Wirtschaftsreferenten bei der Staatsanwaltschaft

Der Begriff des „Wirtschaftsreferenten“ ist gesetzlich nicht definiert. Diese unklare Position innerhalb der Behördenorganisation kann sowohl bei Verteidigern als auch bei Gerichten Argwohn hervorrufen.

I. Das Verhältnis zur Behörde

1. Qualifikation des Wirtschaftsreferenten

Es existiert kein festes Berufsbild für den Wirtschaftsreferenten, was bedeutet, dass praktisch jede Person diese Rolle übernehmen kann. In der Regel handelt es sich jedoch um Akademiker, die einen Abschluss in Volks- oder Betriebswirtschaftslehre an einer Hochschule oder als Diplom-Finanzwirt erworben haben. Auch Bilanzbuchhalter und Wirtschaftsstrafsachbearbeiter, die oft eine etwas andere Ausbildung genossen haben, können in dieser Position tätig sein. Oftmals bringt der Wirtschaftsreferent spezielle Fachkenntnisse aus vorhergehenden Tätigkeiten, wie beispielsweise als Betriebsprüfer im Finanzamt, Bankkaufmann oder Mitarbeiter eines Insolvenzverwalters, mit.

2. Status innerhalb der Staatsanwaltschaft

In vielen Bundesländern ist die Bildung von Wirtschaftsreferentengruppen durch Allgemeinverfügungen des Justizministeriums geregelt. Wo eine solche Regelung fehlt, können Generalstaatsanwälte durch Rundverfügungen oder Hausverfügungen spezifische Aufgaben und Verantwortungen festlegen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Erstellung von Gutachten unabhängig und frei von inhaltlichen Weisungen erfolgt. Dies gilt sowohl für Wirtschaftsreferenten als auch für Wirtschaftsstrafsachbearbeiter, die ebenfalls Gutachten anfertigen sollen.

In den meisten Bundesländern werden Wirtschaftsreferenten zudem als „Ermittlungspersonen“ der Staatsanwaltschaft eingeordnet. Dieses Statusmaß hinderte sie jedoch nicht daran, in einem konkreten Einzelfall auch als unabhängige Sachverständige zu agieren.

II. Der Wirtschaftsreferent und seine Aufgaben

1. Allgemeine Ermittlungsaufgaben

Der Wirtschaftsreferent kann in unterschiedlichen Funktionen tätig werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen seinen allgemeinen Ermittlungsaufgaben und seiner speziellen Rolle als Sachverständiger. Bei der allgemeinen Ermittlungsarbeit beteiligt sich der Wirtschaftsreferent aktiv am Verfahren, indem er beispielsweise noch nicht beschlagnahmte Unterlagen gemäß § 110 StPO einsehen kann.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass, wenn der Wirtschaftsreferent lediglich Zeugen oder Beschuldigte befragt oder bei Durchsuchungen anwesend ist, er nicht als Sachverständiger tätig wird.

2. Der Wirtschaftsreferent als Sachverständiger

Eine Tätigkeit als Sachverständiger erfordert einen spezifischen Auftrag. Das Gesetz sieht vor, dass sowohl Richter als auch Staatsanwälte diesen Auftrag erteilen können, insbesondere im Kontext des Ermittlungsverfahrens. Bei der Auftragserteilung ist entscheidend, dass der Wirtschaftsreferent eigenverantwortlich und frei von Weisungen tätig wird.

Die Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftsreferenten beschränkt sich allerdings nur auf die Erstellung seines Gutachtens. Sonstige Weisungen, die ihm außerhalb dieses Rahmens erteilt werden, unterliegen den internen Regelungen der Staatsanwaltschaft und sollten nicht die gutachterliche Tätigkeit beeinflussen.

In der Fachliteratur gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Möglichkeiten und Grenzen einer Ablehnung des Wirtschaftsreferenten. Einige Autoren argumentieren, dass die organisatorische Einbindung in die Strafverfolgung keine automatische Ablehnung nach § 22 Nr. 4 StPO zur Folge hat. Insbesondere wird behauptet, dass Wirtschaftsreferenten nicht untergeordneten Staatsanwälten gleichzusetzen seien und daher nicht abgelehnt werden können.

Andere fordern hingegen eine umfassendere Auslegung der Vorschrift. Sie argumentieren, dass jede Form der Mitwirkung des Wirtschaftsreferenten an Ermittlungen potenzielle Rollenkonflikte schafft und die Befangenheit begründen kann. Diese Sichtweise unterstützt den Sinn und Zweck des § 22 Nr. 4 StPO, der darauf abzielt, dem Anschein der Parteilichkeit entgegenzuwirken.

3. Juristische Anforderung für Gutachten

Ein Beispiel für einen Gutachtenauftrag wäre die Überprüfung von Steuerhinterziehungsfällen, bei denen der Wirtschaftsreferent gebeten wird, Verluste auf verschiedene Gesellschaften zu verteilen. Aufgaben, die er in diesem Zusammenhang ebenfalls erfüllen muss, umfassen die Prüfung der Voraussetzungen für einen Konzern, die Buchhaltungsstände sowie eventuelle Anzeichen von Zahlungsunfähigkeit.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jede Anfrage an einen Wirtschaftsreferenten automatisch als Erteilung eines Gutachtenauftrags gewertet werden kann. Eine klare und deutliche Dokumentation des Auftrags ist für eine korrekte rechtliche Bewertung notwendig, um spätere Unklarheiten zu vermeiden.

III. Der Wirtschaftsreferent als sachverständiger Zeuge

Scheidet die Möglichkeit aus, den Wirtschaftsreferenten als Sachverständigen in die Hauptverhandlung einzuführen, bleibt er dennoch ein relevantes Beweismittel. In solchen Fällen wird er in der Regel als sachverständiger Zeuge vernommen. Dies bedeutet, dass seine Aussage nach wie vor wichtig und nützlich für den Gerichtsprozess ist, auch wenn die Form seiner Beteiligung verändert wurde.

 

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