Schattenwirtschaft: Deutschland – das Paradies für Geldwäscher

Die deutsche Schattenwirtschaft setzt jedes Jahr 500 Milliarden Euro um. OECD und USA prangern das immer wieder an, doch erst jetzt arbeitet die Bundesregierung an einem Gesetz. Und auch das geht nicht weit genug.

Berlin. Was die Schweiz und Liechtenstein für Steuerhinterzieher sind, ist Deutschland für Geldwäscher: ein Paradies. Extrem hoher Bargeldumlauf, liquide Finanzmärkte, ein rechtstaatlich gesichertes System und wenig Korruption ziehen Italiener, Russen, Libanesen und selbstverständlich deutsche Kriminelle an, die ihr illegales Kapital säubern wollen.

Nach Schätzungen einer Spezialagentur der Dachorganisation der wichtigsten Industrieländer OECD boomt deshalb die Schattenwirtschaft gerade in Deutschland. Sie wird von der OECD auf ein Volumen von 500 Milliarden Euro taxiert, der kriminell erwirtschaftete Gewinn auf jährlich 43 bis 57 Milliarden Euro. Weltweit geht es laut einem Bericht des Büros für Verbrechensbekämpfung der Vereinten Nationen (UN) um mehr als eine Billion gewaschenes Geld.

Bislang würden weniger als ein Prozent der gewaschenen Gelder in Deutschland beschlagnahmt, klagt der Vizepräsident des Bundeskriminalamts (BKA) Jürgen Stock. Deutschland gilt der Spezialagentur der OECD auch deshalb als besonders einladendes Paradies für Geldwäscher.

„Noncompliant“ – Empfehlungen nicht umgesetzt – lautet ihr Urteil über Deutschlands Bemühungen gegen die Geldwäsche. Auch in einem Bericht des US-Innenministeriums fallen wenig schmeichelhafte Worte. Dort wird Deutschland als „bedeutendes Geldwäscheland“ gebrandmarkt.

Geldwäsche aber ist der zentrale Hebel der organisierten Kriminalität (OK). Mit ihr werden durch Verbrechen erwirtschaftete Milliarden aus Drogengeschäften, Frauen- oder Waffenhandel legal gemacht. EU-Kommission und OECD fordern von Deutschland daher seit langem eine effektivere Bekämpfung der Geldwäsche. Vergebens. Bis heute sei „keine deutsche Gesamtstrategie oder Initiative erkennbar“, kritisiert Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamten. Zwar gibt es seit 1993 ein Geldwäschegesetz. Doch wie wenig es bewirkt, lässt sich schon an den spärlich gemeldeten Verdachtsmomenten ablesen. So gab es 2010 keine Verdachtsanzeige von Immobilienmaklern, obwohl die Immobilienbranche neben Juwelieren, Finanzunternehmen oder Spielbanken zu den Topgefilden für Geldwäscher gehört.

Gerade im Nichtbankenbereich versagt das deutsche Instrumentarium der Geldwäscheverdachtsanzeigen. Es sei noch schlimmer. „Deutschland hat die Geldwäsche fast zwei Jahrzehnte lang billigend in Kauf genommen“, analysiert Ex- Goldman-Sachs-Banker Andreas Frank. Er führt jetzt ein Consulting-Büro in der Schweiz. Als Kronzeuge für seine Behauptung kann er die Bundesregierung selbst anführen.

Sie nämlich hatte im Rahmen der Beratungen zum neuen „Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention“ einräumen müssen, dass „die einschlägigen Regelungen weitgehend nicht umgesetzt“ wurden. Frank kennt, was er kritisiert, und ist den deutschen Behörden kein Unbekannter. Zweimal bereits hat er ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission initiiert. Zweimal musste Deutschland anerkennen, dass seine Geldwäschebekämpfung ungenügend ist.

In den Ländern regiert das Chaos
So hatte die Bundesregierung einräumen müssen, dass in den Bundesländern bis 2009 keine nach dem Geldwäschegesetz zwingend geforderten Aufsichtsbehörden existierten. Auch heute regiert in den Ländern das Chaos: In jedem Bundesland ist eine andere Behörde zuständig. Zudem sind die Aufsichtsbehörden hoffnungslos unterbesetzt.

Ex-Investmentbanker Frank wertet dies als „Schizophrenie“, Kriminalist Fiedler erkennt eine „bewusste Tolerierung der Geldwäsche“. Was im Finanzsektor hervorragend funktioniere – 90 Prozent der Verdachtsanzeigen auf Geldwäsche werden hier erstattet – liege im Nichtbankenbereich weiter brach: Kaum Kontrollen, kaum Verdachtsmeldungen, verschwindend geringe Abschöpfungen illegaler Gelder. „Es ist kurios, 18 Jahre lang konnte in Deutschland kein Verdacht gemeldet werden, weil sich der Staat weigerte, sein eigenes Gesetz ernst zu nehmen“, so Frank.

Dabei ist die Bedrohung für die Bürger real. Die organisierte Kriminalität habe die öffentliche Verwaltung und die legale Wirtschaft längst „tiefgreifend unterwandert“, warnte das Europaparlament vor zwei Wochen erst in einer Resolution. Angesichts eines Jahresumsatzes krimineller Vereinigungen in Europa von mindestens 135 Milliarden Euro, so die Parlamentarier, müsse von einer „Verseuchung der legalen Wirtschaft und des Finanzwesens“ ausgegangen werden.

Die Antwort Berlins auf die EU-Schelte, seit über sechs Jahren die EU-Richtlinien nicht umgesetzt zu haben, ist ein Gesetzentwurf. Er soll am Mittwoch in nicht-öffentlicher Sitzung des Finanzausschusses in Berlin beraten werden. Dabei ist nach Meinung von Experten schon jetzt klar, dass das Gesetz allenfalls internationale Mindeststandards erfüllt.

Er diene vor allem dazu, EU-Sanktionen zu entgehen. Ausgerechnet die schärfste Waffe gegen das organisierte Verbrechen, die Verhinderung von Geldwäsche, bleibt damit stumpf. Nicht nur fehlen weiterhin Regeln für Spielhallen und Online-Glücksspiel.

In letzter Minute will die Koalition das von der Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht und dem BKA dringend geforderte Verbot anonymer Zahlungen übers Internet wieder aus dem Entwurf streichen. Dabei ist diese Methode ein bevorzugtes Mittel, schmutziges Geld ohne Risiko zu waschen.

Autor: Rüdiger Scheidges

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