Viele Unternehmen fürchten, von eigenen Mitarbeitern betrogen oder ausspioniert zu werden, so eine aktuelle Studie von KPMG. Mittelständer sehen sich dagegen meist nicht gefährdet, dabei sehen Experten bei ihnen die höchsten Risiken. In den meisten Fällen bleiben die Unternehmen auf den Schäden sitzen.
FRANKFURT. Die Gefahr kommt aus den eigenen Reihen: Da ist der Vertriebsmitarbeiter, der Rabatte für Kunden in die eigene Tasche steckt, der Entwicklungsingenieur, der Geld braucht und Geheimnisse an die Konkurrenz verkauft oder der Chefeinkäufer, der Lieferanten überhöhte Preise zahlt – gegen Bares versteht sich. Viele Unternehmen fürchten sich vor Betrug, Datendiebstahl oder Korruption. Das ist das Ergebnis der jüngsten Studie zum Thema Wirtschaftskriminalität der KPMG.
Dafür haben die Wirtschaftsprüfer 300 Unternehmen quer durch alle Branchen befragt. Rund 80 Prozent der Betriebe sehen hier „ein ernstes Problem“. Jeder dritte gab an, selbst Opfer gewesen zu sein. Die größten Schäden demnach entstanden in den vergangenen drei Jahren durch Kartellverstöße (275 Mio. Euro), Geldwäsche (222 Mio. Euro) und Korruption (216 Mio. Euro). Das Bundeskriminalamt bezifferte 2008 den Schaden durch Wirtschaftskriminelle insgesamt auf rund 3,4 Mrd. Euro – viel zu wenig, glaubt KPMG-Chefermittler Frank Hülsberg.
Das Gros der Täter stellen mit 61 Prozent die Betrüger, gefolgt von Dieben mit 57 Prozent und Mitarbeitern, die Gelder veruntreuten (45 Prozent). Mehr als jedes zweite Unternehmen hat zudem Probleme mit der Internetkriminalität. Vor drei Jahren waren es noch halb so viele. Da würden Bankdaten abgefischt, fingierte Konten angelegt oder Waren verkauft, die gar nicht existierten, beschreibt Hülsberg.
Auch die Finanzkrise treibt die Kriminalität. Derzeit wachse die Neigung, Bilanzen zu fälschen, um die Lage des Unternehmens zu schönen, so der KPMG-Mann. Auf diese Weise entstand in den vergangenen drei Jahren ein Schaden von rund 200 Mio. Euro.
Vertrauensseligkeit im Mittelstand
Knapp die Hälfte der von KPMG befragten Unternehmen waren Mittelständler mit einem Umsatz von mindestens 50 Mio. Euro. „Gerade Mittelständler glauben, dass sie gut aufgestellt sind, aber das stimmt nicht“, moniert Hülsberg. Das Problem: zu viel Vertrauen, zu wenig Kontrolle. Es fehlen häufig das Vier-Augen-Prinzip und die Rotation in sensiblen Positionen. Auch der Schutz von Betriebsgeheimnissen wurde vernachlässigt: In den letzten drei Jahren kostete Industriespionage die Unternehmen geschätzte 190 Mio. Euro.
Da gab es etwa den Fall jenes langjährigen Entwicklungsingenieurs, der als „einer unserer besten Männer“ bei einem süddeutschen Maschinenbauer galt. Jahrzehntelang arbeitete er loyal, dann wurde ein Familienmitglied schwer krank und der Mann brauchte Geld. Per USB-Stick ließ er der Konkurrenz aus Ostasien die neuesten Konstruktionspläne zukommen. „Das Unternehmen hätte nur die Zugriffe auf sensible Daten protokollieren lassen müssen, um den Schaden zu vermeiden“, sagt Hülsberg. Aber die meisten Mittelstandsmanager möchten sich mit dem Problem gar nicht beschäftigen, so seine Erfahrung. Und so hat auch der Vertriebler leichtes Spiel, der dem Großkunden beim Kauf von 100 DVD-Playern zehn gratis gibt, im Lager dafür aber 20 anfordert und die zusätzlichen zehn Geräte selber verscherbelt.
Ein Einkäufer, der 15 Jahre lang bei einem Traditionsbetrieb in Nordrhein-Westfalen alles beschaffte, sorgte dafür, dass sein Unternehmen den Lieferanten rund 100 Mio. Euro, einen ganzen Jahresumsatz, zu viel zahlte. Die teilten den „Gewinn“ mit dem Einkäufer. Erst als ein neuer Geschäftsführer in das Familienunternehmen kam, flog die Bande auf.
Vertrauensschäden sind nur selten versichert
Meist bleiben die Unternehmen auf den Schäden sitzen. „Gerade einmal jedes zehnte ist gegen Mitarbeiterkriminalität versichert“, sagt Hartmut Köhler, Leiter des Bereichs Vertrauensschadensversicherung bei Euler Hermes.
Ein Grund für Schäden ist bei kleineren Mittelständlern der Mangel an Kapazität, wichtige Positionen doppelt zu besetzen oder die Chefbuchhalter, Einkäufer und Controller im Unternehmen durch die Abteilungen rotieren zu lassen, um Betrügern Einhalt zu gebieten, sagt Birgit Galley, Direktorin des Instituts für Risk & Fraud-Management der Steinbeis-Hochschule. „Und wer das aufstrebende Jungtalent erst in die Revision und dann ins Ausland schickt, bereitet einem möglichen Betrüger den Boden, denn dann kennt er die Schwachstellen“, sagt die Forensikerin, die auch selber kriminelle Mitarbeiter jagt.
Galley rechnet in den nächsten Jahren mit mehr Delikten: „In der Finanzkrise sparen die Unternehmen gerne an Kontrollen, und in drei vier Jahren haben wir dann eine neue Welle von Fällen.“ Das ahnen auch die von KPMG befragten Unternehmen: Zwei Drittel rechnen in den nächsten Jahren mit einer Zunahme der Kriminalität im eigenen Betrieb.
Autor: Sonia Shinde
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