Steuerberater als Beschuldigter im Steuerstrafverfahren

Steuerberater & Strafrecht: Sorgfaltspflichten, Haftungsrisiken (§§ 370, 378 AO) und Verteidigungsansätze

Kurzüberblick: Wer seine Steuererklärung vom Steuerberater erstellen lässt, bleibt verantwortlich – und muss alle erforderlichen Informationen vollständig und richtig liefern. Fehlerhafte Erklärungen können Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder Bußgeldverfahren wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) auslösen. Auch Steuerberater selbst geraten in den Fokus – vom Täterschafts- bis zum Beihilfevorwurf. Unten finden Sie die Pflichtenlage, typische Fallkonstellationen und Konterstrategien aus der Praxis.


1) Pflichtentrio: Mandant – Steuerberater – Finanzamt

  • Pflicht des Mandanten: Alle tatsächlichen Informationen rechtzeitig, vollständig und belegbar liefern; Rückfragen beantworten; Änderungen nachreichen.
  • Rolle des Steuerberaters: Nach § 33 StBerG Mittler und Interessenvertreter – aber auch Sorgfalts- und Prüfungspflichten gegenüber Staat und Mandant.
  • Spannungsverhältnis: Mandant erwartet Optimierung, die Rechtsordnung verlangt Rechtmäßigkeit. Je nach Auftragsumfang variieren Prüf- und Kontrolltiefe.

Typische Auftragsarten (mit wachsender Verantwortungstiefe)

  1. Ad-hoc-Hinzuziehung (Einzelfrage)
  2. Einzelauftrag Erklärungen (auf Mandantenunterlagen)
  3. Jahresabschluss + Steuerbilanz
  4. Vollauftrag (laufende Buchführung + Erklärungen)
  5. Vertretung als gesetzlicher Vertreter

2) Strafrechtliche Risiken für Mandanten und Berater

2.1 Steuerhinterziehung (§ 370 AO) & leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO)

  • § 370 AO (Straftat): Vorsätzliche falsche/unvollständige Angaben oder pflichtwidriges Unterlassen gegenüber dem Finanzamt.
  • § 378 AO (OWi): Gleicher Tatkern wie § 370 AO, aber Leichtfertigkeit (≈ grobe Fahrlässigkeit). Bußgeld bis 50.000 €; unter Umständen bußgeldbefreiende Selbstanzeige möglich.

2.2 Berater als Täter oder Teilnehmer?

  • Täterschaft (§ 370 AO): Wenn der Steuerberater selbst gegenüber dem Finanzamt falsche/unvollständige Angaben macht (eigene Erklärung/Vertretung).
  • Pflichtwidriges Unterlassen (§ 370 I Nr. 2 AO): z. B. Nichtmitteilung steuerlich erheblicher Tatsachen durch den Erklärenden/Vertreter.
  • Beihilfe (§ 27 StGB): Fördernder Beitrag zur Hinterziehung des Mandanten (z. B. Konstruktionen, Verschleierung, gezielte „Gestaltung“).
  • Mittäterschaft (§ 25 II StGB): Gemeinsamer Tatplan und wesentlicher Beitrag – möglich, auch wenn der Berater „nur“ vorbereitet (kein eigenhändiges Delikt).
  • Mittelbare Täterschaft (§ 25 I Alt. 2 StGB): Der Berater steuert den Mandanten durch gezielt falsche Belehrung in den (unvorsätzlichen) Verstoß; der Hinterziehungserfolg wird dem Berater zugerechnet.

Wichtig: Reine Vorbereitung einer vom Mandanten selbst eingereichten Erklärung reicht für § 378 AO regelmäßig nicht – es fehlen eigene Angaben gegenüber dem Finanzamt. Entscheidend ist, wer die Erklärung abgibt und wo die Erklärung „erscheint“.

2.3 Berufsrechtliche Folgen für Steuerberater

  • § 57 II StBerG: Pflicht, das Ansehen des Berufs zu wahren – Hinterziehungshandlungen verletzen die Berufspflichten.
  • § 109 III 1 StBerG: Bindungswirkung strafgerichtlicher Feststellungen für das Berufsverfahren.

3) Berichtigungspflicht & Selbstanzeige: Was gilt wirklich?

  • § 153 AO (Berichtigungspflicht): Trifft Steuerpflichtige und handelnde Vertreter (§§ 33, 34 AO). Steuerberater/Mitarbeiter sind nicht selbst Adressaten von § 153 AO.
  • Selbstanzeige-Optionen:
    • Strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) bei vorsätzlicher Hinterziehung (enge Ausschlussgründe).
    • Bußgeldbefreiung (§ 378 Abs. 3 AO) bei Leichtfertigkeit – Tatentdeckung sperrt nicht per se, aber es muss eigene Berichtigung/Ergänzung erfolgen und Nachentrichtung fristgerecht.

4) „Berufstypisches Verhalten“ ist nicht automatisch neutral

  • Beratungs-, Buchungs- und Zahlungsabwicklungen können Beihilfe sein, wenn sie objektiv fördern und der Berater wissentlich unterstützt.
  • Umgekehrt sind alltägliche oder branchentypische Handlungen nicht automatisch strafbar – es kommt auf Wissensstand, Risikohinweise, Warnzeichen und die dokumentierte Beratung an.

5) Praxisfälle & Verteidigungshebel (aus Ermittlungen & Rechtsprechung)

  • BGH zu Teilnahme & Regelbeispielen: Für Teilnehmer ist der Begehungszeitpunkt der Teilnahmehandlung maßgeblich (Tatzeitrecht!). Besonders schwere Fälle sind für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen; man darf nicht bloß vom Haupttäter „durchreichen“.
  • „Nur vorbereitet – nicht eingereicht“: Fertigt der Berater nur den Entwurf, unterschreibt/übermittelt jedoch nicht selbst, fehlt es i. d. R. an eigenen Angaben gegenüber dem Finanzamt – § 378 AO scheidet regelmäßig aus.
  • Dokumentationsgold: Schriftliche Hinweise, Warnungen (z. B. fehlende Rechnungen, Scheinrechnungen), Rückfragen und Mandantenbestätigungen sind oft verfahrenentscheidend.

6) Compliance-Checkliste für Kanzleien & Unternehmen

  • Auftragsklarheit: Schriftliche Leistungsabgrenzung (Vorbereitung vs. Einreichung, Vollmacht, Vertretung).
  • KYC & Plausibilitäten: Lieferungen/Leistungen, Rechnungsmerkmale, Zahlungsflüsse, auffällige Konstruktionen.
  • Warn- & Eskalationspfad: Standardisierte Hinweisschreiben bei Dokumentationslücken; Sperrvermerke bei nicht abstellbaren Risiken.
  • Vier-Augen-Prinzip bei sensiblen Vorgängen, Fristen- & Aufgaben-Tracking.
  • Dokumentation: Gesprächsvermerke, E-Mails, Upload-Protokolle, Checklisten.
  • Bei Verdachtsmomenten: Prüfung § 153 AO (Berichtigung), Selbstanzeige-Optionen und Verfahrensstrategie (präventiv vs. reaktiv).

FAQ: Steuerberater, Steuerhinterziehung & Beihilfe

Bin ich als Mandant „aus dem Schneider“, wenn mein Steuerberater alles macht?
Nein. Sie bleiben verantwortlich für die Richtigkeit. Der Berater hilft – aber falsche Tatsachen bleiben Ihr Risiko.

Wann haftet der Steuerberater strafrechtlich?
Wenn er selbst falsche/unvollständige Angaben gegenüber dem Finanzamt macht, bewusst fördert (Beihilfe), mitplant (Mittäterschaft) oder den Mandanten gezielt fehlleitet (mittelbare Täterschaft).

Reicht „nur vorbereiten“ für § 378 AO?
Regelmäßig nein. Ohne eigene Abgabe gegenüber dem Finanzamt fehlt es an der erforderlichen Tathandlung für § 378 AO.

Wer muss nach § 153 AO berichtigen?
Steuerpflichtige und handelnde Vertreter (§§ 33, 34 AO). Berater/Mitarbeiter sind keine unmittelbaren Adressaten der Berichtigungspflicht.

Ich habe Unterlagen nicht geschafft – entlastet Überlastung?
Nein. Arbeitsüberlastung oder Unwissenheit entschuldigen nicht. Bei Profis gelten strenge Sorgfaltsmaßstäbe.

Kann berufstypisches Handeln Beihilfe sein?
Ja, wenn es wissentlich strafbares Verhalten fördert. Neutral ist es nicht automatisch – entscheidend sind Kontext und Wissen.

Gibt es Verteidigungsansätze bei Teilnahmevorwürfen?
Ja: Tatzeitrecht, Rollenabgrenzung (Vorbereitung vs. Abgabe), fehlende eigene Angaben, fehlender Vorsatz, Dokumentationslage, gesonderte Prüfung von Regelbeispielen beim Teilnehmer.

Was tun bei Ermittlungs-Schreiben?
Nicht allein reagieren. Akteneinsicht, Sicherung der Dokumentation, Prüfung § 153/§ 371/§ 378 Abs. 3 AO, Kommunikationsstrategie – und frühzeitige Verteidigung.


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