§ 378 AO Leichtfertige Steuerverkürzung: Unterschiede zu § 370 AO, Bußgelder, Selbstanzeige & Praxistipps
Kurzfassung: Die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO ist keine Straftat wie die Steuerhinterziehung (§ 370 AO), sondern eine Ordnungswidrigkeit. Sie liegt vor, wenn jemand eine der Handlungen des § 370 Abs. 1 AO begeht – nicht vorsätzlich, sondern leichtfertig (≈ grob fahrlässig). Es drohen Geldbußen bis 50.000 €. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige möglich.
1) Was ist „leichtfertige Steuerverkürzung“?
- Tatbild: Eine nach § 370 Abs. 1 AO umschriebene Handlung (z. B. unrichtige/unvollständige Angaben gegenüber dem Finanzamt, pflichtwidriges Unterlassen) wird leichtfertig begangen.
- Rechtsfolge: Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldrahmen bis 50.000 € (§ 378 Abs. 2 AO).
- Verweisungen: § 370 Abs. 4–7 AO gelten entsprechend (§ 378 Abs. 1 S. 2 AO).
2) Abgrenzung zu § 370 AO (Steuerhinterziehung)
- Stufenverhältnis: § 370 AO (Vorsatz) ↔ § 378 AO (Leichtfertigkeit/grobe Fahrlässigkeit).
- Auffangfunktion: Ist Vorsatz nicht nachweisbar, kommt § 378 AO in Betracht.
- Versuch: Ein „Versuch“ der Leichtfertigkeit ist begrifflich ausgeschlossen.
3) Wer kann Täter sein? (Täterkreis)
- Steuerpflichtige i. S. d. § 33 AO und gesetzliche Vertreter/Geschäftsführer nach § 34 AO.
- Personen, die fremde Steuerangelegenheiten wahrnehmen (z. B. RA, Notare, Steuerberater – aber auch andere, die selbständig nach außen auftreten).
- Wichtig: Täter ist regelmäßig nur, wer gegenüber der Finanzbehörde selbst unrichtige Angaben macht oder wem solche Angaben zurechenbar sind.
4) Tathandlung & Erfolg
- Tathandlungen: Nur die in § 370 Abs. 1 AO genannten Handlungen.
- Erfolg: Steuerverkürzung oder ungerechtfertigter Steuervorteil; § 370 Abs. 4–6 AO gelten entsprechend.
5) „Leichtfertigkeit“ – der Maßstab der Gerichte
- Definition: Besonders grobe Fahrlässigkeit, oft verglichen mit der groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht – unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten.
- Nicht nötig: Weder „bewusste Fahrlässigkeit“ noch das Erkennen der konkreten Verkürzungsgefahr.
- Typische Pflichtenkreise:
- Erkundigungspflicht: Wer geschäftlich tätig ist, muss sich über steuerliche Pflichten informieren und bei Unklarheit fachkundigen Rat einholen.
- Überwachungspflicht: Delegation an Mitarbeiter/Berater entlastet nicht; Auswahl, Anleitung und Kontrolle sind erforderlich (kein „blindes Unterschreiben“).
- Prüfungspflicht bei Beratern: Bei Zweifeln dürfen Angaben nicht ungeprüft übernommen werden; Umfang richtet sich nach dem konkret übernommenen Auftrag.
6) Rechtswidrigkeitszusammenhang
- Das leichtfertige Verhalten muss kausal für die Verkürzung sein.
- Entfällt, wenn der gleiche Taterfolg auch bei sorgfältigem Verhalten eingetreten wäre.
7) Sanktionen & wirtschaftlicher Vorteil
- Bußgeldrahmen: mind. 5 € (§ 17 Abs. 1 OWiG) bis max. 50.000 € (§ 378 Abs. 2 AO).
- Abschöpfung: Über § 17 Abs. 4 OWiG kann das Höchstmaß überschritten werden, um Vorteile abzuschöpfen – praktisch oft obsolet, weil die Steuer nachzuzahlen ist.
8) Bußgeldbefreiende Selbstanzeige (§ 378 Abs. 3 AO)
- Zeitpunkt: Wirksam, solange die Einleitung eines Straf-/Bußgeldverfahrens wegen der Tat nicht bekanntgegeben wurde.
- Inhalt: Berichtigung unrichtiger, Ergänzung unvollständiger oder Nachholung unterlassener Angaben gegenüber dem Finanzamt – bloßes Mitwirken an der Außenprüfung genügt nicht.
- Nachentrichtung: Sind Steuern bereits verkürzt, muss der Täter die verkürzten Beträge fristgerecht zahlen; § 371 Abs. 3, 4 AO gilt entsprechend.
- Besonderheit: Anders als bei § 371 AO ist die Tatentdeckung kein genereller Ausschlussgrund des § 378 Abs. 3 AO – Berichtigung muss aber inhaltlich substanzielle Eigenbeiträge enthalten.
9) Konkurrenzen & Verjährung
- Subsidiarität: § 370 AO geht vor; scheidet eine Bestrafung aus, kann § 378 AO greifen.
- Tateinheit/Tatmehrheit/Dauer-OWi: Abhängig von einheitlicher Fehlerquelle, Anzahl und Art der Handlungen.
- Verfolgungsverjährung: 5 Jahre (§ 384 AO), Beginn mit Beendigung der Tat.
10) Praxis-Checkliste zur Risikominimierung
- Pflichtenkarte (wer macht was, bis wann, wie kontrolliert?).
- Vier-Augen-Prinzip für melde-/erklärungspflichtige Vorgänge.
- Dokumentation von Sachverhalt, Rechtsauffassung, Rückfragen (Finanzamt/Steuerberater).
- Schulungen & Prozesse für Mitarbeitende mit Steuerbezug.
- Kontrollroutine (Stichproben, Plausibilitäten, Fristenmonitoring).
- Bei Entdeckung von Fehlern: § 153 AO (Berichtigungspflicht) prüfen, Selbstanzeige-Option nach § 378 Abs. 3 AO samt Nachentrichtung bewerten.
FAQ zu § 378 AO (Leichtfertige Steuerverkürzung)
Was ist der Unterschied zwischen § 378 AO und § 370 AO?
§ 370 AO verlangt Vorsatz (Straftat). § 378 AO erfasst grobe Fahrlässigkeit/Leichtfertigkeit (Ordnungswidrigkeit) mit Bußgeld bis 50.000 €.
Wer kann nach § 378 AO belangt werden?
Steuerpflichtige (inkl. Vertreter nach § 34 AO) und Personen, die fremde Steuerangelegenheiten wahrnehmen, sofern sie selbst gegenüber dem Finanzamt handeln bzw. ihnen Angaben zurechenbar sind.
Was genau bedeutet „leichtfertig“?
Ein besonders hoher Grad an Fahrlässigkeit: Wer naheliegende Pflichten ignoriert, sich nicht erkundigt, Zweifel übersieht oder Kontrollen unterlässt, handelt leichtfertig – abhängig von Kenntnissen und Rolle.
Reicht es, einen Steuerberater zu beauftragen?
Nein. Auswahl-, Organisations- und Überwachungspflichten bleiben beim Verantwortlichen. „Blindes Unterschreiben“ ist riskant.
Welche Sanktionen drohen?
Bußgeld bis 50.000 €; bei Vorteil kann über § 17 Abs. 4 OWiG mehr abgeschöpft werden. Zudem Nachzahlung der verkürzten Steuer.
Gibt es eine „Selbstanzeige light“?
Ja. § 378 Abs. 3 AO ermöglicht Bußgeldfreiheit, wenn rechtzeitig und substanziell berichtigt und – bei bereits eingetretener Verkürzung – fristgerecht nachentrichtet wird (Teilverweis auf § 371 AO).
Ist Tatentdeckung ein Hindernis?
Nicht automatisch. Anders als bei § 371 AO ist Tatentdeckung kein genereller Ausschlussgrund in § 378 Abs. 3 AO – aber: Es muss eigene Berichtigung erfolgen; bloßes Abnicken des Prüfungsergebnisses reicht nicht.
Wie lange verjährt die Ordnungswidrigkeit?
In der Regel 5 Jahre (§ 384 AO).
Was, wenn mehrere Jahre betroffen sind?
Je nach Gestaltung sind Tateinheit, Tatmehrheit oder ausnahmsweise eine Dauer-OWi möglich – entscheidend ist die einheitliche Fehlerquelle.
Ich war überlastet/unerfahren – entlastet mich das?
In der Regel nein. Unwissenheit, Überlastung oder ungeschulte Delegation entschuldigen Leichtfertigkeit nicht. Bei professionellen Beratern gelten strenge Maßstäbe.
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