Hinweisgeberschutzgesetz und der Handlungsbedarf für Unternehmen

Praxistipps von RA Dr. Rainer Buchert und RA’in Dr. Caroline Jacob, Frankfurt a. M.


Der Referentenentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes, mit dem die EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird, liegt nun vor. Im Folgenden werden die wichtigsten bereits feststehenden Verpflichtungen für Unternehmen und ihr Handlungsbedarf im Bereich Hinweisgeberschutz vorgestellt:

Einrichtung eines Hinweisgebersystems wird Pflicht

  • Unternehmen ab 250 Mitarbeitern oder mit mehr als 10 Millionen Euro Jahresumsatz müssen ab dem 16. Dezember 2021 sichere interne Meldekanäle z.B. ein Hinweisgebersystem für Whistleblower bereitstellen

  • Ebenso müssen öffentliche Einrichtungen, Behörden sowie Kommunen ab 10.000 Einwohnern Hinweisgebersysteme einführen

  • Unternehmen zwischen 50 und 249 Mitarbeitern haben dafür lediglich 24 Monate länger Zeit

Unter Meldekanälen ist nach dem Hinweisgeberschutzgesetz ein Hinweisgebersystem zu verstehen, das eine vertrauliche Abgabe eines Hinweises ermöglicht. Vertraulichkeit bedeutet nicht anonym, weshalb dahingehende Aussagen von Betreibern elektronischer Systeme insoweit irreführend sind.
Vertraulichkeit bedeutet, dass „ein Meldekanal so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben wird, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers (Whistleblowers) und Dritter, die in seiner Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt".

Zum Hinweisgeberschutz Verpflichtete Unternehmen haben folgende Optionen:

  1. Sie können eine Stelle im Unternehmen einrichten oder bestimmen, an die Hinweisgeber (Whistleblower) ihre Meldung vertraulich abgeben können, z. B. der Compliance-Verantwortliche

  2. Sie können einen erfahrenen Anwalt als Ombudsperson mandatieren solche Hinweise entgegenzunehmen – seit langem best practice

  3. Sie können ein elektronisches Meldesystem einrichten

Diese einzelnen Lösungen sind auch additiv möglich und kombinierbar. Welche Lösung die beste ist hängt unter anderem von der Größe, der Struktur und der Weiträumigkeit der Unternehmensorganisation ab. Schließlich ist auch maßgebend, ob eine fachlich geeignete Person bestimmt werden kann. Letztlich ist es auch eine Kostenentscheidung.

Praxistipp zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetz:
Die Mandatierung einer anwaltlichen Ombudsperson wird in den meisten Fällen für mittelständische Unternehmen die kostengünstigere Lösung sein.

Weitere Verpflichtungen der Unternehmen:

Neben der Einrichtung eines Hinweisgebersystems, also einem Meldekanal für Hinweisgeber/Whistleblower, haben Unternehmen folgende weitere Verpflichtungen:

  1. Sie müssen eine „unparteiische Person oder Abteilung“ benennen, die für die Folgemaßnahmen zu den Meldungen von Hinweisgebern (Whistleblowern) zuständig ist. Dabei kann es sich um die gleiche Person oder Abteilung handeln, die Hinweise/Meldungen entgegennimmt.

  2. Sie müssen binnen sieben Tagen nach Eingang eines Hinweises dem Hinweisgeber den Eingang der Meldung bestätigen

  3. Sie müssen auf die Meldungen von Hinweisgebern (Whistleblowern) mit „ordnungsgemäßen Folgemaßnahmen“ reagieren.

  4. Sie müssen Hinweisgebern (Whistleblowern) in einem „angemessenen zeitlichen Rahmen“ eine Rückmeldung zu getroffenen Maßnahmen/Reaktionen auf die Meldung geben. Als angemessen werden maximal drei Monate nach Eingangsbestätigung angesehen.

  5. Sie müssen Mitarbeitern (potentiellen Hinweisgebern) verständliche und leicht zugängliche Informationen über die Möglichkeiten externer Meldungen an zuständige Behörden, Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen geben. (zu den verschiedenen Meldekanälen gleich mehr)

  6. Sie müssen die Meldungen in schriftlicher und mündlicher Form ermöglichen, wobei expressis verbis „Telefon oder eine andere Art der Sprachübermittlung“ genannt sind. Außerdem müssen sie auf Wunsch des Hinweisgebers (Whistleblowers) eine „physische Zusammenkunft“ innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens ermöglichen.

Praxistipp zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetz:
Anwaltliche Ombudspersonen gelten nach der Richtlinie als internes System. Auf sie können wesentliche Verpflichtungen aus der EU-Whistleblower-Richtline delegiert werden. Ombudspersonen nehmen vertraulich Hinweise entgegen bewerten sie rechtlich und prüfen sie auf Plausibilität. Nach Befreiung von der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht berichten sie dem Unternehmen und geben Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.

Whistleblower haben ein Wahlrecht wohin sie melden

Das Gesetz sieht interne und externe Meldekanäle vor, über die ein Hinweisgeber (Whistleblower) Hinweise geben kann. Wichtig: Er hat ein Wahlrecht.

Interne Meldekanäle

Als interne Meldekanäle für Meldungen von Hinweisgebern (Whistleblowern) gelten interne Stellen in einem Unternehmen, z. B. der Chief Compliance Officer, sowie mandatierte Ombudspersonen und elektronische Meldewege.

Externe Meldekanäle

Externe Meldekanäle sind Behörden, wie z. B. die Finanzaufsicht BaFin oder das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF. Bund und Länder sind gehalten weitere Behörden zu benennen und mit angemessenen Ressourcen auszustatten.

Offenlegung von Informationen

Die dritte Möglichkeit für Hinweisgeber (Whistleblower) ist die Offenlegung von Informationen. Darunter versteht man das öffentliche Zugänglichmachen von Informationen z. B. gegenüber der Presse und Medien oder über soziale Netzwerke. Dieser Weg darf in der Regel nur dann beschritten werden, wenn die Meldung an Behörden ohne hinreichende Reaktion geblieben ist.

Wichtig: Die interne Meldung hat keinen Vorrang mehr wie bisher. Der Hinweisgeber kann entscheiden, ob er Verstöße unternehmensintern meldet oder sich extern an eine Behörde wendet.

Praxistipp zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetz:
Angesichts der Wahlmöglichkeit eines Hinweisgebers (Whistleblowers) sind Unternehmen gut beraten professionelle interne Strukturen zu schaffen, um durch diese Angebote Meldungen an externe Stellen möglichst zu vermeiden. Nur wenn Hinweisgeber darauf vertrauen können, dass Unternehmen Hinweise ernst nehmen, Ihnen sorgfältig nachgehen und Straftaten und Unregelmäßigkeiten aufklären und angemessen sanktionieren, werden sie sich interner Meldestrukturen bedienen.
Das Gesetzt empfiehlt in §7 auch ausdrücklich Anreize zu schaffen, dass interne Systeme bevorzugt genutzt werden.

Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) und drohende Sanktionen

Hinweisgeber (Whistleblower) sollen künftig besonders geschützt werden. Die Vertraulichkeit Ihrer Identität muss gewährleistet werden und sie dürfen wegen einer Meldung keine Repressalien erleiden.

Anspruch auf diese Schutzwirkungen haben Hinweisgeber (Whistleblower) nur, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen (Gutgläubigkeit), in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen (Rechtsrahmen) und sie unter Nutzung der vorgegeben internen oder externen Meldekanäle ihre Meldung abgegeben haben.

Die EU-Whistleblower-Richtlinie verbietet jede Form von Repressalien, Diskriminierungen oder Benachteiligung von Hinweisgebern (Whistleblowern). Auch entsprechende Versuche sind untersagt. Verstöße sind mit z. T. empfindlichen Geldbußen bedroht.

Achtung: Beweislastumkehr

Hinweisgeber (Whistleblower) müssen aufgrund einer ordnungsgemäßen Meldung nach bestem Wissen und Gewissen künftig keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen befürchten. Im Falle eines arbeitsrechtlichen Prozesses sieht die Richtlinie eine prozessuale Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers vor. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Kündigung in keinem Zusammenhang mit der Meldung des Hinweises durch den Arbeitnehmer erfolgt, sondern in anderer sachlicher Weise begründet ist.

Sachstand:

Zunächst ist festzustellen:
Wer eine Ombudsperson mandatiert, unser Hinweisgebersystem WhistProtect® oder ein qualifiziertes elektronische Meldesystem state of the art eingerichtet hat, genügt damit den Anforderungen an ein Hinweisgebersystem wie es jetzt verpflichtend vorgeschrieben wird.

Praxistipp zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetz:
Es nicht richtig, dass internetbasierte Meldesysteme die Vertraulichkeit von Informationen und die Anonymität der Hinweisgeber in jedem Fall besser schützen als der Einsatz von Rechtsanwälten als Ombudsleute. Das BVerfG stellt im Hinblick auf die Vertraulichkeit des Mandatsverhältnisses in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich hohe Anforderungen an die Durchsuchung von Rechtsanwaltkanzleien und verlangt für die Beschlagnahme bei Berufsgeheimnisträgern eine „besondere verfassungsrechtliche Rechtfertigung“ (BVerfG NJW 2018, 2385, 2386 ff Rn. 68). Diese Anforderungen gelten für Unternehmen nicht.

Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält aber weitergehende Verpflichtungen.
Daraus ergeben sich folgende

Empfehlungen

  • Hinweisgebersysteme sind Elemente eines Compliance-Management-Systems (CMS). Unternehmen, die noch kein hinreichend wirksames CMS haben, sollten die Zeit nutzen, um entsprechende Strukturen zu vervollständigen.

  • Soweit Unternehmen internetbasierte Hinweisgebersysteme eingerichtet haben oder einrichten wollen erscheint es sinnvoll, die technischen Möglichkeiten, die sie bieten und die für Rechtsanwälte bestehenden rechtlichen Privilegien zum größtmöglichen Schutz der Hinweisgeber in der Weise zu kombinieren, dass die sicher übermittelten Hinweise bei Rechtsanwälten eingehen. Diese können dann auch für die verlangten physischen Zusammenkünfte zur Verfügung stehen. Eine optimale Form der Kombination ist z. B. das Hinweisgebersystem WhistProtect® www.whistprotect.com

  • Soweit noch nicht geschehen sind Personen oder Organisationseinheiten festzulegen, die eingegangene Hinweise bearbeiten und einem Verdacht von Rechtsverstößen nachgehen. Neben der fachgerechten Bewertung und Plausibilisierung von Hinweisen hinsichtlich ihrer Compliance-Relevanz müssen auch professionelle interne Ermittlungen gewährleistet sein. Eine organisatorische Trennung dieser Funktionen wird empfohlen.

  • Soweit noch nicht geschehen müssen Prozesse geschaffen oder entsprechend ergänzt werden, um den weiteren Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes zu entsprechen (fristgerechte Meldebestätigung, Rückmeldung zu getroffenen Maßnahmen, Ermöglichen physischer Zusammenkunft). Es sollten keine Fristen versäumt werden, die Hinweisgeber (Whistleblower) veranlassen können, Informationen über Verstöße an externe Stellen zu melden und ggf. öffentlich zu machen.

  • Die Innenwerbung für die Nutzung interner Meldekanäle – Meldungen an eine Stelle im Unternehmen oder an die Ombudsperson – sollte verstärkt werden. Flankierend dazu sollten vertrauensbildende Maßnahmen geprüft und umgesetzt werden, um Meldungen an externe Stellen möglichst zu vermeiden.

  • Die interne Information und Kommunikation zum Hinweisgebersystem und zum Umgang mit Hinweisen sollte intensiviert werden. Verbesserte Transparenz erhöht das Vertrauen in die Arbeit der Compliance-Verantwortlichen und der Ombudspersonen und ermutigt interne Meldekanäle zu nutzen.

Haben Sie Fragen?

Wir beraten und unterstützen Sie in allen Fragen im Zusammenhang mit der EU-Whistleblower-Richtlinie und dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz individuell und durch ein entsprechendes Schulungsangebot. Gerne können Sie uns jederzeit ansprechen.

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