LG Frankfurt a. M.: Strafbarkeit nach dem ZAG bei Hawala-System über Warentransfers (Urt. v. 10.03.2025 – 5/14 KLs 7570 Js 254285/23 [8/24])
Das Landgericht Frankfurt a. M. verurteilte einen Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Erbringens von Zahlungsdiensten nach §§ 63 Abs. 1 Nr. 4, 10 Abs. 1 S. 1, 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ZAG. Der Kern: Ein Hawala-ähnliches System über Warentransfers (hier: Champagnerlieferungen nach Kamerun) kann als Finanztransfergeschäft i.S.d. ZAG zu qualifizieren sein – selbst wenn der „Hawaladar“ den Geldstrom nicht physisch durch die eigenen Hände leitet und die Wertübertragung faktisch über Waren erfolgt.
Leitsätze des Beitrags
- Auch das Verschieben von Waren kann ein genehmigungspflichtiger Zahlungsdienst sein, wenn es ausschließlich dem Geldtransfer dient.
- Der Zahlungsdienstleister i.S.d. ZAG muss nicht den gesamten Zahlungsfluss vom Zahler bis zum Empfänger selbst bewirken.
Kurz zum Sachverhalt
Über Vorkasserechnungen eines deutschen Weingroßhändlers wurden von in Deutschland ansässigen Einzahlern ca. 406.000 EUR mit Verwendungszwecken zugunsten des Angeklagten beglichen. Ware (Champagner) ging nach Kamerun an einen verbundenen Einzelhändler, der dort in Vorleistung die entsprechenden Beträge bar oder via „mobile money“ an Empfänger auskehrte und sich später über den Verkaufserlös refinanzierte. Der Angeklagte agierte ohne BaFin-Erlaubnis, bewarb das System nicht, handelte nicht gewinnorientiert, wickelte aber u.a. ca. 50.000 EUR für Familie/Freunde ab.
Rechtliche Einordnung: Finanztransfergeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ZAG
Die Kammer sah ein Finanztransfergeschäft („Hawala“) verwirklicht. Maßgeblich ist die faktische Entgegennahme eines Geldbetrags zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Empfänger – auch, wenn dies surrogatgestützt (Warenlieferung statt Geld) organisiert ist.
- Entgegennahme weit zu verstehen: ausreichend ist faktische Zugriffsmöglichkeit/Zuordnung der Zahlungen auf die „Hawala-Rechnung“ (gedanklich: Erfüllung an Erfüllung statt gem. § 364 Abs. 1 BGB).
- Kein Erfordernis der Vollkette: Der „Betreiber“ muss den gesamten Zahlungsfluss nicht selbst bewirken; eine koordiniert vermittelte Wertübertragung genügt.
- Erlaubnispflicht: Ohne BaFin-Lizenz ist das Erbringen solcher Dienste strafbar (§ 63 ZAG).
Abgrenzung zu § 129 StGB (kriminelle Vereinigung)
Eine strafbare kriminelle Vereinigung verneinte das Gericht: Es fehlte an einer übergeordneten organisationsbezogenen Zweckgemeinschaft mit gemeinsam getragenem Risiko/Profit. Für die Vermögensabschöpfung bedeutete das: keine „Betriebskapital“-Einziehung wie bei § 129 StGB, sondern – soweit einschlägig – nur Taterträge aus ZAG-Verstößen.
Praktische Implikationen für Unternehmen & Communities
- Warentransfers ≠ safe harbour: Wird die Ware nur als Wertträger für Geldtransfer eingesetzt, droht ZAG-Erlaubnispflicht mit Strafbarkeit bei Verstößen.
- „Gute Motive“ (Familienhilfe, Non-Profit) heben die Erlaubnispflicht nicht auf.
- AML-Risiken: Typische Geldwäsche-Indikatoren (Zahlersplitting, Verwendungszwecke, Auslandsauszahlungen, „mobile money“) können Parallelermittlungen (Ermittlungsverfahren, FIU-Meldungen) triggern.
- Liefer-/Handelspartner geraten als Teilglieder ins Visier (Beihilfe-/Täterschaftsprüfungen, Organisationsverschulden, Strafverteidigung).
FAQ zum Urteil
Reicht der bloße Warenhandel für ZAG-Strafbarkeit?
Nein – nur wenn die Ware funktional als Surrogat für Geldtransfer eingesetzt wird. Steht der Geldtransferzweck im Vordergrund, kann § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ZAG erfüllt sein.
Muss der „Hawaladar“ die Gelder selbst entgegennehmen?
Nicht zwingend. Ausreichend kann eine faktische Entgegennahme/Zuordnung sein (z.B. Zahlung auf Vorkasserechnung mit Zweckbindung) – die gesamte Kette muss er nicht selbst steuern.
Spielt fehlende Gewinnerzielungsabsicht eine Rolle?
Für die Erlaubnispflicht nicht. Sie kann aber im Rahmen der Strafzumessung oder Einziehungsfragen Bedeutung erlangen.
Warum kein § 129 StGB?
Es fehlte an einer organisationsförmigen Zweckgemeinschaft mit gemeinsam getragenem Risiko/Profit über den Einzelfall hinaus. Konsequenz: Einziehung beschränkt sich auf Taterträge aus ZAG-Verstößen.
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