (Sicherstellung, Durchsuchung, Weitergabe): Liegt eine Durchsicht nach § 110 StPO vor? Wurden Daten unzulässig „ungefiltert“ überlassen?
- Sperrwirkung durchsetzen: Geltendmachung des qualifizierten Verwertungsverbots im Steuerverfahren; flankierend Rechtsbehelfe und Anträge auf gerichtliche Kontrolle.
- Kommunikation steuern: Strukturierte Linie gegenüber Staatsanwaltschaft, Finanzamt und Steuerfahndung; keine unbedachten Eigenoffenbarungen.
- Compliance & Forensik: IT-Forensik, Dateninventar, Trennung relevanter/irrelevanter Bestände; saubere Dokumentation für gerichtsfeste Verfahren.
- Verteidigungsstrategie: Verzahnung von Unternehmensstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Steuerstrafrecht – bundesweit.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen und Berater
1. Datenfilter ist Pflicht. Ohne vorgelagerte Durchsicht (§ 110 StPO) droht ein Totalschaden der Auswertung im Steuerverfahren. Prüfen Sie, ob der Informationsfluss an die Außenprüfung auf verfahrensrelevante Dateien begrenzt war – andernfalls greift das Verwertungsverbot.
2. Außenprüfung ≠ Durchsuchung. Der reguläre Prüfungszugriff ist begrenzt. Ein Vollzugriff auf E-Mails und private Kommunikation fällt nicht unter § 147 AO. Fordern Sie konsequent Akteneinsicht und bestehen Sie auf sauberer Trennung.
3. Rechte wahren, Ruhe bewahren. Machen Sie – wo einschlägig – das Auskunftsverweigerungsrecht geltend. Vermeiden Sie spontane Stellungnahmen; bündeln Sie Kommunikation über die Verteidigung.
4. Taktik mit Weitblick. Das Verwertungsverbot kann Fernwirkung entfalten. Greifen Sie daher auch mittelbar gewonnene Erkenntnisse an und sichern Sie Beweise für die Unzulässigkeit des Datenzugriffs. Parallel behalten wir die Beschwerde– und Rechtsmittelfristen im Blick.
Call-to-Action
Ihre Daten wurden im Strafverfahren gesichert und nun im Steuerverfahren ausgewertet? Wir prüfen die Verwertbarkeit, sichern Ihre Rechte und vertreten Sie – diskret und bundesweit. Jetzt Kontakt zur Strafverteidigung von Buchert Jacob Peter aufnehmen.
Kurzes FAQ
Gilt § 393 Abs. 3 AO immer zugunsten der Finanzverwaltung?
Nein. Ohne Durchsicht nach § 110 StPO kann ein qualifiziertes Verwertungsverbot greifen – auch mit Fernwirkung.
Darf der Außenprüfer meine E-Mails komplett auswerten?
Regulär nicht. Der Prüfungszugriff ist begrenzt; E-Mail-Kommunikation fällt regelmäßig nicht unter den Standardzugriff. Fordern Sie Akteneinsicht.
Was mache ich bei einer Durchsuchung?
Ruhe bewahren, Beschluss prüfen, nichts freiwillig herausgeben ohne Prüfung, Verteidigung anrufen.
Wer ist mein Ansprechpartner?
Steuerstrafrecht, Steuerfahndung und Strafverteidigung greifen bei uns passgenau ineinander.
Kontaktieren Sie uns – Ihre Fachanwälte und Anwälte für Strafrecht in Frankfurt am Main und bundesweit
- Rechtsanwalt Frank M. Peter, Fachanwalt für Strafrecht
- Rechtsanwältin Dr. Caroline Jacob, Fachanwältin für Strafrecht
- Als Of Counsel: Prof. Dr. Frank Peter Schuster
- Als Kooperationspartner: Steuerberater und ehemaliger Steuerfahnder Frank Wehrheim
Unsere Rechtsanwaltskanzlei Buchert Jacob Peter arbeitet seit über 25 Jahren in Frankfurt am Main mit erfahrenen Anwälten in der Strafverteidigung. Wir vertreten unsere Mandantschaft bundesweit.
Telefon: 069 710 33 330 · E-Mail: kanzlei@dr-buchert.de
Mehr dazu: Steuerstrafrecht, Strafverteidigung, Wirtschaftsstrafrecht, Anwälte
Benötigen Sie eine Rechtsberatung?
Wir beraten und vertreten Privatpersonen und Unternehmen in Ermittlungsverfahren und Strafverfahren bundesweit und vor allen Gerichten. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung und unserer Kompetenz in Sachen Strafverteidigung.