Insolvenzverschleppung – § 15a InsO

Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO)

Was bedeutet Insolvenzverschleppung?

Insolvenzverschleppung meint das Unterlassen, den Insolvenzantrag rechtzeitig und ordnungsgemäß zu stellen, obwohl bereits Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist. § 15a InsO macht dieses Unterlassen für bestimmte Unternehmensorgane strafbar.

Wer ist antragspflichtig? (Täterkreis)

Antragspflichtig sind Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler juristischer Personen (z. B. Geschäftsführer einer GmbH, Vorstände einer AG; auch faktische Organträger).
Bei führungslosen Gesellschaften erweitert § 15a Abs. 3 den Kreis: alle Gesellschafter der GmbH bzw. alle Aufsichtsratsmitglieder einer AG/Genossenschaft müssen tätig werden. Teilnahme (Anstiftung/Beihilfe) ist für Dritte möglich.

Wann beginnt die Pflicht? (Insolvenzgründe)

Die Antragspflicht entsteht mit objektivem Eintritt eines Insolvenzgrundes:

  • Zahlungsunfähigkeit (wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, fällige Verbindlichkeiten in wesentlichem Umfang zu bedienen).
  • Überschuldung (Aktiva decken Passiva nicht und keine überwiegend wahrscheinliche Fortführungsprognose).

Welche Fristen gelten?

  • 3 Wochen ab Zahlungsunfähigkeit
  • 6 Wochen ab Überschuldung (nur wenn allein Überschuldung vorliegt)
    Sanierungsbemühungen verlängern die Höchstfristen nicht. Das Ziel ist eine zügige Antragstellung.

Form & Richtigkeit des Antrags

Der Antrag muss formwirksam und inhaltlich richtig gestellt werden. Nicht nur das gänzliche Unterlassen oder Verspäten ist strafbar, sondern auch die rechtzeitige, aber inhaltlich unrichtige Antragstellung (z. B. Mindestangaben nicht erfüllt).

Besonderheiten zur Überschuldung & Fortführungsprognose

Die Fortführungsprognose steht im Zentrum der Überschuldungsprüfung. Ist mittelfristig eine tragfähige Fortführung überwiegend wahrscheinlich, liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor. Fehlt diese Aussicht, ist ein Überschuldungsstatus aufzustellen (Stichtagsbetrachtung; wahre Werte).

Vorsatz, Fahrlässigkeit & Rechtfertigung

  • Vorsatz: Kenntnis (oder billigendes Inkaufnehmen) von Organstellung, Insolvenzgrund und Unterlassen.
  • Fahrlässigkeit (§ 15a Abs. 5): Sorgfaltsverstoß, z. B. Krisenanzeichen ignoriert, Antrag „vergessen“, ungesicherte Hoffnung auf Sanierung ohne belastbaren Plan.
  • Rechtfertigungen sind praktisch selten; Gesellschafter-/AR-Weisungen zur Nichtbeantragung binden nicht.

Verjährung & Zuständigkeiten

  • Verjährung: vorsätzlich 5 Jahre, fahrlässig 3 Jahre.
  • Verfolgung: regelmäßig Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftsstrafsachen.

Typische Fehler in der Praxis

  • Fristbeginn missverstanden (z. B. „erst ab Kenntnis“ → maßgeblich ist objektiver Eintritt).
  • Keine belastbare Liquiditätsplanung / Fortführungsprognose.
  • Abwarten wegen Investorengesprächen über die Höchstfrist hinaus.
  • Form-/Inhaltsmängel beim Antrag.

Compliance-Checkliste

  • Frühwarnsystem (Liquiditätsplanung, KPI-Monitoring).
  • Klare Rollen & Eskalationswege (Organhaftung, AR-Einbindung).
  • Dokumentierte Sanierungspläne mit Prüfpfaden.
  • Fristenkalender (3/6-Wochen-Track).
  • Externe Prüfung (Steuerberater/WP) mit Plausibilitätsabgleich.

FAQ zur Insolvenzverschleppung

Wann muss der Insolvenzantrag gestellt werden?
Sobald Zahlungsunfähigkeit eintritt (max. 3 Wochen) oder bei Überschuldung (max. 6 Wochen, wenn nur Überschuldung vorliegt).

Wer ist strafbar bei Insolvenzverschleppung?
Organmitglieder und Abwickler; bei Führungslosigkeit auch Gesellschafter (GmbH) bzw. Aufsichtsräte (AG/Genossenschaft). Teilnahme durch Dritte ist möglich.

Reicht laufende Investorensuche, um den Antrag aufzuschieben?
Nein. Die Höchstfristen sind strikt. Gespräche heben die Pflicht nicht auf.

Ist eine falsche oder unvollständige Antragstellung strafbar?
Ja. Auch rechtzeitig, aber inhaltlich unrichtige Anträge können die Strafbarkeit auslösen.

Wie unterscheidet sich Überschuldung von Zahlungsunfähigkeit?
Zahlungsunfähigkeit betrifft die Liquidität. Überschuldung vergleicht Vermögen und Schulden – entfällt, wenn die Fortführung überwiegend wahrscheinlich ist.

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