10 Irrtümer über die Ombudsperson (Part 2)

EU-Whistleblower-Richtlinie: Praxistipps für Unternehmens-Entscheider (Teil 7)

Viele Unternehmen beschäftigen sich aktuell damit, einen Meldekanal für Hinweisgeber einzurichten. Dabei stoßen sie immer wieder auf den Begriff „Ombudsperson“. Nicht alle Quellen enthalten nützliche Informationen, einige sorgen für Verunsicherung, andere wiederum bekräftigen falsche Vorurteile. Auf Basis unserer langjährigen Expertise als Ombudsperson sowie in der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität greifen wir die zehn häufigsten Fehleinschätzungen auf und erklären, was Unternehmen zur Ombudsperson wissen sollten. Im siebten Teil unserer Blog-Serie räumen Dr. Rainer Buchert und Nadine Jacobi mit den Irrtümern Nummer sechs bis zehn zum Thema „Ombudsperson“ auf.

(Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text das generische Maskulinum. Gemeint sind immer alle Geschlechter.)

In der vorherigen Folge ging es um die Irrtümer 1 bis 5. In der heutigen Fortsetzung erklären Nadine Jacobi und ich unter anderem, warum mit der Berufung einer Ombudsperson der Job noch nicht erledigt ist, welche Filterfunktion die Ombudsperson hat und wie Hinweisgeber befragt werden sollten. Weiter geht es mit den Vorurteilen 6 - 10:

6) Wenn eine Ombudsperson berufen wird, erspart sich ein Unternehmen zahlreiche Compliance-Maßnahmen, ...

Das ist eine grundsätzlich falsche Annahme. Eine Ombudsperson kann nur dann ihrer Aufgabe gerecht werden, wenn zusätzlich im Unternehmen professionelle Compliance-Maßnahmen ergriffen werden. Die Anforderungen an die Maßnahmen variieren je nach Größe des Betriebs: Größere Unternehmen mit Geschäftspartnern im Ausland benötigen ein Compliance-Management-System (CMS).[1] Denn ohne eine entsprechende Unternehmenskultur und das Fachwissen, wie sich Mitarbeiter korrekt verhalten, weiß niemand, was ein Missstand oder strafbare Handlung ist und würde in der Folge auch nicht auf die Idee kommen, dies zu melden. Kleinere Unternehmen sollten – außer dieser Unternehmenskultur – zumindest einen festen Ansprechpartner für die Ombudsperson bereitstellen. Als Ansprechpartner eignet sich grundsätzlich der Compliance Officer. Darüber hinaus sollte die Ombudsperson von einem Lenkungs- oder Steuergremium unterstützt werden. Ein solches Gremium besteht idealerweise aus den Bereichsleitern Compliance, Recht, Revision, Personal und Risk Management.

Beim Aufbau dieser und weiterer Compliance-Strukturen können erfahrene Ombudspersonen beratend mitwirken.

… entbindet die leitenden Angestellten von ihrer Funktion als Ansprechpartner und …

Zu wenig Aufmerksamkeit wird häufig der notwendigen begleitenden internen Kommunikation geschenkt, nachdem die Ombudsperson berufen und vorgestellt wurde. Die Unternehmensleitung sollte in jedem Fall deutlich machen, dass auch die Berufung der Ombudsperson die leitenden Angestellten nicht aus ihrer Verantwortung entlässt, selbst bei der Vermeidung von schwerwiegenden Missständen und Straftaten aktiv zu bleiben. Die Ombudsperson ersetzt nicht den bisherigen Meldeweg, sondern bildet neben den betrieblichen Ansprechpartnern ein zusätzliches Angebot, vertrauliche Hinweise zu geben.

… erspart sich die direkte Kommunikation mit der Belegschaft.

Ein Fehler, der häufig von Unternehmen gemacht wird: Die Mitarbeiter erhalten zu wenig Informationen darüber, welche Art von Hinweisen an die Ombudsperson gegeben werden sollten. Es geht nicht um banale Regelwidrigkeiten, sondern um konkrete Hinweise auf schwerwiegende Missstände wie beispielsweise Korruption, Kartellrechts-Verstöße oder Betrug/ Unterschlagung. Auch Hinweise zu möglicherweise sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Rassismusvorwürfe oder auch Verstöße gegen das Lieferkettengesetz sind Themen, die bei der Ombudsperson platziert werden können.

Zwischen Beauftragung der Ombudsperson, Implementierung des Meldekanals und anschließender Information der Belegschaft, beispielsweise im Rahmen einer Betriebsversammlung, sollten Unternehmen eine Zeitspanne von gut drei Monaten einplanen. Größere Unternehmen mit internationalem Geschäft benötigen noch einmal mehr Zeit.

7) Wenn ein Hinweisgeber sich an die Ombudsperson wendet, kitzelt diese mit allen Tricks Informationen aus dem Hinweisgeber heraus.

Manche Anbieter werben damit, dass sie Vernehmungsmethoden anwenden oder in Schulungen vermitteln, die auch bei Verdächtigen Befragungen durch die Kripo eingesetzt werden. Dies mag für interne Untersuchungen nützlich sein, wenn Beschuldigte oder Personen befragt werden, die sich zum vorgeworfenen Sachverhalt nicht äußern wollen – hier allerdings auch nur in ganz engen Grenzen und mit wirklich viel Erfahrung und Gespür, sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu bewegen und niemals zu überziehen. Für Hinweisgeber sind solche Vernehmungstaktiken allerdings kontraproduktiv.

Denn grundsätzlich gilt: Hinweisgeber sind Zeugen, die sich oftmals nach reiflicher Überlegung zu einer Aussage entschlossen haben. Sie sind häufig zu Beginn eines Gesprächs sehr unsicher und versichern sich zunächst, ob sie an der richtigen Stelle sind und ob ihr Hinweis zunächst vertraulich bleibt. Viele sind zurückhaltend und ängstlich, sagen nicht einmal ihren Namen. Erst im Verlauf eines einfühlsamen Gesprächs baut sich langsam ein Vertrauensverhältnis zur Ombudsperson auf, und erst dann fällt doch der Name, die Identität wird offengelegt – aber nicht jedes Mal.

Die Aufgaben für die Ombudsperson sind in einem solchen Gespräch vielfältig: Vertrauensbasis schaffen, motivieren, den Schutz der Identität zusichern und – last, but not least – durch gezielte, aber nicht zu forsch formulierte Fragen herausfinden, ob Person und Angaben schlüssig und ernst zu nehmen sind. Darüber hinaus gilt es, genügend Fakten und Angaben zu erhalten, die eine weitergehende Aufklärung durch das Unternehmen ermöglichen Es geht also nicht darum, mit allen Tricks Informationen heraus zu kitzeln die der Hinweisgeber eigentlich nicht geben will oder die ihn am Ende dazu bringen, sich zurück zu ziehen und das Gespräch unmittelbar abzubrechen.

8) Wenn die Ombudsperson die Anonymität der Hinweisgeber garantiert, überschütten diese sie mit unwahren Hinweisen.

Dies ist in mehrfacher Hinsicht unzutreffend. Zum einen ist die langjährige Erfahrung die, dass Hinweisgeber, die den direkten Kontakt zu einer Ombudsperson suchen, in aller Regel einen Hinweis nach bestem Wissen und Gewissen abgeben. Wenn solche Hinweise sich im Einzelfall als unzutreffend, so regelmäßig nur insoweit, als der Hinweisgeber nicht alle Fakten kannte oder sein Verdacht zwar subjektiv begründet war, sich aber objektiv nicht bewahrheitet hat. Zum anderen ergeben sich aus einem Kontakt mit einem Hinweisgeber kaum oder doch sehr selten weitere Hinweise. Richtig ist aber, dass durch die entstandene Vertrauensbasis zur Ombudsperson Hinweise an Qualität gewinnen, weil Hinweisgeber im Dialog mehr preisgeben und gezielter befragt werden können.

Darüber hinaus hat die qualifizierte Ombudsperson eine gewisse“ – besser bitte „Steuerungsfunktion“, und dies in zwei Richtungen. Erstens gehört es zu den Aufgaben einer Ombudsperson, durch gezielte Nachfragen zu entscheiden, ob die Qualität des Hinweises ausreicht, um weitere Nachforschungen auszulösen. Zudem erhält der Hinweisgeber auf direktem Wege eine konkrete Rückmeldung, wenn sich der Hinweis nicht auf schwerwiegende Missstände beziehen sollte, sondern eher Gegenstand einer Unterredung mit dem direkten Vorgesetzten oder der Personalabteilung sein sollte. Beispiele sind die zu hohe/niedrige Raumtemperatur des Büros, die ausgebliebene morgendliche Begrüßung durch den Vorgesetzten oder das mangelhafte Angebot vegetarischer Speisen in der Betriebskantine. Ebenfalls durch das Raster der Ombudsperson fallen offensichtlich verleumderische Hinweise zu Kolleg*Innen – die Ombudsperson trägt hier eine Schutz-Verantwortung gegenüber Mitarbeiter*Innen, die zu Unrecht beschuldigt werden.

Die zweite Richtung der  „Steuerungsfunktion“ bezieht sich auf den finalen Umfang des noch in Diskussion befindlichen Hinweisgeberschutzgesetzes. Sollte die Bundesregierung die EU-Richtlinie 1:1 umsetzen, sind Hinweisgeber nur bei Meldungen von Verstößen gegen EU-Recht vor Repressalien geschützt. Die Information, ob der gemeldete Missstand tatsächlich EU-Recht betrifft und der Hinweisgeber gesetzlichen Schutz genießt, kann und wird die Ombudsperson dem Hinweisgeber bei Bedarf geben.

9) Wenn das Unternehmen die Ombudsperson bezahlt, dann muss sie diesem auch alles über den Hinweisgeber und seine Verdächtigungen berichten.

Es wird bereits im Erstgespräch zwischen dem beauftragenden Unternehmen und der Ombudsperson thematisiert und später auch vertraglich festgehalten: Die Ombudsperson hat gegenüber dem beauftragenden Unternehmen spezifische Vertraulichkeitsrechte. Grundsätzlich gilt: Besteht ein Hinweisgeber auf den Schutz seiner Identität, darf die Ombudsperson seine bzw. ihre Identität gegenüber dem Arbeitgeber nicht offenlegen. Das Gleiche gilt für bestimmte Detail-Informationen, anhand derer zum Beispiel ein Unternehmen mit wenigen Mitarbeiter*Innen feststellen könnte, wer der Hinweisgeber war. Dies widerspricht der landläufigen Meinung, dass am Ende derjenige alle Informationen erhält, der die Rechnung bezahlt.

10) Eine Ombudsperson berät auch den Hinweisgeber? Ein Anwalt darf doch gar nicht beide Parteien in einem Streit vertreten!

Dies unterscheidet die Ombudsperson für Hinweisgeber klar von einem klassischen Anwalt in einem Gerichtsprozess, der nicht beide Seiten beraten darf. Natürlich berät eine Ombudsperson den Hinweisgeber nicht individuell in persönlichen juristischen Fragen. Die Ombudsperson informiert einen Hinweisgeber aber sehr wohl über die seine Rechte und weist ihn darauf hin, dass ohne seine Einwilligung bestimmte Informationen nicht an den Arbeitgeber weitergegeben werden, sondern bei der Ombudsperson verbleiben. Ein Beispiel aus der Praxis: Firma M. hat 300 Mitarbeiter, in keiner Abteilung arbeiten mehr als vier Beschäftigte. Ein konkreter Hinweis zu einem bestimmten Geschäftsvorgang in der Buchhaltung würde den Kreis der möglichen Hinweisgeber also sehr einschränken. Anschließend müsste in der Buchhaltungsliste der zugewiesenen Geschäftsvorgänge nur noch geschaut werden, welcher Bearbeiter für den konkreten Geschäftsvorgang zuständig war. Diese Information gibt eine professionelle Ombudsperson dem Hinweisgeber, der daraufhin selbst entscheidet, bis zu welchem Detailgrad der Hinweis an das Unternehmen weitergeleitet werden darf.

Haben Sie weitere Fragen, Anregungen oder Kommentare? Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu lesen. Folgen Sie auch weiterhin unserem Blog, wenn wir in der nächsten Folge das Thema „Kosten“ beleuchten und zeigen, dass Unternehmen bei ihrer Kalkulation oftmals einen wichtigen Aspekt außer Acht lassen. An dieser Stelle! In zwei Wochen!



[1] Hierbei handelt es sich um eine eingerichtete Aufbau- und Ablauforganisation (Prozesse und Maßnahmen), mit deren Hilfe die Regelkonformität des Unternehmens sichergestellt wird.

 

Autor

Nadine Jacobi und Dr. Rainer Buchert,

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