Zusammenfassung des Beschlusses des Landgerichts Hamburg (19.09.2023 – 718 NBs 41/23)
1. Entscheidung zur Revision
Am 19.09.2023 hob das Landgericht Hamburg im Fall des Angeklagten das Urteil der Wirtschaftsstrafkammer des Amtsgerichts Hamburg auf, das ursprünglich am 7. August 2023 eine Strafe von einem Jahr und elf Monaten Freiheitsstrafe sowie eine Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen verhängt hatte. Das Landgericht entschied zudem, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 60.690,56 Euro angeordnet werde.
2. Hintergrund der Verurteilung
Der Angeklagte war als Geschäftsführer von Scheinunternehmen in eine betrügerische Rechnungskette eingebunden, bei der er Scheinrechnungen ausstellte. Diese Rechnungen dienten dazu, Schwarzarbeit zu verschleiern und die Abführung von Sozialabgaben zu verhindern. Er hatte von seinen Auftraggebern für jede erstellte Rechnung eine Provision von 10 % des Bruttobetrags einbehalten, von der er 5 % als persönlichen Gewinn behielt. Dies führte zu einer Steuerverkürzung von 612.916,65 Euro durch das Ausweisen und das unrichtige Abgeben von Umsatzsteuervoranmeldungen.
3. Strafrechtliche Normen und Einziehung
Die Einziehung des Wertes von Taterträgen wurde zunächst auf Grundlage von § 73 Abs. 1 StGB und § 73c S.1 StGB angeordnet. Der Angeklagte hatte durch die Ausstellung der Scheinrechnungen eine wirtschaftliche Vorteilsnahme erzielt, wobei die Kammer diesen Betrag als zu Unrecht erlangt ansah.
4. Rechtliche Bewertung und Kritik des Revisionsgerichts
Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg, und die Entscheidung des Landgerichts wurde aufgehoben. Der Revisionssenat stellte fest, dass die Einziehung des Wertes der Taterträge gemäß § 73 StGB nicht gerechtfertigt war. Die Gründe:
- Keine „Erlangung durch die Tat“ im Sinne des § 73 StGB: Der Angeklagte hatte durch die Steuerverkürzung lediglich eine (teilweise) Neutralisation seiner eigenen Umsatzsteuerschuld erreicht, was jedoch nicht als ein „Erlangen“ von Vermögenswerten im Sinne des § 73 StGB gilt. Es handelt sich nicht um ein unrechtmäßig erlangtes Vermögen, das einziehbar ist, sondern lediglich um eine Steuerersparnis, die keine abschöpfbare Grundlage bietet.
- Keine Provisionszahlungen „für die Tat“: Auch die Provisionszahlungen für die Erstellung der Scheinrechnungen stellten keinen „Tatlohn“ dar, der im Zusammenhang mit der Steuerverkürzung stand. Diese Zahlungen waren lediglich eine Gegenleistung für die Ausstellung von Scheinrechnungen und nicht für die Steuerstraftaten, die begangen wurden.
5. Erweiterte Wertersatzeinziehung nach § 73a StGB
Die Kammer hatte auch die Möglichkeit erwogen, eine erweiterte Wertersatzeinziehung nach § 73a Abs. 1 StGB anzuordnen. Diese Norm erlaubt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch andere rechtswidrige Taten erlangt wurden. Der Revisionssenat entschied jedoch, dass diese erweiterte Einziehung ebenfalls nicht anwendbar war, da die Provisionszahlungen nicht konkret mit der begangenen Steuerverkürzung in Verbindung standen. Eine solche Einziehung könnte nur in einem separaten Verfahren erfolgen, das sich mit den Beihilfehandlungen des Angeklagten zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB beschäftigt.
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