Vorschaubild Seite 16 - Newsletter Medizinstrafrecht 2013
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Gastbeitrag: Wie Roboter Medizin und Recht verändern

Zur medizin(straf)rechtlichen Relevanz moderner Technologien

Von Dr. Susanne Beck, LL.M. (LSE) EBS Wiesbaden

Die Robotik gilt als eine der Zukunftstechnologien dieses Jahrhunderts: Bewegliche Roboter werden in absehbarer Zeit den medizinischen Alltag verändern. Die Klärung der entsprechenden rechtlichen Fragen steht dagegen erst am Anfang. Beherrschen wir diese Technologien oder drohen uns Erscheinungsformen wie "lernende Roboter" oder Maschine-Mensch-Systeme zu entgleiten?

Dachte man bei real eingesetzten Robotern bisher vor allem an in Käfigen agierende Industrieroboterarme, die mit dem Menschen grundsätzlich nicht in Berührung kamen, sind wir bereits heute mit diesen Maschinen in sehr viel stärkere Weise konfrontiert: von der Einparkhilfe über elektronische Agenten im Internet bis hin zur unbemannten Drohne begegnen uns mehr oder weniger stark autonom handelnde Maschinen immer öfter auch in der Wirklichkeit. Die Konfrontation mit Maschinen, die menschliche Entscheidungen übernehmen (zum Teil genau festgelegten Programmen folgend, zum Teil auch selbständig aus den gemachten Erfahrungen lernend) wird in den nächsten Jahren zunehmen.

Das gilt auch für den medizinischen Bereich. Ein mögliches Zukunftsszenario könnte – nur beispielhaft – wie folgt aussehen: Bewegliche Roboter werden das Pflegepersonal bei der Umbettung von Patienten unterstützen, das Essen auf den Stationen ausliefern oder die Patienten an ihre Medikamente und genügend Flüssigkeitsaufnahme erinnern; automatisierte Operationssäle werden den Patienten nicht nur überwachen und Raumtemperatur oder Lage des Bettes an den Operationsverlauf anpassen, sondern möglicherweise sogar in die Entscheidungen des Operationsteams eingreifen; Roboter-Haustiere werden einsamen Patienten und Senioren Gesellschaft leisten; Menschen werden in Wohnungen leben, die ihre Bewegungen und Vitalfunktionen überwachen, um bei einem Sturz, zu langer Bewegungslosigkeit oder auch nur Nicht-Einnahme der Medikamente gegebenenfalls den Hausarzt oder gar Notarzt zu informieren.

Diese Entwicklung stellt das Recht vor bisher unbekannte Herausforderungen. So ist bis heute nicht umfassend geklärt, wer für Fehler des Roboters haftet. Eine umfassende Orientierung an der Haftung bei bereits existierenden Maschinen ist nicht möglich, weil der Roboter teilweise selbst aus Erfahrungen lernt bzw. vom Nutzer trainiert werden kann und seine Handlungen ex ante nicht umfassend vorhersehbar und kontrollierbar sind – eine uneingeschränkte Haftung des Produzenten bzw. Programmierers erscheint deshalb genauso problematisch wie eine Haftung des Nutzers, der regelmäßig nicht in der Lage ist, vorher zu überprüfen, ob der Roboter entsprechend seinen Aufgaben programmiert wurde und fehlerfrei funktioniert. Gerade weil auch im Nachhinein in vielen Fällen nicht mehr feststellbar sein wird, worauf das Fehlverhalten des Roboters basiert, stellen sich hier völlig neue Fragen im Haftungsrecht. Dies hat auch strafrechtliche Konsequenzen, gibt es doch insofern keine verlässlichen Orientierungsmaßstäbe für die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit.

Hinzu kommt eine weitere Problematik, die vielen Forschern und Nutzern der Maschinen bisher nicht umfassend bewusst zu sein scheint: Der Datenschutz. Dass ein automatisierter Operationssaal oder eine mit unzähligen Sensoren ausgestattete Wohnung eine unendliche Datenmenge sammeln werden, dass völlig unklar ist, ab wann hier von "Verwendung" der Daten die Rede sein muss und dass hier eine Neuregelung des Schutzes der Betroffenen erforderlich ist (die in Fachkreisen bereits diskutiert wird), mag schnell einleuchten. Aber auch ein Roboter, der lediglich durch die Krankenhausflure fährt, muss aus Gründen seiner Funktionsfähigkeit seine Umgebung erfassen, abspeichern und verarbeiten. Es werden also zwangsläufig Daten über Patienten, die nicht direkt mit dem Roboter in Kontakt treten, sowie über Besucher, gesammelt. Auch insofern ist zu diskutieren, wie hier ein optimaler Schutz aller Beteiligten unter Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Maschine erreicht werden kann. Und auch insofern drohen z.T. strafrechtliche Konsequenzen (§§ 43, 44 BDSG).

Schließlich werden Schwierigkeiten bezüglich der Patienteneinwilligung und der hierfür erforderlichen Aufklärung – und damit im Bereich der Strafbarkeit wegen Körperverletzung, § 223 StGB, entstehen. Da diese Maschinen eben nicht umfassend vorhersehbar und beherrschbar agieren, sind schon genaue Angaben über die Art des mit ihrem Einsatz verbundenen Risikos schwierig. Noch schwieriger werden Auskünfte über die Höhe des Risikos sein. Wann genau in derartigen Fällen eine Einwilligung wirksam ist, ist daher schwierig festzustellen.

Das sind nur einige der (straf-)rechtlichen Probleme, die sich künftig aus einer – wohl nicht mehr aufhaltbaren, und in vielerlei Hinsicht ja auch begrüßenswerten – Maschinisierung des medizinischen Bereichs ergeben werden. Die Komplexität der sich bereits heute stellenden rechtlichen Fragen sollte nicht unterschätzt werden. Bisher finden sich hierzu nur einige wenige Rechtsexperten; es ist daher zwingend notwendig, die Debatte in der Rechtspraxis und -wissenschaft, aber auch in der Öffentlichkeit, auszuweiten. Nicht zuletzt sollten auch die Nutzer dieser Maschinen schon früh ein Bewusstsein für die mit ihnen verbundenen Probleme entwickeln.

Nur kurz sei erwähnt, dass sich die Probleme noch potenzieren, sobald es nicht mehr um die klassischen Roboter geht, sondern um Mensch-Maschine-Systeme (oder, in science-fiction-Sprache: Cyborgs). Viele der in der Robotik entwickelten Technologien werden auch am oder im Menschen Einsatz finden: Verbesserte Sensorik könnte zur Entwicklung bzw. Verbesserung künstlicher Sinnesorgane beitragen; Exo-Skelette könnten gelähmte Patienten mobilisieren; Hirnschrittmacher könnten über die aktuelle Verwendung bei Parkinson-Patienten zur Heilung psychischer Krankheiten beitragen und schließlich könnten Computer-Chips im Gehirn gegen die alltags- oder altersbedingte Vergesslichkeit ankämpfen. Dies sind nur ausgewählte Beispiele, von denen einige nur ein paar Monate, andere noch Jahrzehnte in der Zukunft liegen. Es ist Aufgabe des Rechts zu klären, welche Voraussetzungen für die Erforschung derartiger Medizintechniken zu erfüllen sind. Dasselbe gilt für die Frage, ob wir eigentlich erlauben wollen, dass der Mensch maschinell "aufgerüstet" wird oder ob wir hier irgendwelche Grenzen setzen wollen. Diese Frage kann nicht allein das Recht entscheiden. Die Jurisprudenz kann jedoch dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit die Debatte aufnimmt und die dann gefundenen Ergebnisse in rechtliche Formen gießen.

Die Autorin ist seit kurzem habilitiert und lehrt an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden. Zuvor war Frau Dr. Beck Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der Universität Würzburg.

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