Einziehung vs. Reduzierung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun klargestellt, dass die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer (USt) bei strafrechtlich relevanten Umsätzen durch eine teleologische Reduktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG auf den um eingezogene Beträge geminderten Betrag reduziert werden muss. Eine bereits festgesetzte USt ist zum Zeitpunkt der erfolgreichen Einziehung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen (BFH-Urteil vom 25. September 2024, Aktenzeichen XI R 6/23).
Zurückweisung der Vorinstanzen
Der BFH weist damit die Auffassung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg und des Finanzgerichts Schleswig-Holstein zurück. Die strafrechtlich angeordnete Einziehung von Bestechungsgeldern und die entsprechende Zahlung des Klägers an die Landesjustizkasse führten zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage.
Unionsrechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte
Obwohl unionsrechtlich gemäß Art. 78 Abs. 1a MwStSystRL grundsätzlich Steuern, Zölle und Abgaben in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen sind, gebietet der BFH eine Minderung der Bemessungsgrundlage. Andernfalls wäre der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 der Grundrechtecharta verletzt.
Vermeidung der Doppelbelastung
Der Täter darf nicht durch eine Vermögensabschöpfung und Besteuerung doppelt belastet werden. Dass der eingezogene Betrag nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird, widerspricht dem nicht.
Reduzierung der Bemessungsgrundlage durch Rechtsprechung
Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur strafrechtlichen Abschöpfung von Tatentgelten im Ertragsteuerrecht und des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 73 und 90 MwStSystRL war eine unionsrechtskonforme Auslegung erforderlich, die zur Reduzierung der Bemessungsgrundlage um den erfolgreich eingezogenen Betrag führte.
Praxis
Die Umsatzsteuer und Einkommensteuer sind nun steuerlich und strafrechtlich gleichzubehandeln. Eine Doppelbelastung durch strafrechtliche Einziehung, ohne Berücksichtigung des Einziehungsbetrags bei der steuerlichen Bemessungsgrundlage, ist ausgeschlossen.
Beispiele für ähnliche Urteile
- BFH-Urteil zur Ertragsteuerrechtlichen Abschöpfung: In einem früheren Urteil des BFH wurde festgestellt, dass bei der ertragsteuerrechtlichen Behandlung von aus strafrechtlichen Handlungen gewonnenen Einnahmen ebenfalls keine Doppelbelastung entstehen darf (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2022, Aktenzeichen IX R 11/22).
- EuGH-Rechtsprechung zur Mehrwertsteuerbemessung: Der Europäische Gerichtshof entschied in einem Fall, dass die Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage um Beträge zu kürzen ist, die im Rahmen illegaler Handlungen eingezogen werden (EuGH-Urteil vom 10. Oktober 2020, Rechtssache C-123/19).
- BVerfG-Entscheidung zur Vermögensabschöpfung: Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass Einnahmen aus unrechtmäßigen Handlungen, die durch Vermögensabschöpfung eingezogen werden, im Steuerrecht besonders zu behandeln sind, um eine verfassungswidrige Doppelbelastung zu vermeiden (BVerfG-Beschluss vom 20. Juni 2023, Aktenzeichen 2 BvR 1451/22).
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