Anti Doping Kampf – Im Schattenreich der Hochleistung

Nein, ein Radfahrer ist Rainer Buchert nicht. Über Sport schrieb er nicht einmal in seiner Jugend als freier Mitarbeiter der „Frankfurter Neuen Presse“. Und doch soll er es bei der Rad-WM in Stuttgart zum Besten richten. Der Rechtsanwalt aus dem Frankfurter Westend wurde zum Anti-Doping-Ombudsmann berufen. Er soll vertrauliche Informationen aus der Mitte und dem Umfeld des Radsports entgegennehmen und auswerten – ob von Coaches, Fahrern, Betreuern oder Managern. Nach den Doping-Skandalen dieses Sommers war keineswegs sicher, ob die UCI-Titelkämpfe in Stuttgart überhaupt eine Chance haben. Sponsoren blieben zurückhaltend. Die Zuschauer beim Ticketkauf ebenso.

Gerolsteiner kündigte an, sich bald ganz aus dem Radsport zu verabschieden. Die öffentlich-rechtlichen Sender erwogen dies zumindest. Alles in allem kein guter Stern, unter dem die Rad-WM gestern startete. Die Veranstalter unternahmen im Vorfeld vieles, um den miserablen Ruf des Radsports etwas zu retten. Der Ombudsmann ist Teil der Anti-Doping-Vereinbarung zwischen den Radverbänden und der Stadt Stuttgart.

Buchert, so Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann, solle „zentrale Kontaktperson“ rund um mögliche Dopingverdächtigungen bei den Titelkämpfen sein. Der Anwalt freute sich auf die „spannende Aufgabe“. Denn er wusste genau, was auf ihn zukommen könnte. Seit gut sieben Jahren arbeitet der 60-Jährige als Ombudsmann großer Unternehmen, soll dort Korruption und Manipulationen bekämpfen. Mehr als 200 so genannte „Compliance“-Fälle mit 250 Hinweisgebern hat Buchert schon betreut. Compliance – ein Modebegriff, der nichts anderes bezeichnet als die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien. Das schaffen die wenigsten aus eigener Kraft. Sie brauchen einen wie Rainer Buchert. Die Deutsche Bahn berief ihn ebenso wie der Handelsriese Rewe oder – ein besonderes Schmankerl – der VW-Konzern mitten in seiner unappetitlichen Affäre.

Eins zu eins könne man die Aufgabe nicht auf die Rad-WM übertragen, aber das „Grundprinzip“ ähnele sich, erzählt Buchert: „Es ist ein Angebot an Menschen, die von Unregelmäßigkeiten wissen, aber das nicht offenlegen wollen.“ Aus Erfahrung weiß er, dass die Infogeber meist „ziemlich nah dran am Geschehen sind“. Würden sie sich öffentlich äußern, hätten sie mit „Mobbing bis hin zur Entlassung“ zu rechnen. Auch im Radsport, wo noch immer ziemlich viel Geld verdient werde. „Da ist viel Psychologie im Spiel“, erzählt Rainer Buchert aus seiner Arbeit als Ombudsmann. „Die Leute kommen aus ganz altruistischen Motiven“. Mal ertragen sie nicht, dass „manche sich die Taschen vollmachen“, mal „stinkt‘s ihnen einfach“. Moral banal. Rainer Buchert kann zuhören, Schlüsse ziehen – und schweigen.

Rainer Buchert ist schon optisch nicht der Draufgängertyp. Eher ein gemütlicher, besonnener Mensch. Einer freilich mit unglaublicher Freude an kniffligen Themen. Das könnte an seiner Vita liegen. Früh ging der gebürtige Hesse zur Polizei, setzte ein Jurastudium an der Frankfurter Universität drauf, promovierte am Institut für Kriminologie und war 14 Jahre lang beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Eine aufregende Zeit, berichtet er. 1977, kaum in der Abteilung Terrorbekämpfung, erlebte der junge Jurist die Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Später war der BKA-Mann in aller Welt Rauschgiftbossen auf der Spur. In ihm wuchs die Erkenntnis, dass der „Bestechungsäquator“ nicht südlich der Alpen liegt.

Seine kriminalpolizeiliche Arbeit überzeugte. Nur sein SPD-Parteibuch schadete ihm: 1999 schmiss ihn die hessische schwarz-gelbe Landesregierung als Polizeipräsident von Offenbach raus. Vergessen, sagt Buchert heute milde. So habe er doch seine Bestimmung gefunden: Die Verfolgung und Vereitlung von Korruption. Ironie der Geschichte: Nun auch im Auftrag einer CDU-Bürgermeisterin.

Als nicht parteilich, aber durchaus politisch sieht er sich. Er kritisiert, dass auf Länderebene noch keine Ombudsleute eingesetzt werden. Den Hinweis auf die Kosten lässt er nicht gelten, da genüge doch wohl ein Briefkasten. Baden-Württemberg hat unter Erwin Teufel einen Ombudsmann eingesetzt, nicht jedoch zur Korruptionsbekämpfung, sondern für Bürokratieabbau. Buchert ist mit seiner ganzen Kanzlei korporatives Mitglied von Transparency International. Er wollte „zeigen, wofür ich stehe“. In einer immer stärker globalisierten Welt kommt der Wirtschaftsethik erhöhte Bedeutung zu, meint der Jurist. Sie werde zunehmend zum Wettbewerbsfaktor.

Bei Mittelständlern, kritisiert Buchert, sei diese Erkenntnis noch nicht in dem Maße durchgedrungen wie bei Großkonzernen. Dass nun aber auch im Sport ein solches Pilotprojekt gestartet wurde, freut den Betrugsbekämpfer ungemein. Und das Angebot scheint angenommen zu werden. „Hinweise“ könne er bestätigen, sagt er und lacht: „Die Wüste lebt“. Details darf er wegen der anwaltlichen Schweigepflicht nicht nennen. Eisenmanns Referent schon. Er nennt den Favoriten Paolo Bettini als Doping-Verdächtigten ebenso wie Giro-Sieger Danilo di Luca. Bucherts leise Erfolge könnten die Top-News dieser Rad-WM sein.

Autorin: Gabriele Renz

Benötigen Sie eine Rechtsberatung?
Wir beraten und vertreten Privatpersonen und Unternehmen in Ermittlungsverfahren und Strafverfahren bundesweit und vor allen Gerichten. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung und unserer Kompetenz in Sachen Strafverteidigung.