Vorschaubild Seite 11 - Newsletter Medizinstrafrecht 2013
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Vorsicht bei Eigendiagnose sachkundiger Patienten

Arzt wird wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Die Eigendiagnose eines Patienten, mag er auch selbst sachkundig und sehr selbstbewusst sein, darf die Klärung durch den Arzt nicht ersetzen. Im vom Oberlandesgericht Koblenz (5 U 857/11) zu entscheidenden Fall wurde ein 36-jähriger Rettungssanitäter von zwei Kollegen mit einem Krankenwagen unter Einsatz von Blaulicht und Martinshorn zum beklagten Orthopäden in das Universitätsklinikum gebracht. Unterwegs hatte er den Verdacht geäußert, dass die außergewöhnlich starken Schmerzen der linken Körperseite (ähnlich wie im Oktober des Vorjahres) auf der Einklemmung eines Nervs im Bereich der Halswirbelsäule beruhten.

Diesen Verdacht äußerte er später auch gegenüber dem Orthopäden. Dieser ging davon aus, dass die internistische Abklärung im direkten Vorfeld erfolgt sei, dabei bezog der Patient sich auf eine im Jahr zuvor erfolgte Befunderhebung. Der Orthopäde diagnostizierte eine Querwirbelblockade und eine Muskelverspannung. Er entließ den Patienten gegen 16.40 Uhr. Gegen 18.00 Uhr fand ihn die Ehefrau im Bad bewusstlos auf dem Boden liegend. Der herbeigerufene Notarzt stellte nach vergeblichen Widerbelebungsversuchen gegen 19.00 Uhr den Tod fest.

Die Obduktion ergab, dass der Verstorbene ältere Herzmuskelinfarkte im Bereich der Kammerrückwand links zur Herzspitze und zur Kammerscheidewand erlitten hatte. Daneben stellte der Rechtsmediziner Zeichen frischer Herzmuskeluntergänge im Bereich des alten Herzmuskelinfarktbezirkes fest. Todesursächlich war ein akuter vollständiger Verschluss der rechten Herzkranzarterie.

In der Entscheidung vom 30.01.2012 stellt das Oberlandesgericht fest, dass dem Beklagten ein Befunderhebungsversäumnis unterlaufen ist. Aus Sicht des Gerichts hätte die gebotene alsbaldige internistische Befunderhebung einen infarktbedingten Untergang der Herzbeutelmuskulatur zutage gefördert, weshalb die daran anknüpfende unverzügliche kardiologische und internistische Krisenintervention das Leben des Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit gerettet hätte. Zwar hielt das Gericht dem beklagten Orthopäden zugute, dass das außerordentlich selbstbewusste und von angeblicher Sachkunde geprägte Verhalten des Patienten den Blick auf die wahre Schmerzursache verstellen konnte, dennoch bejahte es den Anspruch der Kläger auf Schadensersatz dem Grunde nach.

Im Strafverfahren ist durch rechtskräftigen Strafbefehl auf eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen fahrlässiger Tötung erkannt worden.

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