Vorschaubild Seite 1 - Newsletter Medizinstrafrecht 2013
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Themenschwerpunkt: Durchsuchungen in Arztpraxen und Krankenhäusern

Was tun wenn der Staatsanwalt klingelt?

Ärzte und Mediziner geraten immer stärker in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden. In den entsprechenden Ermittlungsverfahren – oft ausgelöst durch Unstimmigkeiten in Abrechnungen oder Strafanzeigen von Patienten – finden regelmäßig auch Durchsuchungen und Beschlagnahmen statt. Eine psychisch belastende Situation, die zugleich eine hohe Reputationsgefährdung bedeutet. Daher sollte jeder Arzt und jede Klinik wie Wirtschaftsunternehmen darauf vorbereitet sein.

Während die Ärzteschaft lange Zeit unbehelligt blieb, ist eine zunehmende Tendenz der Verfolgung von Wirtschaftsstraftätern bereits seit Mitte der 90er Jahre zu beobachten. Wirtschaftsstraftaten werden als Schädigung der Allgemeinheit aufgefasst und dementsprechend hart sanktioniert. Verbunden mit der zunehmenden Kommerzialisierung des Gesundheitssektors werden medizinische Einrichtungen ebenso wie niedergelassene Ärzte verstärkt als Unternehmen wahrgenommen und dementsprechend behandelt, was dazu führt, dass Ärzte mehr und mehr in den Fokus der zuständigen Staatsanwaltschaften geraten. Allein die Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main registrierte in den letzten drei Jahren (2010, 2011 und 2012) 945 neue Ermittlungsverfahren gegen Ärzte und medizinisches Personal. Fast ausnahmslos fanden in den entsprechenden Verfahren auch Durchsuchungen von Arztpraxen und Privatwohnungen statt. Dabei ist sich bewusst zu machen, dass eine Durchsuchung allein dazu dient, einen Tatverdacht zu ergründen. Mitunter kann somit bereits eine fahrlässig falsch erstellte Abrechnung oder die Aussage eines unzufriedenen Patienten dazu führen, dass unerwünschter Besuch vor der Türe steht.Typische Delikte mit denen sich Ärzte in Ausübung ihres Berufes konfrontiert sehen, sind der Abrechnungs- und Honorarbetrug (§ 263 StGB), Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 ff. StGB), fahrlässige Tötung und Körperverletzung (§§ 222 ff. StGB), Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) sowie zunehmend Verstöße gegen das Datenschutzrecht. Durchsuchungsobjekte sind bei niedergelassenen Ärzten deren Praxis sowie sämtliche Privatwohnungen und Kraftfahrzeuge; bei Krankenhausärzten werden regelmäßig zusätzlich die Archive der Verwaltung durchsucht.

Die Ermittlungsbeamten erscheinen dabei unangekündigt und bei größeren Durchsuchungsobjekten bisweilen in geballter Form zu den regulären Öffnungszeiten der Praxis oder am frühen Morgen in den Kliniken. Noch während sich der Einsatzleiter nach dem verantwortlichen Arzt oder Leiter der Einrichtung erkundigt, beginnen die Beamten an verschiedenen Punkten mit der Durchsuchung. Eine Aufrechterhaltung eines Praxisbetriebs ist spätestens ab diesem Moment regelmäßig nicht mehr möglich. Räumlichkeiten und Ausstattung der Praxis werden genau dokumentiert, auch wird festgehalten welche Personen an welchen Orten angetroffen werden. Dem beschuldigten Arzt oder Verantwortlichen einer Klinik wird währenddessen der schriftliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss ausgehändigt, der nach offensichtlichen Fehlern (Falsches Datum? Falsche Räumlichkeiten?) überprüft werden sollte. Um den Durchsuchungszweck nicht zu gefährden, wird dem Beschuldigten sowie potentiellen Zeugen (insb. Arzthelferinnen, Sekretärinnen) regelmäßig jegliche Kommunikation untersagt. Selbst eine körperliche Durchsuchung kann im Einzelfall ebenfalls zulässig sein.

Die Strafverfolger sichern die Patientenkartei (je nach Tatvorwurf entweder Akten/Unterlagen einzelner Patienten oder nach Buchstaben, häufig aber auch die gesamte Kartei) sowohl in Papierform als auch digital durch Datensicherung oder Mitnahme des Rechners. Das gleiche gilt für sonstige Behandlungsdokumentationen (z.B. Laborbücher) Abrechnungsunterlagen, insb. mit der KV, oder Vermögensnachweise. Da in den wenigsten Fällen eine umfassende Sichtung der aufgefundenen Unterlagen vor Ort möglich ist, werden sämtliche Unterlagen beschlagnahmt und das gesamte Material abtransportiert.

Vorsicht Falle:

Auf keinen Fall sollte versucht werden, Beweismaterial z. B. durch Schreddern zu vernichten. Dies könnte zu dem bestehenden Tatverdacht den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr begründen. Die Folge könnte ein Haftbefehl und die Anordnung von Untersuchungshaft sein.

Durchaus üblich ist es auch, während der Durchsuchungsmaßnahmen durch informatorische Befragungen von Zeugen einen ersten Eindruck über die organisatorischen Abläufe und Verantwortlichkeiten in der Praxis oder der Einrichtung zu gewinnen.

Für die Betroffenen einer Durchsuchung – gleich ob Zeugen oder Beschuldigte – stellt eine solche Maßnahme eine extrem belastende Ausnahmesituation dar. Man sieht sich hilflos dem Vorgehen der Staatsmacht ausgeliefert, gerade ein mögliches Verbot untereinander zu kommunizieren oder Lebenspartner/Freunde zu kontaktieren wirkt beklemmend. Unabhängig davon, ob der jeweilige Tatvorwurf zutrifft oder nicht – ein hoher Reputationsverlust ist stets zu befürchten.

Der Durchsuchungsbeschluss begründet die Rechtmäßigkeit des Vorgehens
Die Stärke einer Durchsuchung aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden liegt auch in ihrer Schockwirkung. Oberstes Gebot im Falle einer Durchsuchung ist es daher, Ruhe zu bewahren und in der Sache vollumfänglich zu schweigen. Der richterliche Durchsuchungsbeschluss begründet die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Beamten. Es hilft also nichts, hierüber zu lamentieren oder gar die Konfrontation mit den Ermittlungsbeamten zu suchen. Stattdessen sollten Betroffene bemüht sein, durch eine sachliche wie freundliche Kommunikation mit den ausführenden Beamten die möglichen Schäden gering zu halten. Ungeachtet der Berufung auf das Schweigerecht sollte man kooperationsbereit sein, z. B. wenn es um das Auffinden von Beweismitteln geht.

Erfahren der Arzt, seine Mitarbeiter oder Mitarbeiter einer Klinik von der Durchsuchung, sollten sie unverzüglich einen in Strafsachen erfahrenen Rechtsanwalt verständigen.

Vorsicht Falle:

Es sollte bereits vorher geklärt sein, welcher Anwalt kontaktiert werden kann und entsprechendes mit diesem vereinbart sein. Denn kaum eine Anwaltskanzlei ist morgens um 07.00 Uhr erreichbar. Man benötigt also die Mobilnummer oder Privatnummer des Anwalts seiner Wahl.

Die Kontaktaufnahme des Beschuldigten mit seinem Verteidiger darf von den Beamten nicht untersagt werden. Der Rechtsanwalt wird im Regelfall sein sofortiges Erscheinen oder das eines Kollegen zusichern, um vor Ort die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu überprüfen. Wichtig ist auch seine Rolle als Kommunikator mit den Ermittlungsbeamten. Es empfiehlt sich, den Einsatzleiter darum zu bitten, das Eintreffen des Verteidigers abzuwarten. Zwar besteht diesbezüglich kein Rechtsanspruch, jedoch wird einer solchen Bitte fast immer entsprochen, wenn der Anwalt zeitnah erscheint. In kleineren Arztpraxen sollte versucht werden, bereits anwesende Patienten – ggf. unter einem Vorwand, z.B. Notfalleinsatz – aus der Praxis zu komplimentieren. Die Erfahrung zeigt, dass durch den unübersichtlichen Personenverkehr in großen Praxen und erst recht in Krankenhäusern selbst größere Ermittlungsteams nicht wahrgenommen werden, sofern es sich um Kriminalbeamte handelt. Mitunter können die Ermittlungsbeamten in Absprache mit dem Einsatzleiter auch zunächst in Räume ohne Publikumsverkehr gebeten werden. Ebenso sollte versucht werden darauf hinzuwirken, dass Einsatzfahrzeuge der Polizei so abgestellt werden, dass sie nicht von jedermann wahrgenommen werden.

Darüber hinaus sollten weder der betroffene Arzt noch sonstige Personen irgendwelche Angaben zur Sache machen. Dies gilt nicht nur für förmliche Befragungen, sondern auch gerade für sogenannte informatorische Befragungen, d.h. ein bloßes Herumfragen der Beamten. Gerade bei Ärzten beobachten wir immer wieder, dass diese den Drang verspüren, sich zu rechtfertigen. Man sollte sich bewusst sein, dass die Beamten vor Ort nicht über den Fortgang des Verfahrens entscheiden und im Zweifel eher belastende Indizien notieren werden, als Angaben zur fachlichen Tätigkeit, die sie im Zweifelsfall auch gar nicht einordnen können.

Falsches Verhalten kann später kaum noch korrigiert werden
Gerade wegen letzterem besteht zudem die Gefahr, dass die Beamten nur Teile der Angaben aufnehmen, die durch das falsche Verständnis einen Tatverdacht möglicherweise eher verstärken, als ihn zu widerlegen. Betroffene sollten sich daher auf ihr Schweigerecht berufen. Das wird normalerweise akzeptiert ohne das Klima zu belasten. Falsches Verhalten während einer Durchsuchung kann zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren kaum noch korrigiert werden.

Zwar haben die an der Tat unbeteiligten Mitarbeiter des beschuldigten Arztes grundsätzlich kein Recht, die Aussage zu verweigern, jedoch können sich diese zunächst einmal auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht zum Schutz vor Selbstbelastungen nach § 55 StPO berufen. Häufig ist nämlich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht absehbar, inwieweit nicht auch Helfern des Arztes ein Tatvorwurf gemacht werden kann. Der Zeugenstatus kann sich somit schnell in einen Beschuldigtenstatus wandeln. Ein Schweigen hilft an dieser Stelle daher sowohl dem beschuldigten Arzt als auch der Auskunftsperson selbst.

Keine freiwillige Herausgabe von Unterlagen
Häufig wird versucht, durch unverhohlene Drohungen ("Sagen Sie uns doch einfach, wen Sie im letzten Jahr behandelt haben, sonst müssen wir die ganze Patientenkartei mitnehmen...") eine Aussagebereitschaft herbeizuführen. Man sollte sich klar machen, dass man zu diesem Zeitpunkt keinerlei Kenntnis über den Wissensstand der Strafverfolgungsbehörden besitzt. Überlegungen zu etwaigen Einlassungen verbieten sich daher. Zwar wird es regelmäßig sinnvoll sein, bei dem Auffinden bestimmter Unterlagen mitzuwirken, um umfangreichere Beschlagnahmehandlungen abzuwenden. Dies sollte jedoch ausschließlich in Absprache mit dem anwesenden Verteidiger erfolgen, da allein dieser in der Lage ist, die rechtlichen Konsequenzen zu überblicken. Solange noch kein Rechtsanwalt vor Ort ist, dürfen keinesfalls irgendwelche Unterlagen freiwillig herausgegeben werden! Eine freiwillige Herausgabe von Unterlagen kann dazu führen, dass man im Anschluss an die Maßnahme keine Möglichkeit mehr besitzt, die Mitnahme der herausgegeben Sachen durch die Einlegung einer Beschwerde rechtlich überprüfen zu lassen.

Vorsicht Falle:

Durch die freiwillige Herausgabe von Patientenunterlagen kann sich ein Arzt wegen Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB strafbar machen. Es sollte daher grundsätzlich eine Beschlagnahme erfolgen und geduldet werden.

Je nach Umfang der betreffenden Unterlagen sollte versucht werden, eine Mitnahme der Unterlagen durch Austausch gegen Kopien abzuwenden. Alternativ sollte versucht werden, sich von den beschlagnahmten Unterlagen Kopien anzufertigen, um den Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten. Darauf besteht allerdings nicht ohne weiteres ein Rechtsanspruch. Ggf. ist auf den entstehenden Schaden und auf die Verhältnismäßigkeit hinzuweisen. Jedenfalls darf man nicht der Fehleinschätzung unterliegen und von einer schnellen Rückgabe der Unterlagen ausgehen. Fast immer sind die Beamten an Daten auf Rechnern interessiert. Beschlagnahmt werden grundsätzlich die Originaldatenträger. Der Betroffene muss sich regelmäßig mit Kopien zufrieden geben.

Förmliche Beschlagnahme muss im Protokoll stehen
Es empfiehlt sich, sämtliche Vorgänge der Durchsuchung genau zu dokumentieren. In Kliniken oder großen Praxen sollte diese Aufgabe einem Mitarbeiter konkret zugewiesen werden. Es sollten die Namen aller Beamten notiert werden, die im Einsatz waren. Vor allem sollte detailliert festgehalten werden, welche Gegenstände wie in Verwahrung genommen wurden. Zu diesem Zwecke muss nach Abschluss der Durchsuchung von den Ermittlungsbeamten ein Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll ausgehändigt werden. Hier gilt es insbesondere darauf zu achten, dass im Falle einer nicht freiwilligen Herausgabe die förmliche Beschlagnahme im Protokoll richtig vermerkt ist.

Um auf die Stresssituation einer Durchsuchung und Beschlagnahme in der Praxis vorbereitet zu sein, empfiehlt es sich für alle Praxisangehörigen oder für typischerweise potentiell Betroffene ein knapp formuliertes Informationsblatt zu verfassen, das die dargelegten Hinweise enthält und jederzeit griffbereit ist.

Ein entsprechendes Informationsblatt mit Verhaltensempfehlungen bei Durchsuchungen senden wir Ihnen auf Anfrage gerne kostenlos zu.

Kontakt zum Autor: kanzlei@dr-buchert.de oder 069 - 710 33 33 0

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