Kompensationsverbot

Kompensationsverbot

§ 370 Abs. 4 S. 3 AO stellt klar, dass, sobald das Kind in den Brunnen der Steuerverkürzung gefallen ist, auch dann weiterhin eine Steuerverkürzung vorliegt, wenn die Steuer, auf die die Tat sich bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden können. Der Zweck dieser Vorschrift, die einer Gesamtsaldierung die Absage erteilt, ist nicht abschließend geklärt. Angeführt werden die Gefährdung des Steueraufkommens, die mit dem nachträglichen Hinterherschieben von Ermäßigungsgründen einherginge. Auch besteht die Gefahr, dass die strafrechtliche Norm ansonsten eine mit dem Bestimmtheitsgrundsatz schwer in Einklang zu bringende Zivilrechtsakzessorietät annähme.

Das Kompensationsverbot gilt nach BGH-Rspr. nicht, wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den verschwiegenen steuererhöhenden Umständen und den verschwiegenen steuermindernden Umständen besteht. Das bedeutet es werden dem Täter im Falle des Unterlassens nur solche Steuervorteile angerechnet, die ihm bei richtigen Angaben zugestanden hätten.

In einem vielbeachteten Urteil vom 13.09.2018 stellte der BGH klar, dass eine Verrechnung mit Vorsteueransprüchen eine Steuerverkürzung komplett entfallen lassen kann. Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang sei hier bei der Verrechnung von Vor- und Umsatzsteuer gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 15 UStG im Berechnungszeitraum vorliegen. Hierzu wird ausgeführt: „Die tatbestandliche Handlung, die Umsatzsteuer auf den steuerpflichtigen Ausgangsumsatz nicht zu erklären, zieht die Nichtgeltendmachung des an sich bestehenden Vorsteueranspruchs regelmäßig nach sich. Es besteht daher ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz, der zur Folge hat, dass der Vorsteuervergütungsanspruch im Rahmen der Verkürzungsberechnung von Rechts wegen zu berücksichtigen ist“[1].

Auch die Einfuhrumsatzsteuer kann keinen anderen Grund im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 3 AO darstellen und somit verrechnungsfähig sein. Hatte das LG Hamburg festgestellt, „dass in der Buchhaltung weniger Einfuhren als tatsächlich durchgeführt und nicht alle festgesetzten und bezahlten Einfuhrumsatzsteuerbeträge erfasst wurden“[2], stellt der BGH klar, dass der „nicht geltend gemachte Mehrbetrag an Umsatzsteuern auf Erwerbe im Rahmen der Berechnung der Steuerverkürzung abzuziehen [ist]“.[3] Ausdrücklich wird gerügt, dass das LG angehalten gewesen wäre „die von der Einziehungsbeteiligten gezahlten und abzugsfähigen Vorsteuer- und Einfuhrumsatzsteuerbeträge für die von ihr tatsächlich durchgeführten Handelsgeschäfte festzustellen, den jeweiligen Steuererklärungen zuzuordnen und den Umsatzsteuerzahlbeträgen gegenzurechnen  ( § 16 Abs. 4 S. 1 UStG)“.[4]

Soweit die Anmeldungszeiträume übereinstimmen, können daher auch gezahlte Einfuhrumsatzsteuerbeträge mit den jeweiligen verschleierten steuererhöhenden Umständen verrechnet werden und sich auf die Steuerverkürzung mindernd bis zum totalen Entfall auswirken.

 

[1] BGH, Urt. v. 13.9.2018 – 1 StR 642/17, DStR 2018, 2696 (2698).

[2] BGH, Urt. v. 14.10.2020 – 1 StR 213/19, NStZ 2022, 52 (53).

[3] BGH, NStZ 2022, 52 (53).

[4] BGH, NStZ 2022, 52 (53).

Benötigen Sie eine Rechtsberatung?
Wir beraten und vertreten Privatpersonen und Unternehmen in Ermittlungsverfahren und Strafverfahren bundesweit und vor allen Gerichten. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung und unserer Kompetenz in Sachen Strafverteidigung.