Banken müssen bis zum 21. Mai ein funktionierendes Anti-Betrugs- und Korruptionssystem vorweisen. Doch passiert ist nach Expertenmeinung bislang nicht viel. Nur wenige große Institute genügen bis jetzt den Anforderungen. Lediglich ein Bruchteil der rund 2 400 Institute hat etwa einen Ombudsmann.
FRANKFURT. Banken tun zu wenig gegen Betrug und Korruption, monieren Experten. Jetzt müssen sie bis zum 21. Mai ein funktionierendes Anti-Betrugs- und Korruptionssystem vorweisen. So verlangt es die Neuregelung des Paragrafen 25c des Kreditwesengesetzes (KWG), der bereits im August 2008 in Kraft trat. Geschehen ist seitdem nach Expertenmeinung nicht viel.
Nur wenige, große Institute genügen nach Aussagen von Kritikern den neuen Vorgaben, auch einige öffentliche Banken wie NordLB und NRW-Bank haben ihre Systeme erneuert. So gibt es bei der Nord LB seit Anfang Mai einen externen Ombudsmann, die NRW-Bank hat ihre Betrugs- und Korruptionsbekämpfungsstrukturen neu justiert. Doch das ist eher die Ausnahme.
„Viele Kollegen warten einfach ab, was die anderen machen“, sagt der Compliance-Chef einer mittelgroßen Bank. Kaum ein Institut hätte, wie es das Gesetz jetzt verlangt, ein zusammenhängendes Betrugsmanagement. Statt dessen gebe es nur einzelne Kontrollmechanismen. Noch deutlicher wird ein ehemaliger Compliance-Mitarbeiter: „Am Ende des Tages verlässt man sich auf die Kreditsachbearbeiter und die ganz normale Kreditprüfung, das ist hanebüchen“, moniert er.
Gerade einmal ein halbes Dutzend der rund 2 400 Kreditinstitute in Deutschland haben einen Ombudsmann, an den sich Mitarbeiter bei Verdacht auf Wirtschaftskriminalität im eigenen Unternehmen wenden können, so Schätzungen. Und während laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC in den USA mehr als 80 Prozent der Banken und Versicherungen auf die Hilfe von Hinweisgebern (Whistleblowern) setzen, sind es in Deutschland nur etwa 30 Prozent. Besserung ist nicht in Sicht. „Etwa ein Dutzend Institute hat seit der KWG-Novelle im August bei mir angefragt“, sagt Kenan Tur, Vorstand und Gründer von Business Keeper. Das Unternehmen vertreibt das europaweit einzige elektronische Hinweisgebersystem, mit dem unter anderem die Landeskriminalämter in Niedersachsen und Baden-Württemberg arbeiten. Bei den Banken haben es bislang nur etwa eine Hand voll eingeführt. Dabei sind nach Turs Erfahrungen Betrugs- und Korruptionsfälle in Banken häufig. „Meist sind es Kickbacks, bei denen die Entscheidungsträger erst zu hohe Kredite gewähren und danach unter dem Tisch die Hand aufhalten für eine Extra-Provision. In einigen Instituten kommt das durchaus alle zwei Monate vor“, sagt er. Nach Erkenntnissen der Unternehmensberatung Deloitte ist jeder zweite Wirtschaftskriminelle ein Mitarbeiter. Ertappt werden die meisten nur durch Kommissar Zufall. Für Bankvorstände und -Aufsichtsräte kann das künftig brenzlig werden. „Sind die Sicherungssysteme ungenügend, müssen sie im Zweifelsfall haften“, sagt Andreas Kandel, Forensik-Experte beim Unternehmensberater Deloitte. „Da wird vielfach gerechnet, was teurer ist, die Betrugsbekämpfung oder der Betrug“, sagt Karl-Heinz Symann, der lange Jahre die Bereiche Geldwäsche- und Betrugsbekämpfung bei einer Großbank leitete und heute Institute berät. „Oft werden Verluste aus Betrug nicht erkannt und lediglich als Forderungsausfall verbucht“, sagt er. Aktuelle Statistiken über Zahlen oder Schäden gibt es nicht, ältere Schätzungen gehen bei Betrug von 2,4 Mio. Euro Durchschnittsschaden je Institut aus, Unterschlagung kostet etwa 250 000 Euro.
Bereits 2007 stellte PWC fest, dass Banken und Versicherungen das Risiko Wirtschaftskriminalität unterschätzen. Zwei von drei Finanzdienstleistern in Deutschland werden durchschnittlich Opfer von Betrug, weltweit ist nur jede zweite Bank betroffen. Dennoch glaubte nicht einmal jede dritte befragte Bank oder Versicherung bis 2011 Opfer von Kreditbetrügern, Bilanzfälschern oder unehrlichen Mitarbeitern zu werden. Doch die Immobilienpleiten eines Jürgen Schneider, die Luftbuchungen bei Flowtex und Scheingeschäfte bei Nici oder Schieder (s. Kasten) sprechen eine andere Sprache. „Das Thema wird in Deutschland nach wie vor sehr unterschiedlich gehandhabt“, sagt ein Insider, „wenn es keine Probleme in der Hinsicht gäbe, bräuchten wir die verschärften KWG-Regeln nicht.“
Bis Jahresende will endlich der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) reagieren und Auslegungs- und Ausführungshinweise zur Betrugsbekämpfung veröffentlichen – eineinhalb Jahre zu spät. Banken, die darauf warten, riskieren Ärger mit der BaFin. Denn in den Jahresabschlüssen müssen die Wirtschaftsprüfer testieren, dass die Institute bereits über funktionierende Betrugs- und Korruptionsbekämpfungssysteme verfügen.
Nicht nur Peanuts
5,4 Mrd. Mark Schulden produzierte Immobilienpleitier Jürgen Schneider, der sich Milliardenkredite erschlichen hatte. Mit erfundenen Horizontalbohrern betrogen die Flowtex-Geschäftsführer Manfred Schmider und Klaus Kleiser die Banken. Schaden: 4,1 Mrd. Mark. 283 Mio. Euro Kredite erschwindelten sich Manager des Möbelherstellers Schieder über falsche Bilanzen. Gefälschte Rechnungen über 55 Mio. Euro drehte Nici-Gründer Ottmar Pfaff Banken an.
Autorin: Sonia Shinde
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