OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 15. Januar 2025 – Anfechtbarkeit von Geldauflagen nach § 153a StPO im Insolvenzverfahren

Worum geht es? – Geldauflage nach § 153a StPO und Insolvenzanfechtung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (4 U 137/23) hat am 15. Januar 2025 entschieden: Erfüllt ein Beschuldigter eine von der Strafjustiz beschlossene Geldauflage nach § 153a StPO, kann der Insolvenzverwalter diese Leistung nach § 131 InsO anfechten – selbst dann, wenn die Zahlung nicht an die Landeskasse, sondern an eine gemeinnützige Einrichtung geflossen ist. Die strafprozessualen Geldauflagen werden für die Anfechtung wie die in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Sanktionen beurteilt und als „unvollkommene Verbindlichkeiten“ eingeordnet. Die Entscheidung hat erhebliche praktische Relevanz für Betroffene und für die Verteidigung im Schnittfeld von Strafverteidigung und Insolvenzstrafrecht.

Der Fall – Zahlungen auf Geldauflagen kurz vor Insolvenzantrag

Nach Anklageerhebung stellte das Landgericht Frankfurt a. M. das Verfahren gegen A. mit Beschluss vom 4. März 2021 gemäß § 153a StPO gegen Auflagen ein: 40.000 € an die Landeskasse und jeweils 20.000 € an drei gemeinnützige Einrichtungen. Die Zahlungen erfolgten am 11. und 15. März 2021 – also kurz vor dem Insolvenzantrag vom 12. Mai 2021. Der Insolvenzverwalter verlangte vom Land Rückgewähr nach § 131 InsO und hatte Erfolg.

Rechtlicher Rahmen – § 153a StPO, § 131 InsO und Gläubigerstellung des Landes

Die Anfechtung nach § 131 InsO knüpft an eine inkongruente Deckung an, also eine Befriedigung, die der Empfänger in dieser Form nicht beanspruchen durfte. Das OLG ordnet die Geldauflage als unvollkommene Verbindlichkeit ein und sieht das Land als maßgeblichen Anfechtungsgegner – auch wenn formal an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt wurde. Entscheidend sei die Leistungsbeziehung zur Strafjustiz: Der Zweck der Leistung ist die Verfahrenseinstellung; begünstigte Einrichtungen sind lediglich reflexhaft betroffen. Damit korrespondiert die Wertung des BGH (NJW 2008, 2506) zu nachrangigen Forderungen nach § 39 InsO. Für die strafrechtliche Praxis ist wichtig: Die verfahrensbeendende Auflage schafft keine klagbare Forderung des Landes, die einer vollen Durchsetzung im Insolvenzverfahren gleichsteht.

Dogmatische Einordnung – Leistungsbeziehung und Mehrpersonenverhältnis

Das Gericht arbeitet eine klare Linie heraus: Maßgeblich ist die bereicherungsrechtlich relevante Leistungsbeziehung zwischen Schuldner und Land. Die Auswahl gemeinnütziger Empfänger ändert daran nichts. Diese Sicht führt zu einem Gleichlauf zwischen Bereicherungs- und Anfechtungsrecht und vermeidet Zufallsergebnisse abhängig von der Empfängerrolle. Für die Praxis der Ermittlungsverfahren bedeutet das: Verteidigungsstrategien rund um Rechtsmittel, Auflagen-Management und Zahlungsmodalitäten sollten insolvenzrechtliche Risiken antizipieren.

Hinweis – Geldauflage nach § 153a StPO mit Blick auf Insolvenzrisiken

Wer eine Geldauflage zur Verfahrenseinstellung erfüllen möchte, sollte frühzeitig straf- und insolvenzrechtlich prüfen lassen, ob, wann und an wen gezahlt wird. Unsere Strafverteidiger in Frankfurt beraten zur Einstellung nach § 153a StPO, zu Insolvenzstrafrecht und zur Dokumentation im Ermittlungsverfahren. Diskrete Ersteinschätzung unter 069 710 33 330 oder kanzlei@dr-buchert.de.

Praktische Folgen – Was bedeutet das für Beschuldigte und Verteidigung?

Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit in einer häufigen Konstellation: Zahlungen auf Auflagen im Vorfeld oder im zeitlichen Umfeld einer wirtschaftlichen Krise können anfechtbar sein. Das erhöht die Bedeutung einer engen Abstimmung zwischen Verteidigung und Schuldnerberatung, um spätere Rückforderungsrisiken zu minimieren. In geeigneten Fällen kann erwogen werden, die Akteneinsicht zu nutzen, den Zahlungszeitpunkt zu steuern oder alternative Maßnahmen zu erwägen, die das Ziel der Verfahrenseinstellung sichern, ohne insolvenzrechtliche Nachteile auszulösen.

Für Betroffene bleibt zentral: Jede Auflage muss in die Gesamtstrategie passen – inklusive der Frage, ob bei wirtschaftlicher Schieflage eine Einstellung nach § 170 II StPO, eine Einstellung nach § 153 StPO oder eine Verfahrensgestaltung über § 153a StPO zielführend ist. Auch taktische Aspekte im Hinblick auf Urteil oder Nichteröffnung sind mitzudenken.

Vorgehen – Verteidigerische Hebel im Einzelfall

Unsere Erfahrung zeigt: Ein tragfähiges Konzept umfasst (1) die frühzeitige Prüfung der wirtschaftlichen Lage, (2) die belastbare Dokumentation der Auflagenabstimmung mit der Justiz, (3) die sorgfältige Wahl des Zahlungspfads (Empfänger, Zeitpunkt, Verwendungszweck) sowie (4) klare Kommunikation gegenüber dem Mandanten zu Risiken einer inkongruenten Deckung. Im Streitfall können Belege aus dem Ermittlungsverfahren und strategische Rechtsmittel die Position stärken.

Vorteile für Mandanten – Klarheit und Planbarkeit

Das Urteil sorgt für Planbarkeit im Grenzbereich zwischen Straf- und Insolvenzrecht: Es verhindert, dass Beschuldigte das Insolvenzrisiko einer gemeinnützigen Einrichtung tragen, die sie nicht ausgesucht haben. Stattdessen bleibt das Land richtiger Adressat einer möglichen Rückgewähr. Für Mandantinnen und Mandanten bedeutet das mehr Rechtssicherheit – und zugleich die Notwendigkeit, frühzeitig verteidigerisch zu strukturieren.

FAQ – kurz beantwortet

Kann eine Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung anfechtbar sein?
Ja. Nach OLG Frankfurt ist das Land richtiger Anfechtungsgegner, auch wenn an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt wurde.

Warum gilt das Land als Gläubiger i. S. v. § 131 InsO?
Weil die entscheidende Leistungsbeziehung zur Strafjustiz besteht; die Einrichtung ist nur reflexhaft begünstigt.

Welche Rolle spielt § 39 InsO?
Die Wertung zu nachrangigen Forderungen stützt die Einordnung strafprozessualer Geldauflagen als anfechtungsrelevante, unvollkommene Verbindlichkeiten.

Was sollte ich vor Zahlung einer Auflage beachten?
Wirtschaftliche Lage prüfen, Zahlungszeitpunkt abstimmen, Dokumentation sauber führen und verteidigerisch beraten lassen – insbesondere bei drohender Insolvenz.

Kontaktieren Sie unsere Experten im Steuerstrafrecht/Wirtschaftsstrafrecht/Strafrecht in Frankfurt

Diese Ansprüche an verfahrenstechnisches Wissen und Kompetenzen im Strafrecht vereint unser Team aus 4 Spezialisten und steht Ihnen bei Beratung und Verteidigung zur Verfügung.

  • Rechtsanwalt Frank M. Peter, Fachanwalt für Strafrecht
  • Rechtsanwältin Dr. Caroline Jacob, Fachanwältin für Strafrecht
  • Als Of Counsel: Prof. Dr. Frank Peter Schuster
  • Als Kooperationspartner: Steuerberater und ehemaliger Steuerfahnder Frank Wehrheim

Dies bedeutet unter anderem folgende Zusatzqualifikationen:

  • Zertifizierter Berater im Steuerstrafrecht (DAA)
  • Zertifizierter Bilanzierungsexperte (Steuer-Fachschule Dr. Endriss)
  • Abgeschlossenes Weiterbildungsstudium im Steuerstrafrecht (FernUni Hagen)
  • Über 25 Jahre Erfahrung als Steuerfahnder
  • Fachanwälte für Strafrecht
  • Universitätsprofessor für Internationales Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht

Unsere Rechtsanwaltskanzlei arbeitet seit über 25 Jahren in Frankfurt mit erfahrenen Anwälten in der Strafverteidigung. Wir vertreten unsere Mandantschaft bundesweit.

Kontaktieren Sie uns – Ihre Fachanwälte für Strafrecht und Anwälte für Wirtschaftsstrafrecht und Steuerstrafrecht in Frankfurt am Main und bundesweit

Telefon: 069 710 33 330
E-Mail: Kanzlei kanzlei@dr-buchert.de

Mehr zur Verteidigung im Strafrecht/Wirtschaftsstrafrecht/Steuerstrafrecht in Frankfurt finden Sie hier: Steuerstrafrecht, Strafverteidigung, Wirtschaftsstrafrecht, Anwälte, Rechtslexikon

Benötigen Sie eine Rechtsberatung?
Wir beraten und vertreten Privatpersonen und Unternehmen in Ermittlungsverfahren und Strafverfahren bundesweit und vor allen Gerichten. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung und unserer Kompetenz in Sachen Strafverteidigung.