Kampf gegen Korruption – Wie Dax-Konzerne den Schmiergeldsumpf überwinden

Lange waren Korruption in deutschen Unternehmen gang und gäbe. Heute buhlen die Konzerne darum, wer am effektivsten dagegen ankämpft.

Der Charme von Betriebsfußballmannschaften liegt darin, dass man im Unternehmen einmal ungeniert die Rolle wechseln kann. Der Pförtner darf dem Manager in den Lauf grätschen, der Praktikant zum Spielführer werden.

Auch Philip Matthey tauscht gerne seine Rolle. Wenn sich der 40-Jährige das Trikot der Elf des Lastwagenbauers MAN überzieht, wird er zum Verteidiger. In Anzug und Krawatte hingegen hat er die Rolle des Schiedsrichters: Matthey ist Chef der Abteilung für Korruptionsbekämpfung – als solcher verteilt er auch mal Rote Karten.

Dass es Mitarbeiter wie Matthey gibt, ist mittlerweile Normalität in deutschen Unternehmen. Fast jeder zweite deutsche Großkonzern hat für die Einhaltung von Recht und Ordnung ein eigenes Vorstandsressort geschaffen oder das Thema direkt dem Vorstandschef unterstellt, ermittelte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG.

Die „Compliance-Abteilung“ bemüht sich darum, dass sich der Konzern an Recht und Ordnung hält. Verfügten im Jahr 2007 nur ein Fünftel der deutschen Großunternehmen über entsprechende Programme, sind es mittlerweile mehr als die Hälfte, schreibt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Aufpasser gehören zum Unternehmen wie Sekretärinnen, Buchhalter, Personalmanager und Ingenieure.

Früher war Korruption üblich
Lang Zeit galt Korruption als unumgänglich, wenn man in manchen Ländern Geschäfte machen wollte. „Wenn wir nicht Schmiergeld zahlen, dann macht es ein anderer“, lautete die Argumentation. Auch deutsche Unternehmen mit ihrer Ausrichtung auf Exportgeschäfte waren dabei wenig zimperlich. Bis 1999 konnten Firmen ihre im Ausland bezahlten Bestechungsgelder noch steuerlich absetzen.

Es waren Leute wie Peter Eigen, langjähriger Spitzenmann der Weltbank und Gründer der Organisation Transparency International, die das Klima änderten und hartnäckig argumentierten, dass der Kampf gegen Korruption zu gewinnen sei. Nachdem die USA schon Ende der 70er-Jahre vorgeprescht waren, folgte später die Industrieländerorganisation OECD und damit auch Deutschland.

Großbritannien erließ im vergangenen Jahr ein weit reichendes Gesetz, das die Verfolgung auch deutscher Firmen erlaubt, selbst wenn sie in Afrika Beamte bestechen. Es gibt immer weniger Plätze auf der Welt, wo man sich noch ungestraft mit Geldbündeln seine Aufträge erkaufen kann.

Dass sich der Wind gedreht hat, verstanden die Manager deutscher Firmen spätestens im November 2006. Damals stürmten Polizeibeamte die Zentrale des Münchener Siemens-Konzerns und verhafteten wenig später den damaligen Vorstand Thomas Ganswindt – der bislang größte Schmiergeldskandal in Deutschland kam ins Rollen.

Dax-Unternehmen waren im Visier der Ermittler
Vor drei Jahren folgten Ermittlungen beim Lastwagenbauer MAN. Gegen den Autohersteller Daimler wurde schon länger ermittelt. Auch der Industriedienstleister Ferrostaal hatte seinen Fall. All diese Schmiergeldskandale füllten Zeitungen, beendeten Managerkarrieren und kosteten die Firmen viel Geld. Sie setzen seither alles daran, ähnliche Affären zu vermeiden. Peter von Blomberg, Stellvertretender Vorsitzender von Transparency International in Deutschland, sagt: „Die deutsche Wirtschaft hat in Sachen Korruptionsvermeidung viel getan.“

Dennoch ist Korruption kein Gespenst aus dunklen Zeiten der Deutschland AG. Das zeigen aktuelle Beispiele. Die Deutsche Telekom zahlte um den Jahreswechsel gemeinsam mit einer ungarischen Tochter mehr als 95 Millionen Dollar (rund 73 Millionen Euro) an die US-Behörden wegen Schmiergeldzahlungen in Montenegro und Mazedonien. Vor wenigen Wochen akzeptierte auch Ferrostaal die Strafe eines Münchener Gerichts von 149 Millionen Euro wegen umstrittener U-Boot-Geschäfte mit Griechenland und Portugal.

Mangelnde Kontrolle des Vorstands, kriminelle Energie einiger Mitarbeiter, zwielichtige Geschäftspartner – das ist der Dreiklang, in dem sich Korruption bis zuletzt in deutschen Unternehmen abspielte. Das weiß man bei MAN mittlerweile gut. Das Unternehmen übt sich in Demut, wenn es auf die Vergangenheit angesprochen wird. Es räumt Fehler unumwunden ein. Und betont, dass man jetzt alles daran setze, sauber zu werden.

Mittelsmännner überbrachten Geldkoffer
MAN hatte sich über Jahre hinweg durch die Zahlung von Bestechungsgeldern Zugang zu Entscheidungsträgern verschafft und Aufträge erkauft. Dabei überreichten Manager oft nicht selbst die Geldkoffer. „Man schaltete ungeprüft Mittelsmänner ein, wusste aber oft gar nicht für welche konkrete Leistung“, sagt Korruptionsbekämpfer Matthey. Ob das Geld zur Bestechung verwendet wird, wollte man gar nicht wissen.

„In der Vergangenheit wurde teilweise nicht ausreichend überprüft, mit wem man zusammenarbeitet“, gibt Matthey zu. Die Rechnung präsentierte die Staatsanwaltschaft Ende 2009: Gut 150 Millionen Euro musste MAN bezahlen, um ein Verfahren zu beenden. Nahezu der gesamte Vorstand wurde ausgewechselt, einstige Spitzenmanager verurteilt.

Das möchte MAN nicht noch einmal erleben. Das Unternehmen investierte deshalb in die Anti-Korruptions-Abteilung. „Anfang 2010 gab es einen Mitarbeiter in der Compliance Abteilung. Heute sind wir knapp über 40“, sagt Matthey. Sein Team ist so groß geworden, dass es aus der beengten Zentrale im Münchner Stadtteil Schwabing ausziehen musste. Heute besetzen Mattheys Leute – eine junge Truppe – eine ganze Büroetage im sechsten Stock eines Neubaus im Münchener Norden.

Bei MAN gelten heute scharfe Regeln für die Auswahl von Vertriebspartnern. Ein Mitarbeiter kann nicht mehr allein entscheiden, ob er einen Mittelsmann einschaltet. „Mindestens zwei Personen schauen darüber, bei höherem Risiko auch bis zu vier Personen“, sagt Matthey. Er möchte verhindern, dass Agenten im Auftrag von MAN bei Schmiergeldzahlungen ertappt werden. Und falls es doch passiert, möchte er der Staatsanwaltschaft nachweisen können, dass diese Zahlungen niemals stillschweigend toleriert wurden – alles andere würde dazu führen, dass MAN für die Straftaten der Mittelsmänner haftet.

Hotline für Whistleblower
Konkret sieht das so aus: Wer bei MAN künftig einen Vertriebspartner auswählt, muss im Intranet ein Programm aufrufen: Das Business Partner Approval Tool – ein Werkzeug zur Auswahl der Geschäftspartner. Das Programm stellt Standardfragen: Ist der Vertriebspartner bekannt? In welchem Land ist er tätig? Sind Politiker an dem Geschäft beteiligt? Anhand der Antworten ermittelt das Programm einen Risikofaktor. Je höher das Risiko des Geschäfts, desto mehr Fragen müssen beantwortet werden und desto höhere Hierarchieebenen müssen zustimmen.

Gleichzeitig richtete das Unternehmen eine Telefonleitung ein, über die Mitarbeiter anonym Verdachtsfälle anzeigen können. Eine solche Whistleblower-Hotline gilt als wichtigstes Instrument im Kampf gegen Korruption. Bei MAN endet die Hotline am Schreibtisch von Mattheys Mitarbeitern. Es gibt auch Konzerne, die solche Leitungen 24 Stunden am Tag anbieten, zur Not auch in Hindi, Mandarin oder Urdu Verdachtsfälle notieren und übersetzen.

Siemens hat viele der Standardinstrumente im Kampf gegen Korruption entwickelt. Kein Wunder: 2,5 Milliarden Euro hat der Skandal das Unternehmen insgesamt gekostet. Es war der Preis dafür, dass Siemens über Jahre hinweg rund 1,3 Milliarden Euro durch dunkle Kanäle schleuste, um sich Aufträge zu ergaunern. Die Ermittlungen gegen Siemens läuteten eine Zeitwende in der deutschen Wirtschaft ein. Compliance-Fachleute sprechen von der Ära „vor Siemens“ und „nach Siemens“.

Absolute Transparenz bei Siemens
Der Elektronikkonzern hat sich vom bösen Buben zum Leuchtturm im Kampf gegen Korruption entwickelt. Früher wurden die Skandale häufig vertuscht, man fürchtete die negativen Reaktionen der Öffentlichkeit. Heute ist die Transparenz schonungslos. Nur saubere Geschäfte seien nachhaltige Geschäfte, wiederholt Konzernchef Peter Löscher. Es klingt schon fast Stolz mit, wenn im Geschäftsbericht die Erfolge der Anti-Korruptionsabteilung mit 600 Mitarbeitern aufgelistet werden: Siemens erließ vergangenes Geschäftsjahr 306 Disziplinarmaßnahmen, darunter 179 Abmahnungen und 77 Entlassungen.

Dass Siemens so entschlossen handelte, hängt auch mit dem Druck zusammen, den die US-Behörden aufbauten. Es schien, das amerikanische Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC wollten ein Exempel statuieren, als sie Wind von den Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft bekamen. Schon lange waren die deutschen Unternehmen den US-Konzernen ein Dorn im Auge, da sie im Ruf standen, freizügig Schmiergelder im Ausland zu verteilen.

Die US-Behörden verdonnerten Siemens dazu, in Eigenregie die schmutzige Vergangenheit aufzuarbeiten. Der Konzern gehorchte, denn er fürchtete Milliardenstrafen. Die US-Kanzlei Debevoise & Plimpton wurde mit den Ermittlungen beauftragt. Zudem versprach Siemens, alles zu tun, um Korruption künftig zu verhindern. Eine unabhängige Person sollte die Fortschritte überwachen: der frühere Finanzminister Theo Waigel.

Verunsicherte Mitarbeiter
Doch das Kontrollsystem nahm zu Beginn fast absurde Züge an. Die Mitarbeiter waren verunsichert. Siemens richtete eine Hotline ein, um zu erklären, was erlaubt ist und was nicht. Vor Weihnachten machte sich Panik breit. Ein Mitarbeiter berichtet davon, dass seine Abteilung in Erlangen einmal ein Päckchen mit einem Räuchermännchen erhielt. Seine Kollegen recherchierten im Internet den Preis und überlegten, ob sie das Geschenk akzeptieren konnten. Am Ende entschieden sie sich, das Räuchermännchen zurückzuschicken. Zu heikel schien ihnen die Annahme zu sein.

Mittlerweile ist mehr Ruhe eingekehrt. Waigel attestierte Siemens Fortschritte. Sein erster Bericht an die US-Behörden enthielt noch 200 Empfehlungen und sein zweiter 40. Im vergangenen Oktober waren es nur noch neun. „Siemens ist ein neues Unternehmen geworden“, lobt Waigel. Daher sieht er seine Aufgabe weitgehend als erledigt an. 2012 soll Schluss sein mit seiner Tätigkeit als oberster Aufpasser. Er geht mit gutem Gewissen: „Bei Siemens existiert kein systemisches Risiko von Korruption und Bestechung mehr.“

Ex-Verfassungsrichterin arbeitet für Daimler
Wie sehr deutsche Konzerne die US-Behörden fürchten, zeigt der Fall Daimler. Der Stuttgarter Autobauer war bereits 2004 ins Visier der US-Behörden geraten. Das Unternehmen zahlte 185 Millionen Dollar Strafe und akzeptierte, unter Aufsicht von Ex-FBI-Chef Louis Freeh ein System zur Korruptionsbekämpfung einzurichten. Freeh wirbelt seither energisch durch Stuttgart und geht, wie es heißt, manchen Mitarbeitern gewaltig auf die Nerven.

Daimler engagierte zudem die frühere Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, die als mächtige Compliance-Chefin im Vorstand sitzt. Erste Anzeichen für einen Kulturwandel gibt es: Vergangenes Jahr entließ der Konzern seinen US-Chef Ernst Lieb, weil er sich einen aufwendigen Lebensstil auf Firmenkosten finanziert haben soll.

MAN, Siemens, Daimler – in der deutschen Wirtschaft mehrt sich die Einsicht, dass das keine Einzelfälle sein können. Der Erfolgsdruck auf die Mitarbeiter ist groß. Manche werden immer wieder versuchen, sich beruflichen Erfolg mit schmutzigen Mitteln zu erkaufen. „Firmenchefs, die sich einreden, dass es in ihrem Betrieb nicht zu Korruption kommen kann, täuschen sich“, sagt Transparency-Mann Blomberg. „Abgesehen von allen ethischen Erwägungen ist das Risiko der Bestrafung mittlerweile so brisant und realistisch geworden, dass viele Manager sich sagen: Wir können so nicht weitermachen.“

Eine Einsicht, die auch der Waschmittelkonzern Henkel hatte. Der frühere Vorstandschef Ulrich Lehner beschloss vor fünf Jahren, dass die Geschäfte so sauber sein sollen wie Wäsche von Henkels Vorzeigeprodukt Persil. Er reagierte damit auch auf ein laufendes Kartellverfahren gegen die Branche. „Compliance ist heute eine der großen Überschriften in der deutschen Wirtschaft“, sagt Henkels Compliance-Chef Dirk-Stephan Koedijk. „Es ist ein enormer Druck entstanden, das Thema richtig anzugehen.“

Rechtschaffenheit gehört bei Henkel zur Firmenkultur
Der 60 Jahre alte Koedijk ist eine Autorität im Haus. Er war früher Personalchef und leitete selbst große Unternehmen. Seine Personalie zeigt, dass der Kampf für Recht und Ordnung bei Henkel einen hohen Stellenwert hat. „Ich kann dem Geschäftsführer einer Landesorganisation gegenübertreten und sagen: Erzähle mir keine Märchen“, sagt Koedijk. „Das hilft.“

Henkel arbeitet jetzt daran, dass sich die Rechtschaffenheit in der Firmenkultur verankert. Koedijk entwirft zwei Mal im Jahr einen Fragebogen, den er an gut 9000 Mitarbeiter verschickt. Sie müssen beantworten, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten würden. Beispiel: Ein Kunde möchte Präsident eines Golfclubs werden. Er spricht Henkel an, ob das Unternehmen den Club unterstützen möchte. Wie verhält man sich? Nicht jeder kreuzt die richtigen Antworten gleich beim ersten Mal an.

Deswegen investieren die Konzerne hohe Millionenbeträge in Schulungen. Je mehr Verantwortung ein Mitarbeiter hat, desto intensiver die Fortbildung. „Der Fokus unserer Arbeit liegt klar im präventiven Bereich“, sagt MAN-Aufpasser Matthey. Er achtet darauf, dass seine Mitarbeiter selbst als Referenten die Schulungen abhalten und nicht etwa externe Agenturen beauftragt werden. Seine Leute sollen so den Kontakt zu den Kollegen halten, im Gespräch verstehen, wo sich Risiken verstecken. „Wir wollen als Berater wahrgenommen werden“, sagt Matthey. Nicht als Aufpasser.

Kulturwandel ist nötig
Um diesen Kulturwandel zu schaffen, braucht es einen langen Atem. „Das Thema Compliance muss im Geschäftsalltag wach gehalten werden“, sagt Stephan Grüninger, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Corporate Governance in Konstanz. Die Kontrolleure müssten Abteilungen im Ausland besuchen. Das Thema sollte von den Spitzenmanagern ernsthaft verfolgt werden. Auch harte Exempel seien notwendig, damit Mitarbeiter verstünden, dass Korruption nicht länger toleriert werde. „Wenn Compliance zur bürokratischen Fingerübung wird, nehmen Mitarbeiter das Thema nicht mehr ernst“, sagt Grüninger.

Nicht alle Betriebe könnten sich diesen enormen Aufwand leisten. Vor allem der deutsche Mittelstand hängt im Kampf gegen Korruption hinterher. Dass sich viele kleine Firmen in Sicherheit wiegen, weil sie das Gefühl haben, unter dem Radar der Staatsanwaltschaften fliegen zu können, mag dazu beitragen.

Doch der Druck auf sie wächst. „Die großen Unternehmen verlangen zunehmend von ihren Zulieferern den Aufbau eigener Compliance-Abteilungen und den Nachweis, dass die sich korrekt verhalten“, sagt Birgit Galley, Direktorin der School of Governance, Risk & Compliance an der Steinbeis-Hochschule Berlin. „Das ist ein heilsamer Druck.“

Mittelstand gerät unter Druck
Dass dieser Druck auch in kleineren Konzernen ankommt, zeigt Grohe, ein Hersteller von Duschen, Küchen- und Badarmaturen. Das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen macht eine Milliarde Euro Umsatz und beschäftigt weltweit 5400 Mitarbeiter.

Grohe investierte in den vergangenen Jahren in den Aufbau einer Compliance-Abteilung. Man sei ein „gebranntes Kind“, sagt Personalvorstand Detlef Spigiel. Immerhin war Grohe vor zwei Jahren wegen Preisabsprachen zu einer Strafzahlung von 55 Millionen Euro verdonnert worden. Das möchte man künftig ebenso verhindern wie Korruption. „Teurer als die Einrichtung eines Compliance-Systems sind mögliche Strafen“, sagt Spigiel.
Er sieht saubere Geschäfte als Wettbewerbsvorteil. „Unsere Kunden sollten wissen, dass wir uns an die Regeln halten. Aber auch unsere Lieferanten müssen wissen, dass wir niemanden bevorzugen“, sagt der Grohe-Vorstand. Um das schwarz auf weiß zu haben, soll eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das Unternehmen zertifizieren. Auch das sei eine wichtige Investition. „Wir sind überzeugt davon, dass bei großen Projekten künftig eine Compliance-Zertifizierung verlangt wird“, sagt Spigiel. „Darauf bereiten wir uns vor.“

Wirtschaftsprüfer profitieren von dem Trend
Weil viele so denken, breitet sich Goldgräberstimmung unter den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aus. Die vier Marktführer Ernst & Young, Deloitte, KPMG und PwC unterhalten allesamt große Abteilungen, die Kunden dabei beraten, entschlossen für Recht und Ordnung zu sorgen. „Vor einigen Jahren machten sich zahlreiche Unternehmen daran, eigene Compliance-Systeme aufzubauen. Sie brauchten dafür intensive Beratung. Wir haben unsere Mitarbeiterzahl deswegen kräftig aufgestockt“, sagt Andreas Wermelt, Partner von PwC.

Auch Universitäten und Fortbildungsinstitute stellen sich auf einen hohen Bedarf an Fachleuten ein. „Es gibt mittlerweile einige erfahrene Compliance-Manager. Viele sind es allerdings nicht“, sagt Thorsten Otremba, Partner des Personalberaters Kienbaum. Die Universitäten reagieren. Die Hochschule Konstanz, die Steinbeis-Hochschule Berlin sowie die Frankfurt School of Finance & Management bieten Ausbildungen für angehende Compliance-Manager an.

Das Anforderungsprofil an die künftigen Unternehmenswächter: „Man braucht mutige Leute in diesem Bereich. Menschen, die sich trauen, Missstände anzusprechen“, sagt Grüninger. „Man braucht ein dickes Fell“, ergänzt MAN-Manager Matthey. Er erinnert sich noch daran, wie es war, als er 2010 ins Unternehmen kam und seine neuen Kollegen am Telefon vor Schreck schlucken mussten, wenn er seinen Namen sagte. Das habe ihm etwas leid getan. Doch es gehöre manchmal zum Job, hart aufzutreten. „Wenn man als Compliance-Chef jedermanns Freund wäre, würde man etwas falsch machen“, sagt Matthey.

Eines gilt allerdings als sicher: Die Arbeit wird den Fachleuten nicht ausgehen. „Es wird immer einzelne Verstöße gegen die Regeln geben“, sagt Matthey. „Unser Unternehmen ist zu groß, als dass man sagen könnte: Ab jetzt ist alles hundertprozentig lupenrein.“ Ähnlich sagen es auch seine Kollegen bei Siemens oder Henkel. Matthey könnte von daher dem Fußballteam von MAN noch etwas erhalten bleiben. Das ist eine gute Nachricht für das Team. Die Mannschaft des Lastwagenbauers belegt traditionell die hinteren Plätze bei Turnieren.

Autor: J. Hartmann und A. Tauber

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