Vorschaubild Seite 4 - Newsletter Medizinstrafrecht 2011
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Haftung bei Stürzen im Krankenhaus

Im Spannungsfeld zwischen Vorsorge und Eingriff in die Freiheit

Immer wieder verletzen sich Patienten im Krankenhaus durch Stürze. Häufig geschieht dies, wenn sich der Patient ohne Hilfe aus dem Bett bewegen möchte. Kommt es dabei zu schwerwiegenden Verletzungen, wird nicht selten das Krankenhaus auf Zahlung der Behandlungskosten und eines Schmerzensgeldes verklagt. Mitunter, aber seltener, wird auch der Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung erhoben. Die Frage, wer für den Sturz einzustehen hat, ist dabei immer von den Gegebenheiten des Einzelfalles abhängig. Generell besteht eine Pflicht seitens des Krankenhaus- personals, den Patienten vor vermeidbaren Gefährdungen – auch vor Selbstverletzungen – zu schützen.

Im vom OLG Köln zu entscheidenden Fall (05.05.2010, 5 W 10/10) war im Aufnahmeprotokoll einer Patientin vermerkt worden, dass eine Sturzgeneigtheit bestehe, die Orientierung und die Bewusstseinslage jedoch problemlos seien. In einer Nacht versuchte die Patientin aufzustehen. Im Laufe des Krankenhausaufenthaltens wurde mehrmals festgestellt, dass sie desorientiert war, wobei dies aber keinen Dauerzustand darstellte. Etwas über eine Woche später stürzte die Patientin dann beim Versuch aufzustehen. Das Gericht erblickte in der Nichtanbringung eines Bettgitters keine Pflichtverletzung. Zwar sei die Patientin immer mal wieder desorientiert gewesen, es hätten jedoch keine Anhaltspunkte vorgelegen, die Sicherungsmaßnahmen notwendig gemacht hätten. Gegen den Willen eines Patienten bedeute das Anbringen eines Bettgitters eine erhebliche Einschränkung der persönlichen Freiheit, die nur im Falle einer konkreten, akuten und erheblichen Gesundheitsgefährdung gerechtfertigt sein könne. Das OLG Oldenburg (23.09.2010, 5 U 111/10) sah die unterlassene Überwachung eines noch unter Einfluss eines sedierenden Medikaments stehenden Patienten und die nur provisorische Absperrung seiner Liege mit einem Sonographiegerät und einem Schwingsessel als Pflichtverletzung an, die zur Verletzung des Patienten führte. Die Fürsorgepflicht hätte es erfordert, den Patienten solange zu überwachen, bis er sein Bewusstsein und seine Einsichtsfähigkeit in ausreichendem Maße wiedererlangt hat. Fazit: Die Pflichten des Krankenhauspersonals bewegen sich immer in dem Spannungsfeld, den Patienten einerseits vor Gefahren und damit Verletzungen zu schützen, andererseits aber die Schutzvorkehrungen nicht zu übertreiben, da dies einen unzulässigen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellen kann.

Praxistipp:
Es empfiehlt sich eine sorgfältige Schulung des Personals und eine Dokumentation hinsichtlich der individuellen Sturzrisiken. Daneben sollten alle Stürze erfasst und analysiert werden, damit man sich nicht schon dem generellen Vorwurf eines nicht sorgsamen Umgangs mit Sturzgefahren aussetzt.

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