Durchsuchung im Ermittlungsverfahren: Rechte, Ablauf & Verteidigung
Kurz erklärt
Durchsuchungen dienen der Sicherstellung von Beweismitteln oder der Ergreifung von Beschuldigten. Sie greifen in Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) ein und unterliegen strengen Voraussetzungen: Richtervorbehalt (§ 105 StPO); Ausnahme nur bei Gefahr im Verzug. Antragsbefugt ist die Staatsanwaltschaft, in Steuerstrafsachen die BuStra (nicht die Steuerfahndung als bloßes Hilfsorgan).
Offene Maßnahme & Anwesenheitsrecht
Eine Durchsuchung ist offen: Der Wohnungsinhaber (bei Mietobjekten: der tatsächliche Nutzer) darf anwesend sein. Heimliche Wohnungszugriffe sind unzulässig.
Arten von Durchsuchungen
1) Beim Beschuldigten – § 102 StPO
Voraussetzung ist ein personenbezogener Anfangsverdacht. Durchsucht werden dürfen Wohnung, sonstige Räume, Person und mitgeführte Sachen.
2) Bei Dritten – § 103 StPO
Restriktiver: Zulässig zur Ergreifung des Beschuldigten, zur Verfolgung von Spuren oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände. Es müssen konkrete Tatsachen vorliegen, dass sich Person/Spur/Gegenstand in den Räumen befindet. Möglich ist auch eine körperliche Untersuchung Unverdächtiger (eng begrenzt).
Durchsuchungsbeschluss: Inhalt & Kontrolle
Der Beschluss muss klar bestimmt sein:
- konkrete Straftat (Tatvorwurf),
- gesuchte Beweismittel (Art/Artgruppen),
- zu durchsuchende Räume/Personen.
So kann die Rechtsmäßigkeit geprüft und die Durchführung kontrolliert werden.
Rechtsschutz
Gegen den richterlichen Beschluss ist Beschwerde gem. § 304 StPO möglich. Durchsuchungen in Geschäftsräumen juristischer Personen kommen in Betracht, regelmäßig auf Grundlage eines Verdachts gegen natürliche Personen (z. B. Organmitglieder).
Verteidigungsstrategie schon während der Maßnahme
Ziehen Sie frühzeitig Verteidigung hinzu. In Abstimmung kann eine gezielte freiwillige Herausgabe bestimmter Beweismittel sinnvoll sein – ohne auf Rechte zu verzichten. Bei gravierenden Fehlern der Maßnahme kommen Beweisverwertungsverbote in Betracht.
Sonderfall: Steuerstrafverfahren – Durchsuchung von Büro- und Kanzleiräumen (Steuerfahndung)
- Start & Formalien: Der Durchsuchungsleiter weist sich aus und legt den Beschluss vor – Kopie sichern. Der Beschluss sollte Steuerart, Tatzeitraum und Vorwürfe konkret benennen. Bei Verdacht gegen den Berater kann § 102 StPO einschlägig sein (frühe Belehrung).
- Umfang: Unterlagen eines beschuldigten Mandanten dürfen umfassend durchsucht werden. Handakten des Beraters dürfen nur zur Prüfung des Zeugnisverweigerungsrechts gesichtet werden. Versiegelung verlangen, falls erforderlich (spätere Entscheidung durch Ermittlungsrichter).
- Beschlagnahme & Protokoll: Nach Abschluss erhalten Sie ein Verzeichnis der sichergestellten Gegenstände. Wichtig: klare Kennzeichnung als Beschlagnahme (nicht „freiwillig übergeben“). Beschlagnahmeverbote (berufsbezogenes Vertrauensverhältnis) beachten und Versiegelung beantragen, bis gerichtlich entschieden ist.
- Rechtsmittel & Rügen: Gegen den Beschluss: Beschwerde. Gegen die Durchführungsweise: gerichtliche Überprüfung beantragen und Protokollierung aller Beanstandungen sicherstellen.
Verhaltenstipps während der Durchsuchung (Checkliste)
- Ruhe bewahren.
- Schweigen. Keine Aussagen zur Sache oder „informelle Gespräche“.
- Verteidiger anrufen – unverzüglich. Um kurze Unterbrechung bitten, bis Rücksprache erfolgt.
- Beschluss prüfen & kopieren.
- Identitäten notieren: Namen/Dienstausweisnummern der Beteiligten. Mitarbeitende geben nur Personalien, keine Sachaussagen.
- Nichts verbergen/vernichten.
- Gezielt hinweisen: Zeigen Sie nur auf im Beschluss benannte Beweismittel – reduziert Streuverluste.
- IT/EDV: Daten spiegeln statt entfernen; benötigte Dokumente kopieren.
- Keine „freiwillige Herausgabe“. Bei Nachfrage: verneinen und Widerspruch gegen die Beschlagnahme protokollieren lassen.
- Alles dokumentieren. Fragen, Anordnungen, Abläufe schriftlich festhalten (auch durch Mitarbeitende).
FAQ: Häufige Fragen zur Durchsuchung
Braucht die Polizei/StA immer einen Durchsuchungsbeschluss?
Regelfall: Ja – richterlicher Beschluss gem. § 105 StPO. Ausnahme: Gefahr im Verzug; dann kann die Staatsanwaltschaft anordnen.
Muss ich die Beamten in die Wohnung lassen?
Ja, bei Vorlage eines wirksamen Beschlusses. Sie haben aber ein Anwesenheitsrecht und dürfen keine Aussagen zur Sache machen.
Darf ich telefonieren bzw. meinen Verteidiger anrufen?
Ja. Sofort Verteidigung kontaktieren und um kurze Unterbrechung bitten.
Soll ich Passwörter oder PINs herausgeben?
Geben Sie nichts heraus, bevor Sie mit der Verteidigung gesprochen haben. Die Situation ist rechtlich komplex – zunächst schweigen und beraten lassen.
Mein Beschluss wirkt unbestimmt – was tun?
Monieren, dokumentieren, Kopie sichern. Nach der Maßnahme kann Beschwerde (§ 304 StPO) eingelegt und die Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüft werden.
Was passiert mit beschlagnahmten Datenträgern?
Sie erhalten ein Beschlagnahmeverzeichnis. Es sind Anträge auf Herausgabe/Kopie möglich; ggf. Versiegelung bis zur richterlichen Entscheidung.
Gibt es ein Beweisverwertungsverbot bei Fehlern?
Kommt in Betracht, wenn Gewicht und Rechtswidrigkeit der Maßnahme die geschützten Interessen überwiegen. Das prüft man einzelfallbezogen nach Akteneinsicht.
Durchsuchung in Geschäfts-/Kanzleiräumen – Besonderheiten?
Ja: Beschlusskopie, Bestimmtheit, berufsbezogene Beschlagnahmeverbote, Versiegelung prüfen; alles rügen & protokollieren.
Freiwillig herausgeben, um „schnell fertig“ zu werden?
Nur nach Verteidiger-Absprache. Unkoordinierte „Freiwilligkeit“ schwächt oft die spätere Rechtsposition.
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