Selbstanzeige

Strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO): Voraussetzungen, Umfang, Sperrgründe

Eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO führt nur dann zur Straffreiheit wegen Steuerhinterziehung, wenn sie vollständig, richtig und rechtzeitig erfolgt. Maßgeblich ist jede einzelne Tat (Steuerart × Besteuerungszeitraum × Steuerpflichtige*r). Für alle strafrechtlich unverjährten Fälle derselben Steuerartmindestens die letzten zehn vollen Kalenderjahre – müssen die Besteuerungsgrundlagen vollständig nacherklärt werden. Teilselbstanzeigen sind grundsätzlich unwirksam.

Was genau muss offengelegt werden?

Erforderlich sind die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen (Zahlen/Fakten) in einer Tiefe, die dem Finanzamt eine richtige Festsetzung ohne eigene Nachforschungen ermöglicht. Wo Unterlagen fehlen, sind plausible, nachvollziehbare Schätzungen zulässig. Eine bloße „Selbstanzeige dem Grunde nach“ oder das Schritt-für-Schritt-Nachreichen ist riskant: Tritt in der Zwischenzeit ein Sperrgrund ein (z. B. Tatentdeckung), ist die Strafbefreiung weg.

Steuerart, Tateinheit & Zehn-Jahres-Zeitraum

  • Steuerart richtet sich regelmäßig nach dem jeweiligen Steuergesetz (z. B. Einkommensteuer). Innerhalb der Steuerart sind alle unverjährten Taten offenzulegen; andere Steuerarten werden isoliert betrachtet.
  • Bei Tateinheit muss die Anzeige alle betroffenen Taten erfassen – Teilselbstanzeigen sind auch hier ausgeschlossen.
  • Die Anzeige muss mindestens zehn volle Kalenderjahre vor Abgabe abdecken; daneben gilt die strafrechtliche Verjährung (i. d. R. 5 Jahre; bei besonders schweren Fällen bis zu 15 Jahre).

Unvollständigkeiten, neue Fehler & zulässige Abweichungen

  • Unvollständig = unwirksam (Ausnahme nur für bestimmte USt-Voranmeldungen/LSt-Anmeldungen).
  • Enthält die Berichtigung neue erhebliche Fehler, ist sie unwirksam; Irrtümer zu eigenen Ungunsten schaden in der Regel nicht.
  • Bagatellabweichungen sind unschädlich; als Faustregel gilt: > 5 % Abweichung vom Verkürzungsbetrag der jeweiligen Tat ist regelmäßig nicht mehr geringfügig. Eine Saldierung über Jahre findet nicht statt – es bleibt bei der tatbezogenen Prüfung.

Sperrgründe: Wann ist es zu spät?

Straffreiheit scheidet u. a. aus, wenn vor Eingang der Selbstanzeige:

  • eine Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde,
  • die Einleitung eines Straf-/Bußgeldverfahrens bekanntgegeben wurde,
  • ein Amtsträger zur Prüfung/Ermittlung erschienen ist, oder
  • die Tat (teilweise) entdeckt war und dies erkennbar war.
    Weitere Sperren: Betragsgrenze (aktuell 25.000 € je Tat) und bestimmte schwere Fälle (z. B. Nutzung beherrschter Drittstaat-Gesellschaften zur Verschleierung). Greifen nur diese beiden letztgenannten, ist oft ein Absehen von Verfolgung gegen Zahlung nach § 398a AO möglich.

Rechtsfolgen & Nebenwirkungen

  • § 371 AO ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund: Straffreiheit gibt es nur für die Selbstanzeigende Person, wenn zusätzlich Steuern und Hinterziehungszinsen fristgerecht gezahlt werden.
  • Andere Delikte (auch tateinheitliche Nichtsteuerstraftaten) bleiben strafbar.
  • Disziplinarrechtliche Maßnahmen (z. B. im öffentlichen Dienst) sind trotz wirksamer Selbstanzeige möglich, wirken aber regelmäßig mildernd.
  • Im Steuerverfahren bleiben Steuer-/Haftungsansprüche bestehen; die Selbstanzeige löst u. a. eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 AO aus.
  • Eine „verunglückte“ Selbstanzeige (z. B. unvollständig oder Sperrgrund greift) führt zwar nicht zur Strafbefreiung, kann aber strafmildernd berücksichtigt werden und Grundlage für Verfahrenslösungen sein.

Sachlicher Anwendungsbereich

§ 371 AO gilt nur für Steuerhinterziehung (§ 370 AO), nicht für Bannbruch, Schmuggel, Steuerhehlerei oder § 26c UStG (ordnungsgemäß erklärt, aber nicht gezahlt). Erfasst sind auch EU-Abgaben nach § 370 Abs. 6 AO (Anzeige gegenüber der deutschen Finanzbehörde). Für leichtfertige Steuerverkürzung greift § 378 Abs. 3 AO (entsprechende Selbstanzeige-Regel).


FAQ zur Selbstanzeige nach § 371 AO

Wann ist eine Selbstanzeige strafbefreiend?
Wenn sie vollständig, richtig und rechtzeitig alle unverjährten Fälle derselben Steuerart (mindestens 10 volle Kalenderjahre) mit den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen offenlegt und Steuern/Zinsen fristgerecht gezahlt werden.

Gilt das „zehn Jahre“-Kriterium immer?
Ja, die zehn vollen Kalenderjahre sind Mindestumfang; daneben ist die strafrechtliche Verjährung zu beachten (5 bzw. bis 15 Jahre bei schweren Fällen).

Was zählt als „vollständig“?
Das Finanzamt muss ohne eigene Nachforschungen festsetzen können. Reine Quellenangaben reichen nicht; Schätzungen sind möglich, wenn plausibel begründet.

Ist eine Teilselbstanzeige möglich?
Grundsätzlich nein – sie ist unwirksam (Ausnahme nur für bestimmte USt-Voranmeldungen/LSt-Anmeldungen).

Wie streng ist die 5-%-Grenze?
Als Richtwert: Ab > 5 % Abweichung vom Verkürzungsbetrag der konkreten Tat ist es regelmäßig nicht mehr geringfügig. Eine Saldierung über Jahre findet nicht statt.

Darf ich in Stufen nachreichen?
Sehr riskant. Eine „Ankündigung“ ist keine wirksame Selbstanzeige. Tritt ein Sperrgrund ein, ist Straffreiheit weg. Besser: komplett einreichen (ggf. mit konservativen Schätzungen).

Was sind die wichtigsten Sperrgründe?
Bekannte Prüfungsanordnung, Einleitung Straf-/Bußgeldverfahren, Erscheinen zur Prüfung/Ermittlung, entdeckte Tat (bei Erkennenmüssen). Zusätzlich die Betragsgrenze und bestimmte schwere Fälle (z. B. Drittstaat-Gesellschaften).

Gilt § 371 AO auch für andere Delikte?
Nein. Er betrifft nur § 370 AO. Andere (auch tateinheitliche) Delikte bleiben verfolgbar.

Hilft die Selbstanzeige auch dem Unternehmen (§ 30 OWiG)?
Nur, wenn sämtliche tatbeteiligten Leitungspersonen wirksam selbstanzeigen. § 371 AO ist persönlich.

Welche Zahlungen sind fällig?
Die hinterzogenen Steuern sowie regelmäßig die Hinterziehungszinsenfristgerecht. Ohne Zahlung keine Strafaufhebung.

Was passiert im Steuerverfahren?
Die Anzeige bewirkt Strafbefreiung, ändert aber nichts an Steuer-/Haftungsansprüchen; es greift u. a. die Ablaufhemmung nach § 171 AO.

Bringt eine „verunglückte“ Selbstanzeige etwas?
Ja, häufig strafmildernd; je nach Fall kommen § 46a StGB, §§ 153 ff. StPO oder § 398a AO (bei bestimmten Sperren) in Betracht.


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