§ 283c StGB: Gläubigerbegünstigung – Voraussetzungen, Beispiele, Verteidigung
Kurz gesagt: Wer in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem einzelnen Gläubiger inkongruent (also „nicht, nicht in der Art oder nicht zur Zeit geschuldet“) Sicherheit oder Befriedigung verschafft und ihn absichtlich oder wissentlich gegenüber den übrigen Gläubigern besserstellt, begeht Gläubigerbegünstigung. Versuch ist strafbar. § 283 Abs. 6 StGB (Insolvenzbezug) gilt entsprechend.
Schnellüberblick
- Schutzrichtung: Gleichmäßige Gläubigerbefriedigung im Vorfeld/Umfeld der Insolvenz
- Täterkreis: Schuldner (Sonderdelikt) bzw. über § 14 StGB handelnde Organe/Vertreter
- Tathandlung: Gewähren von Sicherheit oder Befriedigung, auf die kein fälliger/kongruenter Anspruch besteht
- Erfolg: Besserstellung dieses Gläubigers gegenüber den anderen
- Vorsatz:
- bzgl. Tathandlung/Inkognruenz genügt regelmäßig bedingter Vorsatz,
- bzgl. Begünstigungserfolg erforderlich: Absicht oder Wissentlichkeit
- Strafe: bis 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (Versuch strafbar)
Der Tatbestand im Detail
1) Zahlungsunfähigkeit & Kenntnis
- Zahlungsunfähigkeit im Sinne des Insolvenzrechts (regelmäßig § 17 InsO).
- Der Täter muss diese kennen. Irrt er nur darüber, kann untauglicher Versuch vorliegen.
2) Wer ist „Gläubiger“?
- Jede Person mit (auch bedingtem/betagtem) Anspruch gegen den Schuldner – Insolvenz-, Masse- oder absonderungsberechtigter Gläubiger.
- Der Anspruch kann auch erst nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entstanden sein (h. M.).
3) Tathandlung: „Gewähren“ von Sicherheit/Befriedigung
- Sicherheit: rechtliche Besserstellung (z. B. Verpfändung, Sicherungsübereignung, Grundschuld).
- Keine Vollendung, solange die Rechtsstellung nicht erlangt ist (z. B. Grundschuld vor Eintragung).
- Unbestimmte Sicherheiten genügen nicht; sittenwidrige (z. B. § 138 BGB) können die Tat dennoch tragen.
- Befriedigung: Leistung auf die Forderung (auch an Erfüllungs statt/erfüllungshalber).
- Kongruent = der Gläubiger hat Anspruch in Art/Zeit → kein § 283c.
- Inkongruent = nicht geschuldete Art/Zeit/Sicherung → Tatbestandsrelevant.
- Unterlassen kann genügen, wenn eine Handlungspflicht besteht (z. B. Insolvenzantrag wird verzögert, damit der Gläubiger noch pfänden kann).
- Mitwirkung des Gläubigers: i. d. R. erforderlich; fehlt sie, kommt Versuch in Betracht.
- Kein „Gewähren“: bloße Titelschaffung, Wechselhingabe.
4) Erfolg: Begünstigung
- Der Gläubiger muss real besser stehen als die übrigen – Maßstab ist die Lage ohne die gewährte Leistung.
5) Subjektive Seite
- Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit.
- Bedingter Vorsatz bzgl. Tathandlung/Inkognruenz oft ausreichend;
- Absicht/Wissentlichkeit bzgl. Begünstigung erforderlich.
6) § 283 Abs. 6 StGB entsprechend
- Erforderlicher Zusammenhang zur Insolvenzlage (z. B. Zahlungseinstellung etc.).
Typische Risiko-Konstellationen
- Last-Minute-Sicherheiten: Bank verlangt kurz vor Insolvenzantrag neue Sicherheiten für alte, notleidende Kredite (inkongruent).
- Zahlung vor Fälligkeit / auf betagte oder bedingt bestehende Forderungen.
- Leistung an Erfüllungs statt ohne vorgängige Vereinbarung.
- „Stiller“ Scheinverkauf/Abtretungen, um Aufrechnungen zu ermöglichen.
- Insolvenzantrag verschleppen, damit ein Gläubiger noch vollstrecken kann (Unterlassen als Gewähren).
Nicht tatbestandsmäßig: Leistung auf fällige, genau so geschuldete Forderung (kongruente Deckung).
Kreditinstitute & „notwendige Teilnahme“
- Der begünstigte Gläubiger (z. B. Bank) ist regelmäßig notwendiger Teilnehmer, wenn er nur annimmt.
- Strafbare Teilnahme kann vorliegen, wenn der Gläubiger über das bloße Annehmen hinaus aktiv mitwirkt (z. B. das inkongruente Sicherungsarrangement gestaltet/drängt).
Abgrenzung & Konkurrenz
- § 283c vs. § 283 StGB (Bankrott): § 283c ist der spezielle Begünstigungsfall; bei Überschneidung geht § 283c vor.
- § 283c vs. § 283 Abs. 1 Nr. 1: Bei rein kongruenter Deckung kein § 283 Abs. 1 Nr. 1; bei Übermaß (Sicherung/Wert über Anspruch) kann Tateinheit in Betracht kommen.
Sanktionen
- Vollendung: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 2 Jahre.
- Versuch: strafbar.
Verteidigungsansätze (Auszug)
- Keine Zahlungsunfähigkeit/Unkenntnis zum Tatzeitpunkt.
- Kongruente statt inkongruente Deckung; fälliger Anspruch lag vor.
- Kein Begünstigungsvorsatz (fehlende Absicht/Wissentlichkeit bzgl. Besserstellung).
- Kein Erfolg (keine reale Besserstellung).
- Zivil-/insolvenzrechtliche Einordnung (Sanierungsabrede, Pool-Vereinbarung, Vorab-Vereinbarung zur Erfüllung anstatt/erfüllungshalber).
- Compliance/Prozessdokumentation zur Widerlegung einer zielgerichteten Gläubigerbevorzugung.
Compliance-Check für Geschäftsführer/Organe
- Frühwarnsystem für Zahlungsunfähigkeit (Liquiditätsstatus tagesgenau).
- Transaktionsstopp für inkongruente Leistungen bei Krisenanzeichen.
- Rechts- & Sanierungsberatung vor Sicherheiten-/Zahlungsabreden.
- Dokumentation von Sanierungskonzepten (IDW S6 etc.).
- Insolvenzantragspflicht im Blick – keine Verzögerung zur „Ermöglichung“ einzelner Vollstreckungen.
FAQ zu § 283c StGB
Was ist „inkongruente Deckung“?
Eine Sicherheit/Zahlung, die so nicht geschuldet ist – also nicht, nicht in der Art oder nicht zur Zeit beanspruchbar.
Reicht bedingter Vorsatz?
Für die Tathandlung/Inkognruenz: meist ja. Für die Begünstigung braucht es Absicht oder Wissentlichkeit.
Ist der Versuch strafbar?
Ja. § 283c Abs. 2 stellt den Versuch ausdrücklich unter Strafe.
Gilt § 283c auch, wenn der Anspruch erst in der Krise entsteht?
Nach h. M. ja – auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit begründete Ansprüche können betroffen sein.
Darf ich eine fällige Forderung einfach bezahlen?
Kongruente Zahlung auf fällige Forderung ist keine Gläubigerbegünstigung. Vorsicht bei Erfüllung vor Fälligkeit, an Erfüllungs statt, neuen Sicherheiten.
Haftet die Bank mit?
Nimmt die Bank nur an, gilt sie meist als notwendige Teilnehmerin. Aktive Mitwirkung an der inkongruenten Gestaltung kann eine Strafbarkeit begründen.
Wie verhält sich § 283c zu insolvenzrechtlicher Anfechtung?
Unabhängig von § 283c kann die Leistung anfechtbar sein (z. B. § 131 InsO). Das strafrechtliche Risiko besteht daneben.
Was tun bei drohender Zahlungsunfähigkeit?
Sofort Rechtsrat einholen, inkongruente Leistungen vermeiden, Sanierungsweg sauber dokumentieren, Antragspflichten beachten.
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