OLG Stuttgart 12.12.2023, 12 U 216/22
Die Herausgabepflicht von Handakten, insbesondere von Wirtschaftsprüfern, stellt ein zentrales Thema dar, wenn Ansprüche im Rahmen von Mandatsverhältnissen oder Insolvenzen geltend gemacht werden.
In einer aktuellen Entscheidung (OLG Stuttgart 12.12.2023, 12 U 216/22) hat das OLG Stuttgart klargestellt, dass die zu Steuerberatern und Rechtsanwälten entwickelte Rechtsprechung hinsichtlich der Herausgabepflicht von Handakten auch auf Wirtschaftsprüfer anwendbar ist.
Im Rahmen einer Stufenklage verlangte ein Insolvenzverwalter einer AG und einer GmbH von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WPG) Einsicht in Handakten, welche im Kontext von Jahresabschlussprüfungen und forensischen Sonderprüfungen erstellt worden waren. Die beabsichtigte Einsicht diente dabei der Vorbereitung etwaiger Schadensersatzansprüche. Die WPG verweigerte die Herausgabe der Handakten unter Berufung auf das Vorhandensein wesentlicher Unterlagen bei den ehemaligen Mandantinnen sowie auf die Unzulässigkeit einer „Ausforschung“. Das Landgericht gab der Klage zunächst statt, das OLG Stuttgart hob das Urteil jedoch teilweise wieder auf. Diesbezüglich wurde insbesondere die Herausgabe interner Arbeitspapiere für rechtlich unzulässig erklärt.
Die Pflicht zur Herausgabe der Handakten resultiert in erster Linie aus den §§ 666 und 667 BGB, welche auf alle Auftragnehmer anwendbar sind, einschließlich Wirtschaftsprüfern. Gemäß § 666 BGB ist der Beauftragte dazu verpflichtet, dem Auftraggeber Auskunft über den Stand der Geschäftsbesorgung zu erteilen und nach Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Die Herausgabepflicht wird in § 667 BGB konkretisiert, welcher die Rückgabe sämtlicher Unterlagen verlangt, die der Beauftragte im Rahmen der Geschäftsbesorgung erhalten hat. In diesem Kontext sind ebenfalls Dokumente zu berücksichtigen, welche durch Dritte im Auftrag des Mandanten an den Beauftragten übermittelt wurden (Alt. 2). Zu den herauszugebenden Unterlagen zählen unter anderem Schriftstücke, die dem Berater zugegangen sind sowie Kopien eigener Schreiben, aber auch Notizen über Besprechungen, die nicht nur dem internen Gebrauch, sondern auch der Dokumentation der Tätigkeit im Interesse des Mandanten dienen.
Für Wirtschaftsprüfer findet darüber hinaus § 51b WPO Anwendung, der die umfassende Pflicht zur Führung von Handakten regelt. Umfasst werden dabei alle relevanten Unterlagen, welche die Nachvollziehbarkeit der erbrachten Prüfungsleistungen gewährleisten.
Im Rahmen des Mandatsverhältnisses besteht für Wirtschaftsprüfer die Verpflichtung zur Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die im Verlauf der Geschäftsbesorgung erstellt oder erhalten wurden und die im Interesse des Mandanten sind. In diesem Kontext sind insbesondere Prüfungsberichte, Bestätigungsvermerke, Jahresabschlüsse sowie Notizen, die im Zusammenhang mit der Prüfung entstanden sind, von Relevanz.
Die Herausgabepflicht gemäß § 667 BGB findet jedoch keine Anwendung auf interne Arbeitspapiere, die ausschließlich dem Prüfer als Arbeitshilfe dienen. Diese Unterlagen fallen sind nicht herauszugeben, da kein Bezug zum Mandanteninteresse gegeben ist.
Eine weitere Einschränkung der Herausgabepflicht findet sich in § 51b Abs. 4 WPO. Danach unterliegen interne Arbeitspapiere, die ausschließlich zur Unterstützung der beruflichen Tätigkeit des Prüfers erstellt wurden, nicht der Herausgabepflicht. Dies betrifft ebenso Briefwechsel zwischen den Berufsangehörigen und ihren Auftraggebern sowie Schriftstücke, die die Auftraggeber bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten haben.
In Bezug auf die Auslegung des Begriffs „interne Arbeitspapiere“ ist auf die Rechtsprechung des OLG Stuttgart zu verweisen, wonach der Begriff eng auszulegen ist. Der Begriff der internen Arbeitspapiere umfasst dabei solche Arbeitspapiere, die lediglich dem internen Gebrauch des Prüfers dienen, sowie persönliche Notizen, die nicht der Dokumentation des Prüfungsprozesses im Interesse des Mandanten dienen.
Die Entscheidung des OLG Stuttgart betont die klare Trennung zwischen den herausgabepflichtigen Unterlagen und den internen Arbeitspapieren. Folglich sind Wirtschaftsprüfer zur Herausgabe aller im Rahmen des Mandatsverhältnisses erstellten oder empfangenen, prüfungsrelevanten Unterlagen verpflichtet, sofern diese im Interesse des Mandanten stehen. Demgegenüber unterliegen interne Arbeitspapiere, die ausschließlich dem internen Gebrauch des Prüfers dienen, nicht der Herausgabepflicht.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Wirtschaftsprüfer dazu angehalten sind, ihre Handakten sorgfältig zu führen und die herausgabepflichtigen Dokumente klar von internen Arbeitsnotizen zu trennen. Diese Vorgehensweise gewährleistet die Erfüllung der rechtlichen Anforderungen und gleichzeitig den Schutz vertraulicher Unterlagen.
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