Der Fall Porsche gegen BNP Paribas vor dem Landgericht Stuttgart gilt als eines der aufsehenerregendsten Verfahren im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts. Im Zentrum stand der Vorwurf des Kreditbetrugs nach § 265b StGB gegen zwei hochrangige Manager der Porsche Automobil Holding SE. Das Urteil vom 4. Juni 2013 (Az. 11 KLs 159 Js 77250/11) wirft ein Schlaglicht auf die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmensleitern im Rahmen komplexer Finanzierungsstrukturen und den Umgang mit Informationspflichten gegenüber Banken.
Hintergrund: Milliardenkredit und Optionsgeschäfte
Ausgangspunkt des Verfahrens war ein Konsortialkredit über zehn Milliarden Euro, den die Porsche SE 2009 zur Refinanzierung und möglichen Aufstockung ihrer Beteiligung an der Volkswagen AG verhandelte. Im Zuge dieser Verhandlungen legten die verantwortlichen Manager – unter anderem der damalige Finanzvorstand Holger H. und der Leiter Konzernfinanzen Christian N. – der kreditgebenden Bank BNP Paribas schriftliche Angaben zu den bestehenden Optionsgeschäften vor.
Diese Optionsstrukturen dienten der Absicherung des Beteiligungsaufbaus an der VW AG. Nach Überzeugung des Gerichts hatten die Manager jedoch bewusst unzutreffende Angaben gemacht, insbesondere zum sogenannten Nettoanschaffungspreis („net purchase price“) und zum Netto-Barmittelabfluss („net cash outflow“) für den Erwerb weiterer VW-Stammaktien. Die tatsächlichen Kosten waren rund 1,4 Milliarden Euro höher, als gegenüber der Bank angegeben wurde.
Rechtliche Bewertung nach § 265b StGB
Die Stuttgarter Wirtschaftsstrafkammer sah hierin einen Kreditbetrug gemäß § 265b StGB. Diese Vorschrift schützt Kreditgeber vor Täuschungen über wirtschaftlich erhebliche Tatsachen, die zur Gewährung eines Kredits führen. Strafbar macht sich, wer gegenüber einem Kreditinstitut unrichtige oder unvollständige Angaben über wirtschaftlich relevante Umstände macht, um einen Kredit zu erhalten oder zu sichern.
Das Gericht stellte klar: Auch wenn der Kredit später ordnungsgemäß bedient und vollständig zurückgezahlt wurde, bleibt die Täuschungshandlung strafbar, sofern sie geeignet war, die Kreditentscheidung zu beeinflussen. Der tatsächliche Eintritt eines Schadens ist nicht erforderlich.
Das Urteil des LG Stuttgart
Das Landgericht Stuttgart verurteilte die beiden Angeklagten am 4. Juni 2013 wegen Kreditbetrugs zu Geldstrafen in Höhe von 180 Tagessätzen zu 3.500 Euro (Holger H.) und 90 Tagessätzen zu 700 Euro (Christian N.). Die Kammer würdigte insbesondere die komplexe wirtschaftliche Ausgangslage während der Finanzkrise 2008/2009, die angespannte Liquiditätssituation der Porsche SE sowie den enormen Druck, unter dem die Verhandlungen mit dem Bankenkonsortium standen.
Trotz dieser Umstände erkannten die Richter eine vorsätzliche Falschdarstellung an, da die Angeklagten die Abweichung zwischen tatsächlichem und mitgeteiltem Nettokaufpreis bewusst in Kauf nahmen. Ein sogenannter „versteckter Dissens“ über Begriffe oder Bewertungsmethoden lag nicht vor – beide Seiten wussten, dass der genannte Betrag von 70 Euro pro Aktie nicht den realen Finanzierungsbedarf widerspiegelte.
Revision und BGH-Beschluss (1 StR 649/13)
Gegen das Urteil legten die Verteidiger Revision zum Bundesgerichtshof ein. Der BGH bestätigte jedoch mit Beschluss vom 10. April 2014 – 1 StR 649/13 im Wesentlichen die Entscheidung der Vorinstanz. Damit wurde die strafrechtliche Bewertung des Landgerichts rechtskräftig.
Der Bundesgerichtshof hob hervor, dass der Kreditbetrugstatbestand bereits mit der Abgabe der unrichtigen Erklärung erfüllt ist, sofern diese für die Kreditentscheidung wesentlich war. Die Tatsache, dass der Kredit später bedient wurde, ändere daran nichts. Der Fall diente seither als Präzedenzfall für unternehmerische Wahrhaftigkeit bei Finanzierungsverhandlungen.
Bedeutung für das Wirtschaftsstrafrecht
Das Urteil zeigt exemplarisch, dass unternehmerische Entscheidungen in Krisenzeiten strafrechtliche Risiken bergen können – insbesondere, wenn in Kreditverhandlungen wirtschaftliche Kennzahlen geschönt oder missverständlich dargestellt werden.
In der Praxis betrifft dies häufig Vorstände, CFOs oder Leiter von Finanzabteilungen, die gegenüber Banken oder Investoren Angaben über Liquidität, Sicherheiten oder Beteiligungswerte machen.
Die Rechtsprechung legt hier einen hohen Maßstab an die Wahrheitspflicht. Schon ein „zu optimistisches“ Zahlenwerk kann als Täuschung im Sinne von § 265b StGB gewertet werden. Die Abgrenzung zwischen legitimer Verhandlungstaktik und strafbarer Irreführung ist fließend – eine qualifizierte Strafverteidigung ist in solchen Fällen unerlässlich.
Der Zusammenhang mit anderen Straftatbeständen
Der Kreditbetrug steht häufig im Kontext weiterer wirtschaftsstrafrechtlicher Vorwürfe wie Untreue, Betrug, Bilanzdelikte oder Marktmanipulation.
In Konzernstrukturen kann zudem eine Verbandshaftung nach dem Hinweisgeberschutzgesetz oder eine Verantwortlichkeit nach dem Unternehmensstrafrecht entstehen, wenn interne Kontrollmechanismen versagen.
Für die betroffenen Führungskräfte ist daher frühzeitige rechtliche Beratung entscheidend – sowohl zur Vermeidung strafbarer Handlungen als auch zur Entwicklung einer Verteidigungsstrategie im Ermittlungsverfahren.
Verteidigung in Verfahren wegen Kreditbetrugs
In der anwaltlichen Praxis kommt es bei Ermittlungen nach § 265b StGB zunächst auf die Akteneinsicht und die genaue Analyse der wirtschaftlichen Unterlagen an. Unsere Kanzlei begleitet regelmäßig Mandantinnen und Mandanten, die sich mit Vorwürfen im Zusammenhang mit Kreditbetrug, Bilanzmanipulation oder Wirtschaftsstrafrecht auseinandersetzen müssen.
Zentral ist die Frage, ob die Angaben tatsächlich irreführend oder unvollständig waren und ob sie für die Kreditentscheidung relevant waren. Häufig lassen sich unklare Begrifflichkeiten oder Bewertungsansätze plausibel erklären – etwa durch abweichende Bilanzierungsstandards, interne Kommunikationsprobleme oder Übersetzungsfragen bei internationalen Banken.
Ein erfahrener Strafverteidiger kann hier frühzeitig entlastende Argumente aufbauen und im besten Fall eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO erreichen.
Fazit: Ein Lehrstück über Verantwortung und Transparenz
Das Urteil des LG Stuttgart gegen die Porsche-Manager zeigt, wie eng die Grenze zwischen wirtschaftlicher Strategie und strafrechtlicher Verantwortlichkeit verlaufen kann.
Es verdeutlicht zugleich, dass Transparenz, rechtliche Beratung und Compliance im Unternehmenskontext unverzichtbar sind.
Gerade bei komplexen Finanzierungsstrukturen und internationalen Kreditverhandlungen sollten Unternehmen sicherstellen, dass alle Angaben gegenüber Banken, Investoren oder Behörden nachweislich richtig und vollständig sind.
Unsere Fachanwälte für Strafrecht beraten Sie dabei mit jahrzehntelanger Erfahrung im Unternehmensstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht – in Frankfurt am Main und bundesweit.
FAQ zum Urteil LG Stuttgart – Kreditbetrug Porsche-Fall
Was war der zentrale Vorwurf gegen die Porsche-Manager?
Die Angeklagten sollen im Rahmen von Kreditverhandlungen mit der BNP Paribas bewusst falsche Angaben zu den Kosten des Beteiligungsaufbaus an der VW AG gemacht haben. Dadurch wurde der Kreditgeber über das tatsächliche Risiko getäuscht.
Warum wurde trotz Rückzahlung des Kredits eine Strafe verhängt?
Der Tatbestand des Kreditbetrugs nach § 265b StGB ist bereits mit der Täuschungshandlung erfüllt. Ein tatsächlicher finanzieller Schaden muss nicht eintreten, um die Strafbarkeit zu begründen.
Welche Strafen wurden verhängt?
Das Landgericht Stuttgart verhängte gegen die Angeklagten Geldstrafen in Höhe von 180 bzw. 90 Tagessätzen. Eine Freiheitsstrafe wurde wegen der Komplexität des Sachverhalts und der späteren Schadensfreiheit nicht ausgesprochen.
Was entschied der Bundesgerichtshof?
Der BGH bestätigte 2014 (Az. 1 StR 649/13) die Verurteilung im Wesentlichen und bekräftigte, dass bei vorsätzlich falschen Angaben in Kreditverhandlungen eine Strafbarkeit unabhängig vom Eintritt eines Schadens besteht.
Wie kann man sich gegen den Vorwurf des Kreditbetrugs verteidigen?
Wichtig ist die frühzeitige Einschaltung eines spezialisierten Verteidigers. Dieser prüft die tatsächliche Relevanz der Angaben für die Kreditentscheidung, die interne Dokumentation und mögliche rechtliche Entlastungsansätze.
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