10 Irrtümer über die Ombudsperson

EU-Whistleblower-Richtlinie: Praxistipps für Unternehmens-Entscheider (Teil 6)

Deutsche Bahn, Volkswagen und andere Konzerne haben sich bereits vor vielen Jahren dafür entschieden, eine Ombudsperson als Anlaufstelle für Hinweisgeber zu engagieren. Auch einige mittelständische Unternehmen haben dieses Modell für sich entdeckt, andere sind noch auf der Suche nach Informationen zu Rolle und Funktion einer Ombudsperson. Eine Online-Recherche zu Auswahl, Anforderungsprofil und Tätigkeit stiftet jedoch häufig mehr Verwirrung als Klarheit. Frau Nadine Jacobi und ich räumen in Teil 6 unserer Blog-Serie zunächst mit fünf der zehn häufigsten Irrtümer im Zusammenhang mit Ombudspersonen für Hinweisgeber auf.

(Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text das generische Maskulinum. Gemeint sind immer alle Geschlechter.)

Viele Unternehmen beschäftigen sich aktuell damit, einen Meldekanal für Hinweisgeber einzurichten. Dabei stoßen sie immer wieder auf den Begriff „Ombudsperson“. Nicht alle Quellen enthalten nützliche Informationen, einige sorgen für Verunsicherung, andere wiederum bekräftigen falsche Vorurteile. Auf Basis unserer langjährigen Expertise in der Bekämpfung von Korruption und Kriminalität in der Wirtschaft greifen wir die zehn häufigsten Fehleinschätzungen auf und erklären, was Unternehmen zur Ombudsperson wissen sollten. Los geht es mit den ersten fünf Irrtümern:

1) Irrtum 1: Wir benötigen keine Ombudsperson, weil wir keine Schlichterstelle brauchen!

Wer im Internet nach dem Suchbegriff „Ombudsmann“ recherchiert, findet auch den Eintrag bei Wikipedia. Dort ist die Rede von einer „unparteiischen Schiedsperson“. Dies fördert die häufige Verwechslung mit der gleichnamigen Einrichtung bei Behörden und Institutionen, wo Ombudsleute als Schlichter oder Schiedsrichter fungieren und im Zweifelsfall einen Schadenersatz für Betroffene aushandeln. Im Gegensatz dazu nutzen Unternehmen in Deutschland schon seit rund 20 Jahren Ombudspersonen als Ansprechpartner fu?r Hinweisgeber, die einen Verdacht melden wollen. Dabei übernimmt eine Ombudsperson die Funktion eines „Vertrauensanwalts“, der im Auftrag des Unternehmens Hinweise dokumentiert, verifiziert und – sofern vom Unternehmen gewünscht – Rückfragen klärt und eine erste Bewertung des Vorgangs vornimmt, aber auch den Hinweisgeber über Rechte und Pflichten informiert und dessen Identität schützt, wenn er dies wünscht.

2) Irrtum 2: Wir brauchen keine Ombudsperson, weil das Hinweisgeberschutzgesetz sowieso nicht kommt!

Die Blockade des Referentenentwurfs zum Hinweisgeberschutzgesetz durch die damaligen Regierungspartner CDU/CSU hat das Gesetzgebungsverfahren zunächst gestoppt. Dadurch wird das Inkrafttreten zwar verzögert, aber letztlich nicht verhindert. Denn die Bundesregierung ist – wie alle Mitgliedsstaaten der EU – dazu aufgefordert, die entsprechende EU-Richtlinie in geltendes Recht umzuwandeln. Stichtag für Unternehmen ab 250 Beschäftigte ist der 17. Dezember 2021. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist das Gesetzesvorhaben erneut aufgenommen worden.

Unumstößlicher Bestandteil der Richtlinie ist die Verpflichtung für Unternehmen, einen geeigneten Meldekanal für Hinweisgeber bereit zu stellen. Über die Vorteile eines externen Meldekanals gegenüber einer internen Lösung haben wir bereits in den vorangegangenen Folgen unserer Blog-Serie berichtet.

Und auch wenn die Richtlinie noch nicht bis zum 17. Dezember dieses Jahres in ein Gesetz umgewandelt sein wird: Experten gehen davon aus, dass Gerichte ab diesem Zeitpunkt bei Auslegungen im Zweifel das EU-Recht berücksichtigen werden. Zudem ist ein Hinweisgeber-Meldesystem als regelmäßiger Bestandteil eines funktionierenden Compliance-Management-Systems heute „state of the art“. So hatte sich auch der BGH in seiner Entscheidung vom 10.12.2013 (LG München I „Neubürgerentscheidung“) dergestalt geäußert, dass der Vorstand dafür Sorge zu tragen hat, eine auf Schadensprävention ausgerichtete Compliance Organisation einzurichten. Zu einer solchen Organisation gehört regelmäßig die Einrichtung eines Hinweisgebersystems.

3) Wir brauchen keine Ombudsperson, wir haben doch unsere Rechtsabteilung!

Ein wesentlicher Vorteil der externen Ombudsperson, im Idealfall ein Anwalt mit beruflicher Verschwiegenheitspflicht, ist die absolute Vertraulichkeit und damit der größtmögliche Schutz des Hinweisgebers. Syndikusanwälte oder Justiziare sind weisungsgebundene Angestellte, die auf Verlangen des Arbeitgebers genauso Auskunft über die Identität des Hinweisgebers geben müssen wie beispielsweise Compliance-Beauftragte. Hinzu kommt, dass sie bei staatsanwaltlichen Ermittlungen als Zeugen vernommen werden können, die zu wahrheitsgemäßen Angaben zum Hinweisgeber gezwungen werden können. All dies gilt nicht für anwaltliche Ombudspersonen, wenngleich bei Ihnen – bei schweren Straftaten – Durchsuchungen oder eine Beschlagnahme von Unterlagen nicht ausgeschlossen werden kann. In der Praxis kommt dies jedoch äußerst selten vor.

Abgesehen von dieser juristischen Bewertung geht es auch um die persönliche Sicht von Hinweisgebern. Sie wissen im Zweifel sehr genau, dass intern geäußerte Verdächtigungen trotz aller Beteuerungen im Zweifel nicht anonym bleiben. Die Furcht vor Repressalien ist entsprechend groß. Auch aus diesem Grund ist eine Ombudsperson als Meldekanal eine gute Lösung für Unternehmen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich der Hinweisgeber gar nicht beim Unternehmen zu Wort meldet, sondern sich unmittelbar an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft wendet. Über die Nachteile für das betroffene Unternehmen haben wir bereits ausführlich berichtet.

4) Wir brauchen keine Ombudsperson, weil die unsere internen Abläufe nicht kennt!

Im Idealfall verfügt eine Ombudsperson zumindest über betriebswirtschaftliches Grundwissen sowie Branchenkenntnisse. Selbstverständlich informiert sie sich zum Zeitpunkt der Mandatsaufnahme über das Unternehmen und seine besonderen Herausforderungen, z.B. Compliance-Vorfälle in der Vergangenheit. Hierzu findet regelmäßig ein einführendes Gespräch zwischen dem Ansprechpartner im Unternehmen (z.B. dem Compliance Officer) und der Ombudsperson statt. Darüber hinaus gehende „Inside“-Informationen zum Unternehmen benötigt die Ombudsperson nicht. Ihre Aufgabe ist vielmehr, die Informationen eines Hinweisgebers zunächst zu dokumentieren und Fragen zum Sachverhalt zu stellen. Dann folgt eine Bewertung, ob die Angaben schlüssig erscheinen und wie vertrauenswürdig der Hinweisgeber erscheint. Diese Einschätzung hält die Ombudsperson ebenfalls in ihrem Bericht an das Unternehmen fest. Enthält der Bericht aus Sicht des Unternehmens erste Verdachtsmomente, aber noch keine oder zu wenige konkrete Informationen, wird die Ombudsperson häufig gebeten, inhaltliche Nachfragen an den Hinweisgeber zu stellen und diese im Dialog zu erörtern. Die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers wird auf dessen Wunsch dabei gegenüber dem Unternehmen gewahrt.

5) Wenn schon eine externe Ombudsperson, dann aber die billigste Lösung!

Sie kennen sicherlich das magische Dreieck von „gut, schnell und billig“: Dabei sind immer nur zwei der drei Adjektive bei der Auswahl eines Dienstleisters möglich. Hinzu kommt, dass es bei der Auswahl einer Ombudsperson wichtigere Kriterien gibt als nur den Preis.

Über die Bedeutung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht und dem damit verbundenen Schutz der Identität einer Hinweisgebers haben wir bereits berichtet.

Unabdingbar für eine Ombudsperson sind Kenntnisse im Strafrecht, Strafprozessrecht, im allgemeinen Zivilrecht sowie im Arbeits- und Datenschutzrecht. Nur mit diesem breiten Wissen kann die Ombudsperson einem Unternehmen wichtige Hinweise zu den unterschiedlichsten Themen geben: Droht eine Schadenersatzforderung? Ab wann beginnt die Frist für die Kündigung? Erlaubt das Datenschutzgesetz die Einleitung von Ermittlungen? Was geschieht bei einer vorschnellen Selbstanzeige des Unternehmens? Insbesondere mittelständische Unternehmen ohne vollumfänglich ausgestattete Rechtsabteilung können von Antworten auf solche Fragen profitieren.

Hinzu kommt das Wissen, wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbehörden „ticken“ und wie sie „funktionieren“. Nur dann können Ombudspersonen einschätzen, was beispielsweise dem Unternehmen droht, wenn es bestimmte Schritte unterlässt. Oder welche Kettenreaktion dadurch in einer Ermittlung ausgelöst wird. Hinzu kommt die Beratung des Unternehmens zum korrekten Vorgehen, nachdem ein Hinweis eingegangen ist.

All diese Anforderungen, und damit kommen wir zum nächsten wichtigen Kriterium, können in der Regel Anwälte mit langjähriger Erfahrung erfüllen. Hinzu kommen Empathie und psychologische Grundkenntnisse. Denn nur mit sozialer Kompetenz und erprobten Fragetechniken kann eine Ombudsperson das Vertrauen eines Hinweisgebers gewinnen. In der Praxis zeigt es sich sehr häufig: Hinweisgeber benötigen am Telefon oftmals eine Anlaufzeit von einigen Minuten, bis sie eine erste relevante Information geben.

Die Kosten sind ungeachtet dessen ebenfalls zu berücksichtigen. Ombudspersonen sind in aller Regel für mittelständische Unternehmen die wirtschaftlichste Lösung, weil sie nicht nur einen Meldekanal eröffnen, sondern mit Ihrer Beratungstätigkeit und weiteren Dienstleistungen ein „Rundum-Sorglos-Paket“ bieten können. Zumindest sollte man bei der Einholung von Angeboten darauf besonders achten.

Bis zum nächsten Mal. Dann schreiben wir die Liste der Irrtümer über Ombudspersonen zu Ende.

Autor

Nadine Jacobi und Dr. Rainer Buchert,

Verweis

Aufrufen

Aktuelles

Lesen Sie weitere interessante Meldungen aus unserer Rubrik "Aktuelles".

Zurück zur Übersicht