Betrug

Betrug (§ 263 StGB): Voraussetzungen, Schadensbegriff, typische Fallgruppen & Verteidigungsansätze

Der Betrug (§ 263 StGB) ist das zentrale Vermögensdelikt des deutschen Strafrechts und erfasst jede täuschungsbedingte Selbstschädigung des Opfers durch eine unmittelbar vermögensmindernde Verfügung – vom Alltagsfall (Online-Shops, Abo-Fallen, Fake-Inkasso) bis zu komplexen Wirtschaftskonstellationen (Kredit-, Kapitalanlage-, Abrechnungs- oder Subventionsfälle). Maßgeblich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise: Entscheidend sind Markt- bzw. Spezialmarktpreise und – in Grenzlagen – konkret bezifferbare Gefährdungen. Subjektiv verlangt der Tatbestand Vorsatz sowie die Absicht einer rechtswidrigen, stoffgleichen Bereicherung; zivil- und öffentlich-rechtliche Vorfragen (Anspruchslage, Abrechnungsvoraussetzungen) prägen die Schadensbewertung. Wegen hoher Strafrahmen und typischer Beweisprobleme lohnt frühzeitige Verteidigung mit Fokus auf Täuschung, Kausalität, Schadensberechnung und Konkurrenzfragen.

Kurz gesagt: Betrug setzt Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung, Vermögensschaden, Vorsatz und die Absicht rechtswidriger, stoffgleicher Bereicherung voraus. Wer frühzeitig die Schadensberechnung und Kausalität angreift, hat in der Verteidigung oft den längeren Hebel.
Vertiefungen im Lexikon: Irrtum, Computerbetrug, Erpressung, Risikogeschäfte und Vermögensschäden.
Praxisfelder: Wirtschaftsstrafrecht, Unternehmensstrafrecht, Insolvenzstrafrecht, Steuerstrafrecht.

1) Der rechtliche Rahmen in 60 Sekunden

Der objektive Tatbestand umfasst Täuschung → Irrtum → Vermögensverfügung → unmittelbare Vermögensminderung. Der subjektive Tatbestand verlangt (mindestens bedingten) Vorsatz auf alle objektiven Merkmale sowie Bereicherungsabsicht, die stoffgleich mit dem Schaden sein muss (Vorteil = Kehrseite des Schadens aus derselben Verfügung). Abzugrenzen sind Eingehungs- und Erfüllungsbetrug (dazu unten 4)).

2) Vermögensschaden: Marktwert, Spezialmärkte & heikle Konstellationen

Objektiver Wertmaßstab (Markt/Verkehrswert)

Bewertet wird wirtschaftlich nach dem, was im Verkehr gilt: nicht nur „allgemeiner Markt“, sondern je nach Gut auch Spezialmärkte (Börse inkl. Aktienkurs, Gebrauchtwarenhandel, Kunst- und Auktionsmarkt).
Beispiele:

  • Waren anderer Herkunft/Qualität oder mit preisbildenden Umständen (Renommee, Handelsverbot, Herkunft) können – trotz „Funktionalität“ – wertmindernd sein.

  • Dienstleistungen ohne (volles) Entgelt verursachen einen Schaden, auch wenn Kapazität frei war (z. B. halb leerer Zug).

Streitträchtige Grenzfälle

  • Rabattbetrug: Abgrenzung zwischen nur verringerter Vermögensmehrung und echtem Schaden.

  • Submissionen/Absprachen: Schaden kann in absprachebedingten Preisaufschlägen liegen – oft ohne reine Orientierung am (manipulierten) Marktpreis.

  • Kunstauktionen/Scheingebote: Manipulierte Preisbildung → Überpreis als Schaden; nicht jede Regelverletzung genügt allein.
    Passend dazu: Wirtschaftsstrafrecht.

3) Gefährdungsschaden: Wenn sich das Risiko bereits „verwertet“

Ein konkreter, wirtschaftlich bezifferbarer Gefährdungsschaden genügt, wenn die endgültige Einbuße spürbar nähergerückt ist. Typische Fallgruppen:

  • Bonitätsloser/minderwertiger Anspruch (Kredit/Scheck/Lastschrift), fehlende bzw. entwertete Sicherheiten.

  • Hochriskante Kapitalanlagen ohne echte Absicherung; Risikoverschiebung bei manipulierten Sportwetten („Quotendifferenz“).

  • Prozess-/Beweismittelbetrug: sichere in unsichere Prozesslage verschoben (z. B. vorläufig vollstreckbares Urteil).
    Wichtig: Gerichte verlangen wirtschaftlich nachvollziehbare Bezifferung – ein zentraler Angriffspunkt der Verteidigung.

4) Eingehungsbetrug vs. Erfüllungsbetrug

  • Eingehungsbetrug: Vergleich der gegenseitigen Ansprüche beim Vertragsschluss (schlechter Anspruch ↔ besserer Anspruch).

  • Erfüllungsbetrug: Vergleich von geschuldeter und tatsächlich erbrachter Leistung.
    Täuschungen, die beim Vertragsschluss wirken und sich in die Erfüllung fortsetzen, werden einheitlich bewertet (kein „Trickwechsel“ in der Phase).

5) Persönlicher Schadenseinschlag & Zweckverfehlung

Grundsätzlich gilt der objektive Maßstab. Individuelle Verhältnisse sind ausnahmsweise relevant, wenn die Leistung zum vorausgesetzten Zweck unbrauchbar ist und nicht zumutbar verwertbar (klassisch: nutzloses Produkt/Dienstleistung trotz „Gleichwertigkeit“ auf dem Papier).
Bei unentgeltlichen/teilentgeltlichen Zuwendungen (Spenden, Schenkungen, Subventionen ohne Anspruch) kommt es auf die Zweckerreichung im Bewilligungszeitpunkt an. Formale Verstöße ohne Zweckbezug reichen nicht.
Siehe auch: Insolvenzstrafrecht & Steuerstrafrecht.

6) Typische Fallgruppen aus der Praxis

  • Anstellungsbetrug: Maßstab ist die Wertigkeit der Arbeitsleistung vs. Vergütung; besondere Relevanz bei Vertrauens-/Zuverlässigkeitsanforderungen. → Arbeits-/Unternehmensstrafrecht.

  • Kredit-/Zahlungsmittelfälle: Minderwertige Forderung, Bonitätsrisiko, fehlende Sicherheiten; Schaden kann fehlen, wenn hinreichend besichert.

  • Gutgläubiger Erwerb: Regelmäßig kein Schaden beim Erwerber (starke Rechtsposition), es sei denn konkretes Prozessrisiko ist wirtschaftlich greifbar.

  • Gesundheitswesen/Abrechnung: Normative Abrechnungsvoraussetzungen können den Schadenstatbestand prägen (aber wirtschaftlich sauber darlegen!).

  • Wetten/Sport: Manipulation verschiebt Risiko zulasten des Anbieters (beziffern!).

  • Subventions-/Sozialleistungsbetrug: Maßgeblich sind die materiellen Vergabevoraussetzungen; bei Überschussangaben ist der überschießende Anteil der Schaden.

  • Steuer vs. Betrug: In vielen Konstellationen hat § 370 AO Vorrang; gleichwohl gibt es Betrugssachverhalte außerhalb des Steuerrechts. → Steuerstrafrecht.

7) Vorsatz, Bereicherungsabsicht & Stoffgleichheit

Der Vorsatz umfasst alle Merkmale und die Kausalverläufe. Die Bereicherungsabsicht verlangt, dass der erstrebte Vorteil stoffgleich zum Schaden ist (also funktional auf dieselbe Verfügung bezogen). Folgevorteile genügen nicht.
Gute Verteidigungspunkte: fehlende Stoffgleichheit, fremdnützige Zwischenziele statt Eigennutz, abweichende Anspruchslage (Rechtswidrigkeit des Vorteils).

8) Versuch, Vollendung, Beendigung

  • Versuch: mit täuschungsnaher Handlung (z. B. ernsthaftes, täuschungsbehaftetes Vertragsangebot).

  • Vollendung: bereits bei (Teil-)Schaden.

  • Beendigung: i. d. R. mit endgültiger Schädigung (wichtig für Teilnahme/Verjährung).

9) Besonders schwere Fälle (§ 263 Abs. 3 StGB)

Regelbeispiele: gewerbsmäßig, Bande, Schaden großen Ausmaßes (idR ab 50.000 €), Missbrauch von Befugnissen, Versicherungsfall-Vortäuschung. Bei Serien: auf Opferseite entstandene Einbuße abstellen, nicht nur Tätervorteil.

10) Abgrenzungen & Konkurrenzen

  • Steuerstrafrecht geht als Sonderregelung häufig vor (Steuervorteil ≠ Vermögensvorteil iSd § 263).

  • Diebstahl vs. Betrug: Wegnahme ≠ freiwillige Verfügung.

  • Insolvenzdelikte können parallel relevant sein: Bankrott (§ 283 StGB).
    Strategische Einordnung klären wir mit Akteneinsicht: Kontakt.

11) Verteidigungsstrategie: Wo wir ansetzen

  1. Täuschung/Irrtum/Verfügung: Reichweite, Zurechnung, Wissenszurechnung Dritter.

  2. Schaden/Gefährdung: wirtschaftliche Bezifferung (BVerfG-Linie beachten!), Markt- vs. Spezialpreis, Sicherheiten, Bonität, Zweckbezug.

  3. Stoffgleichheit/Vorteilsabsicht: funktionaler Zusammenhang, Fremdnützigkeit, Alternativansprüche.

  4. Eingehung/Erfüllung: richtige Vergleichsebene wählen; unechter Erfüllungsbetrug als Einheit behandeln.

  5. Konkurrenzen & Formalien: AO-Vorrang, sozialrechtliche Besonderheiten, Verfahrensfragen (Versuch/Beendigung).

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FAQ zu § 263 StGB (kurz)

Was gilt als Vermögensschaden?
Die negative Saldoänderung im Vermögen – gemessen am objektiven Marktwert (auch Spezialmärkte). → Betrug

Reicht eine bloße Gefährdung?
Ja, wenn konkret und bezifferbar (z. B. Bonitätsrisiko, fehlende Sicherheiten, Prozesslage/Wetten).

Eingehungs- vs. Erfüllungsbetrug – der Unterschied?
Beim Eingang: Ansprüche vergleichen; bei der Erfüllung: Leistungen vergleichen.

Wie wehrt man den „Rabatt-/Quotenschaden“ ab?
Durch Angriff auf Preisbildung, Marktrelevanz, bezifferte Risikoverschiebung und die Stoffgleichheit.

Ist der gutgläubige Erwerb geschädigt?
Regelmäßig nein – nur bei konkretem, wirtschaftlich darlegbarem Prozessrisiko.

Wann liegt ein besonders schwerer Fall vor?
U. a. Schaden großen Ausmaßes (meist ab 50.000 €), gewerbs-/bandenmäßig.

Erste Hilfe bei Durchsuchung oder Vorladung?
Keine Angaben zur Sache, Akteneinsicht sichern, Schaden/Bezifferung prüfen lassen. → Wirtschaftsstrafrecht | Kontakt


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