Ihre bloße Existenz ist eine Gefahr: Aus Angst vor einem silbernen Datenträger werden sich nun viele Steuerhinterzieher selbst anzeigen. So spielt eine CD aus der Schweiz Millionen ein, noch bevor sie das erste Mal abgespielt wird.
Die Steuerhinterzieher-CD ist die erfolgreichste CD der Welt. Sie spielt viele, viele Millionen Euro ein – und zwar schon bevor sie in irgendein Abspielgerät eingelegt wurde. Allein die Existenz dieser CD macht Tausende Steuerhinterzieher panisch.
Auf dieser CD, die ein Informant dem deutschen Fiskus zum Kauf anbietet und deren Kauf die Kanzlerin angeordnet hat, stehen die Daten von 1500 Steuerhinterziehern; sie haben ihr Geld, am Fiskus vorbei, in die Schweiz geschafft.
Weil aber die deutschen Steuerhinterzieher nicht genau wissen, ob sie auf dieser CD verzeichnet sind, ist die bloße Existenz der CD eine Gefahr, die Steuerhinterzieher zur Selbstanzeige treibt: Nur solange sie noch nicht „entdeckt“ sind, können sie mit der Nachzahlung der Steuer plus Hinterziehungszinsen der Strafe entgehen. Und die drohende Strafe ist nicht gering: Auf schwere Steuerhinterziehung steht Haft bis zu zehn Jahren.
Die bloße Existenz einer CD mit Daten ist also ein Grund für die Selbstanzeige und Steuernachzahlung – ganz unabhängig von dem politischen und dem rechtlichen Streit darüber, ob die CD angekauft werden soll und ob und wie sie dann juristisch verwertet werden darf.
Wenn erst die CD gekauft ist, wenn ihre Daten den Ermittlern vorliegen und die Hausdurchsuchungen beginnen: Dann ist es für eine Selbstanzeige zu spät.
Wie eine heiße Herdplatte
Und selbst wenn sich irgendwann später herausstellen sollte, das es juristisch heikel war, die Ermittlungen auf die CD zu stützen: Die Strafverfahren sind dann längst eingeleitet, publik geworden und womöglich schon abgeschlossen.
Es ist also ein sehr heikles Unterfangen, auf die Unverwertbarkeit der Daten zu vertrauen. Der so beratene Steuerhinterzieher verliert die Chance der strafbefreienden Selbstanzeige, er riskiert ein Strafverfahren und ein Urteil mit hoher Strafe. Und er riskiert auch, dass dieses Urteil rechtskräftig wird, weil die Chancen, dass zu guter Letzt die höchsten juristischen Instanzen auf Unverwertbarkeit der CD entscheiden, nicht sehr hoch sind.
Das ist der Grund dafür, warum Steuerhinterzieher jetzt zur steuerlichen Beichte beim Finanzamt antreten und die Nachzahlung von Steuern samt Hinterziehungszinsen anbieten. Das ist der Grund dafür, warum eine noch gar nicht abgespielte CD so viel Geld einbringt.
Die CD funktioniert wie eine heiße Herdplatte, auf der die Steuerhinterzieher weichgekocht werden. Und die CD ist schon heiß, bevor sie der Fiskus gekauft hat.
Hinter dem geplanten Kauf steht rechtspolitisch eine nachvollziehbare Interessenabwägung. Sowohl beim Kauf als auch beim Nichtkauf wird jeweils jemand zu Unrecht begünstigt. Beim staatlichen Kauf der CD ist der Begünstigte der Informant, dem auf diese Weise seine illegale Datenausspähung vergoldet wird.
Das Rauschen der Hirsche
Kauft der Staat die CD aber nicht, dann sind die Steuerhinterzieher die Begünstigten, die Hunderte Millionen Steuerschulden behalten, Geld, das nicht ihnen, sondern dem Gemeinwesen gehört.
Bei diesem Vergleich ist die Entscheidung nicht so schwer: Der Staat soll die Daten kaufen. Das etwas mulmige Gefühl dabei wird dadurch besänftigt, dass der Informant natürlich strafbar bleibt – und dass seine CD spezialpräventive und generalpräventive Wirkung hat: Künftig wird es sich ein Steuerschuldner sehr genau überlegen, ob er wirklich sein Geld in die Schweiz schaffen will.
Das Risiko wird immer höher. Wenn aber der Anreiz, das Geld in die Schweiz zu schaffen, verschwindet, dann verschwindet auch der Markt für die Ausspähung der Bank-Daten.
Ludwig Uhland hat im Jahr 1811 ein Gedicht geschrieben, das auf die Fahndung nach Steuerhinterziehern gut passt: „Mir hat geträumt, ich klopft auf den Busch / Da rauschte der Hirsch heraus, husch, husch.“ Das sind nicht gerade die stärksten Zeilen des Balladen-Dichters. Aber die Steuerbehörden erleben jetzt das Rauschen der Hirsche.
Autor: Heribert Prantl
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